Wirtschaft | Transit

“Lösungen statt Verbote”

Industrielle, Unternehmer, Frächter und Automobilindustrie appellieren im Vorfeld des Brenner-Verkehrsgipfels am 12. Juni an die Politik: “Keine neue Barrieren schaffen!”
Brennerachse
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Obwohl der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer, begleitet von Polemiken, seine Teilnahme abgesagt hat, findet der Brenner-Verkehrsgipfel am kommenden Dienstag (12. Juni) in Bozen statt. Doch nun kommt auch aus der Wirtschaft Druck. Industrielle, Frächter und Automobilindustrie schlagen sich auf die Seite von Scheuer, der seine Absage damit begründet hat, dass man in Österreich bzw. Tirol an der LKW-Blockabfertigung festhalten will.

“Wir erwarten uns, dass am 12. Juni über Lösungen und nicht über Verbote diskutiert wird”, stellen Stefan Pan (Confindustria-Vizepräsident und Präsident der Industriellenvereinigung Trentino-Südtirol), Enrico Zobele (Präsident Confindustria Trient) und Federico Giudiceandrea (Präsident Unternehmerverband Südtirol) der Politik die Rute ins Fenster. Verbote, wie etwa das sektorale Fahrverbot in Tirol, würden den Verkehr nicht reduzieren, “sondern ihn einzig ineffizienter gestalten und dadurch zusätzliche Kosten und Umweltbelastungen verursachen”, mahnen die Industriellen. In dieselbe Kerbe schlagen Thomas Baumgartner (Präsident der italienischen Frächtervereinigung ANITA) und Gianmarco Giorda (Direktor des italienischen Verbandes der Automobilindustire ANFIA). Sie haben sich mit einem Schreiben an den italienischen Verkehrsminister Dario Toninelli gewandt, der ebenso sein österreichischer Amtskollege Norbert Hofer kommenden Dienstag in Bozen erwartet wird. “Einseitige Initiativen, wie die von Tirol umgesetzte LKW-Blockabfertigung sollten möglichst vermieden werden”, appellieren Baumgartner und Giorda. Denn die würden nicht nur zu Verkehrsüberlastung und erhöhten Schadstoffemissionen führen, sondern auch ein soziales Problem für die LKW-Fahrer darstellen.

Vielmehr als für Verbote stehen die Vertreter von Industrie und Warentransporteuren für “innovative Lösungen” ein: moderne Fuhrparks mit umweltfreundlicheren Fahrzeugen, denen uneingeschränkt freie Fahrt über den Brenner gewährt werden sollte. So ein Vorschlag.

Zugleich lädt man die Politik ein, sich keine Illusionen von der Verlegung des Warentransports von der Straße auf die Schiene zu machen. “70 Prozent des italienischen Exports und Imports queren die Alpen – der Großteil davon geht über den Brenner”, erinnert Thomas Baumgartner. “Es wäre unrealistisch zu glauben, dass alle Waren auf die Schiene verlagert werden können. Selbstverständlich muss die Verlagerung gefördert werden, aber gleichzeitig braucht es Lösungen, die die Durchlässigkeit des Warentransports über die Alpen sicherstellen.”
“Das Ziel, den Warentransport auf die Schiene zu verlegen, verfolgen wir alle”, stimmen Pan, Zobele und Giudiceandrea zu, “aber derzeit gibt es auf der Brennerstrecke aufgrund der unzureichenden Infrastrukturen nicht die dafür notwendigen Kapazitäten. Damit dies möglich wird, muss das Bahnnetz ausgebaut werden und ein wettbewerbsfähiges Angebot entstehen: der Brennerbasistunnel wird dafür eine ausschlaggebende Rolle spielen”, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Und warnen: “Die Erreichbarkeit und Öffnung sind für unsere Region besonders wichtig. Wenn wir neue Barrieren schaffen, setzen wir unseren Wohlstand aufs Spiel.”

