Umwelt | Interview
„Der Mut hat abgenommen“
Foto: Alexander Alber/FF
Salto.bz: Herr Erhard, werden Sie in Zukunft unter der Brücke schlafen müssen?
Heinrich Erhard: Das hoffe ich nicht. Denn ich habe zum Glück Rückhalt in der Familie und bei meinen Geschwistern. Finanziell werde ich das Ganze hoffentlich überstehen. Auch wenn das Schlimmste auf mich zukommen sollte.
Sie müssen in den nächsten Wochen fast 600.000 Euro zahlen. Wie wollen Sie dieses Geld auftreiben?
Wie unmittelbar die Zahlung erfolgen muss, das muss ich mit meinem Rechtsanwalt erst abklären. Ich habe dazu einen Termin nächste Woche. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, wie ich das Geld auftreiben soll. Vielleicht muss ich etwas verkaufen. Zudem hoffe ich, dass ich bei meiner Bank kreditwürdig bin.
Die Autonomie und einzelne Gesetze, die aufgrund unserer Autonomie erlassen wurden, haben sicherlich nicht den Wert, der immer hochgehalten wird.
Ist es nicht absurd, dass ein öffentlicher Beamter in Ausübung seines Amtes privat haftet und Summen zurückzahlen muss, die er kaum in 10 Jahren verdient?
Dass es eine Haftung für Beamte gibt, finde ich durchaus richtig. Aber alles muss Maß und Ziel haben. Wenn wirklich eine Straftat vorliegt, dann soll der Beamte auch zur Rechenschaft gezogen werden. Wir wurden aber nicht strafrechtlich verurteilt, sondern ausschließlich buchhalterisch. Das Urteil sagt: Wir hätten dem Staat einen Schaden verursacht, den wir jetzt zahlen müssen.
Wie beurteilen Sie das Urteil des römischen Rechnungshofes?
Für mich hat dieses Urteil eigentlich drei Erkenntnisse gebracht. Erstens: Die Autonomie und einzelne Gesetze, die aufgrund unserer Autonomie erlassen wurden, haben sicherlich nicht den Wert, der immer hochgehalten wird. Diese Bestimmungen haben eine weit geringeren Wert. Zweitens: Wenn jemand in Italien den legalen Weg geht, dann zahlt er so drauf. Wenn ich bedenke, wieviele Wölfe in Italien illegal geschossen und vergiftet werden, so ist mir kein Fall bekannt, wo jemand gerichtlich so belangt wurde.
Und drittens?
Dass die Herangehensweise an die Wildproblematik in Italien eine völlig andere ist, als in Mitteleuropa. In Mitteleuropa hat man ein aktives Wildmanagement, das auch eine nachhaltige Entnahme von Tieren vorsieht. In Italien hingegen hat das einzelne Wildtier fast denselben Wert wie das menschliche Individuum.
Sehen Sie in diesem Urteil auch einen politischen Angriff auf die Südtirol-Autonomie?
Auf jeden Fall sehe ich das. Zudem ist es ein Urteil gegen die Person von Altlandeshauptmann Luis Durnwalder. Ich bin dabei nur eine Art Kollateralschaden. Ich bin deshalb involviert, weil ich fachlich für die Entscheidungsfindung verantwortlich war.
Unsere Politiker haben nicht mehr diesen kämpferischen Geist, