Chronik | SEL-Skandal
Ende eines Lynchverfahrens?
Foto: upi
Für die Angeklagten sollte es eigentlich ein Tag der Freude sein.
Am Mittwoch ging in Rom das letzte Kapitel einer langen und folgenschweren Polit- und Justizaffäre zu Ende. Der Kassationsgerichtshof wies die Rekurse der Bozner Oberstaatsanwältin Alessandra Burei und des Bozner Strafverteidigers Beniamino Migliucci, der im Verfahren die Zivilpartei „Eisackwerk GmbH“ vertreten hat als „nicht zulässig“ ab.
In einigen Monaten wird das schriftliche Urteil des Kassationsgerichts vorliegen. Damit wird der Freispruch für den ehemaligen Landesrat Michl Laimer, Ex-SEL-Direktor Maximilian Rainer, den ehemaligen SEL-Präsidenten Klaus Stocker und des ehemaligen SEL-Aufsichtsratspräsidenten Franz Pircher rechtskräftig.
Es sollte eigentlich das Ende der sogenannten SEL-Affäre sein, die in den vergangenen sechs Jahren Südtirols Polit-Kosmos erschüttert hat. Doch ein Teil der jetzt Freigesprochenen sieht das nicht so.
„Dieses Urteil ist der erste Lichtblick nach einer jahrelangen juridischen‚ politischen und in Südtirols Print- und Rundfunk-, sowie in TV-Medien betriebenen medialen Verfemungskampagne gegen uns“, schreiben Franz Pircher und Klaus Stocker in einer Erklärung nach dem Freispruch.
„Dieses Urteil ist der erste Lichtblick nach einer jahrelangen juridischen‚ politischen und in Südtirols Print- und Rundfunk-, sowie in TV-Medien betriebenen medialen Verfemungskampagne gegen uns“, schreiben Franz Pircher und Klaus Stocker in einer Erklärung nach dem Freispruch.
Die beiden ehemaligen SVP-Bezirksobleute und Spitzenfunktionäre der SEL erheben in der Aussendung schwere Vorwürfe:
„Wir sind nun an einem Punkt angelangt, wo wir nicht mehr weiter schweigen werden. Aus Rücksicht und Achtung vor der Gerichtsbarkeit, haben wir während der gegen uns laufenden Verfahren bisher nie in eigener Sache das Wort ergriffen, obwohl wir in unserem Ansehen, in unserem Rufe, im Leben unserer Familien und in unserer beruflichen Tätigkeit schwersten Schaden erlitten haben.
Politische, juridische und mediale Machtgruppierungen haben mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln eine Verurteilung betrieben.
In den gesamten gegen uns betriebenen Lynchverfahren wurde nicht ein einziger Beweis eines etwaigen Amtsmissbrauchs oder Missbrauchs von Steuergeldern und Anschuldigungen von welcher Art auch immer erbracht, was aber nichts daran änderte, dass politische, juridische und mediale Machtgruppierungen mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln eine Verurteilung betrieben und zum Teil auch erreicht haben“.
Klaus Stocker und Franz Pircher kündigen zudem an:„Wir werden in der kommenden Zeit in geeigneter Weise auf einzelne Umstände der gegen uns betriebenen Verfahren näher eingehen, Verantwortlichkeiten aufzeigen und gegen Verantwortliche vorgehen.“
In einem Interview mit RAI-Südtirol wird Klaus Stocker noch deutlicher:
„Die Presse hat uns gelyncht und vorverurteilt und ich kann einen Ordner, der über 30 Zentimeter hoch ist, präsentieren, alles Presseartikel, wo wir auf der ersten Seite erschienen sind und als die größten Verbrecher im Land abgestempelt wurden.“
Pircher und Stocker kündigen mögliche Schadenersatzklagen an.
Weiße Weste
Der Freispruch in diesem Verfahren gibt ihnen Recht.
Die beiden ehemaligen SEL-Spitzenfunktionäre lassen in ihrer berechtigten Forderung nach Rehabilitation aber ein entscheidendes Detail aus.
Der „Stein an Stein 2“-Prozess war ein Nebenverfahren, des sogenannten „Stein an Stein“-Prozesses. Während Maximilian Rainer und Michl Laimer in erster Instanz wegen Amtsmissbrauch verurteilt wurden, waren Klaus Stocker und Franz Pircher bereits vom Landesgericht von diesem Vorwurf freigesprochen worden. Im Berufungsverfahren waren dann auch Laimer und Rainer freigesprochen worden. Jetzt wurde der Freispruch vom Kassationsgericht für alle vier Angeklagten bestätigt.
Rechtlich völlig anders aber sieht es im Hauptverfahren um das Stein an Stein Kleinkraftwerk in Mittewald aus. Dort sind Maximilian Rainer, Franz Pircher und Klaus Stocker rechtskräftig verurteilt worden. Bei Maximilian Rainer hat das Kassationsgericht am Ende die Verjährung der Haftstrafe entschieden.
Klaus Stocker und Franz Pircher haben bereits zu Beginn den Weg eines verkürztes Verfahren gewählt.
In verkürzten Verfahren fällt der Voruntersuchungsrichter aufgrund der Ermittlungsakten das Urteil. Der Vorteil für die Angeklagten: In diesem Verfahrensweg wird die Strafe bis zu einem Drittel gesenkt und die Fakten müssen nicht öffentlich im Gerichtssaal ausgebreitet werden.
Voruntersuchungsrichter Carlo Busato verurteilte im Oktober 2013 Klaus Stocker und Franz Pircher wegen Betrugs zu je einem Jahr und acht Monaten bedingter Haft. Klaus Stocker und Franz Pircher haben gegen dieses Urteil berufen. Doch am 27. September 2014 bestätigt das Bozner Oberlandesgericht das Urteil erster Instanz. Die Strafen wurde für beide Angeklagte um zwei Monate gesenkt.
Ein Rekurs von Stocker und Pircher gegen dieses Urteil wurde vom Kassationsgericht abgewiesen. Demnach ist ihre Verurteilung im Stein an Stein 1-Verfahren rechtskräftig.
Jetzt wurden beide im „Stein an Stein 2“ Verfahren freigesprochen.
Sie können und sollten sich darüber freuen.
Franz Pircher und Klaus Stocker sind - um bei ihren Worten zu bleiben - sicher nicht „die größten Verbrecher im Land.“
Doch so Jungfrau, wie jetzt tun, sind auch wieder nicht.
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Jetzt spielen Stocker und
Jetzt spielen Stocker und Pircher die Unschuldslämmer, wo wir doch alle wissen, dass sie die Wasserträger der damaligen Politiker waren. Durch ihre Arroganz und Präpotent haben sie sich den Hohn und Spott der gesamten Südtiroler Bevölkerung verdient. Schon allein der Tatsache wegen, dass sie bis zuletzt versucht haben, die ganze Sache zu vertuschen, kann man davon ausgehen, dass sie "Dreck am Stecken" hatten. Der Freispruch jetzt beim Kassationsgericht, der sicherlich einen politisch Hintergrund hat, ist kein Beweis dass diese Herren unschuldig sind.
Anscheinend wurde der
Anscheinend wurde der Kassationsrekurs aus formalen Gründen abgewiesen, weil die Rekurssteller eine neue Beweisaufnahme gefordert hätten, was unzulässig ist. Die Details der Abweisung wären interessant, vielleicht liefert die Urteilsbegründung mehr dazu. War es nicht so, dass der Freispruch in 2. Instanz auf einer laut Medienberichten unüblichen, zivilrechtlichen Herangehensweise des Richterkollegiums fußte? Die Entschiedung fiel anscheinend aufgrund einer Auslegung, wonach der SEL nie ein formelles Angebot eines Privaten zum Betreiben eines Kraftwerks vorgelegen hatte (und somit auch keine Entscheidung zu dessen Gunsten und zum Schaden des öff. Hand möglich gewesen wäre). Von dem, was man bisher zu lesen bekam, hat sich das Kassationsgericht mit der Rechtsauslegung dieses ausschlaggebenden Details aber gar nicht beschäftigt, weil der Rekurs aus anderen Gründen unzulässig war. Genau das zu hören, wäre aber das Spannende gewesen!