Die effizienteste, schnellste, ökologischte und kostengünstigste Lösung ist die, die Bahntrassen für den Gütertransport vom Personentransport konsequent zu trennen. Diese beiden Nutzer haben völlig unterschiedliche Bahnhöfe, Geschwindigkeiten, Lasten, Komfortansprüche. Beim heute üblichen Mischbetrieb mit seinen langsamen, schweren Lastzügen und den schnellen, leichten Personenzügen müssen alle 3 Jahre die Schienen abgehobelt werden, da die ersteren die Gleis-Oberflächen wellig hämmern und die letzteren glatte Oberflächen brauchen. Wenn sehr schnelle Personenzüge mit 260km/h auf denselben Gleisen wie langsame Lastzüge mit 120km/h fahren sollen, so reduzieren erstere die Güter-Förderkapazität des Systems beachtlich. Deshalb müsste, nach meinem Verständnis von nachhaltigem, d.h. zukunftsfähigem Transport die Brenner-Transit-Strecke derart gestaltet werden, dass nur die Güterzüge konsequent untertage fahren, sie mittels Zwischenbahnhöfen in Trient-Interporto, Bozen-Süd und ev. Fanzensfeste den regionalen Bedarf einbeziehen, und die bestehende Bahntrasse ausschließlich dem Personentransport vorbehalten bleibt. Damit wären Förderkapazitäten von bis zu 100 Mio Tonnen/jahr je Richtung möglich und durchs Einführen von täglich 4 Non-Stop-Zügen München-Verona, mit dem Pendolino, für Personen Fahrtzeiten von nur 3,5 Stunden verwirklichbar. Eine weitere Maßnahme würde die Inbetriebnahme der Gesamtstrecke Verona-Innsbruck sehr beschleunigen : wenn die Verwirklicung der neuen Bahnstrecke nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert würde, sondern über die Vergabe von Konzessionsrechten, ähnlich den italienischen Autobahnen. Die erstere Lösung hängt von den jährlich verfügbaren Budgets Italiens und der Eu ab und stottert sich so durch die Jahrzehnte; die zweitere aber zielt auf eine möglichst kurze Bauzeit und schnelle Inbetriebnahme der Gesamtstrecke ab und kann dies auch umsetzen, da Investitionskapital ausreichend verfügbar ist, wenn langsfristige Gewinne sicher sind (den Gütertransport wird es immer geben und brauchen). Ein weiterer Problem-Punkt steht an : Die Brennerautobahn ist weitestgehend in Bruckenbau-Bauweise ausgeführt. Die Bewehrungsstähle der Brückenträger sind der Ermüdung durch Schwingungen ausgesetzt und in nicht allzuferner Zukunft werden die Schwerlaster die Autobahn nicht mehr befahren können..... Es geht nicht darum, 2025 den Brennerbasis-Tunnel in Betrieb zu nehmen, sondern innerhalb 2030-35 den gesamtem Gütertransit von Verona bis Kufstein von der Straße auf die Schiene zu bringen. Würde man sich zu einer Umplanung entscheiden, so wäre diese mit nur geringem Aufwand schnell machbar und die bisherigen Vorarbeiten im Tunnelbau wären nicht verloren, da sie auch für ein reines Gütertunnelsystem nutzbar blieben. Da Güter nicht schnell sondern zuverlässig vom Versand- zum Bestimmungsort kömmen müssen und die Fahrzeit als Lagerzeit für just-in-time-Fertigungen gelten kann, wäre es denkbar, die Güterstrecke mit nur einer Tunnelröhre und Gegenverkehr zu bauen und mit nur 100km/h zu betreiben. Die Verlagerung des gesamten Gütertransits von der Straße auf die Schiene dürfte dann innerhalb 2030-35 möglich sein.

Di., 12.06.2018 - 15:38 Permalink

Karl, schlägst Du allen Ernstes 3,5h-"non-stop"-Pendolini München-Verona vor, die weder in Innsbruck noch in Bozen halten? Reisen statt Rasen mit 120km/h? ( oder war der Plan 260km/h mit der obligaten Kaffeepause am Brenner?) Bei 4x täglich Schluss mit der Internationalität, wo Rest-Europa einen Zwei- wenn nicht Stundentakt haben wird?

Di., 12.06.2018 - 15:56 Permalink

Benno, sieh Dir die Bahn-Wirklichkeit europäischer Michbetriebs-Systeme an. Was ist so dumm an meinem Vorschlag ? Bereits 1990 hatte ich zusammen mit Ing.Georg Kauer ähnliches vorgschlagen. Damals behauptete unser Hohes Haus: es wäre alles schon geplant... Heute 2018, nach 28 Jahren, gibt es noch nicht mal eine Planung für die Zulaufstrecken zum Brenner...

Mi., 13.06.2018 - 12:01 Permalink

Die vorgeschlagenen 4 Non-Stop-Züge, würden in Bozen ebensowenig wie in Innsbruck oder Trient anhalten, weil ihre Fahrgäste eben von München nach Verona und weiter wollen. Selbst mit einem Ferrari könnte man diese Strecke von Znetrum zu Znetrum nicht schneller abfahren. Diese 4 Züge wären ja nur ein Teil der bereits bestehenden Schnellzugverbindungen München-Verona.... Diese Strecke mißt 430km und damit wäre der Pendolino-Non-Stop-Vorschlag mit 3,5h nicht sehr viel langsamer als derder von München nach Wien mit 640km in 4,5h fährt (siehe oben). Der Aufwand, in der neuen Brennertransitstrecke auch Personen zu transportieren diesen in Bozen udn Trient Bahnhöfe anzubieten, ist enorm, man denke nur an den erforderlichen Sicherheitsaufwand auf der Gesamtstrecke und die neue Zugumfahrung von Bozen und dann wohl auch von Trient. Die Fluchtverbindungen zwischen den beiden geplanten Tunnelröhren im BBT sind, meines Wissns, über 300 m voneinander entfernt. Wie wahrscheinlich ist es, dass im Falle eines Brandes im Tunnel bei den Fahrgästen Panik ausbricht und sie sich auf diesen 300m gegenseitig zu Tode trampeln ?

Mi., 13.06.2018 - 15:13 Permalink

Hmm, ich denke, wir "Betroffenen" haben primär zwei Sorgen: 1. Wie können wir die Belastung des Transitverkehrs minimieren und 2. wie können wir unsere eigene Mobilität verbessern. Ich nehme zur Kenntnis, dass Deiner technischen Einschätzung nach der BBT uns zu Zweiterem gar nichts bringen wird und Ersteres nur für Güter nutzt, während die Personen ungestoppt mit hoher Geschwindigkeit bei uns oberirdisch vorbei donnern werden. Bin begeistert.

Mi., 13.06.2018 - 18:21 Permalink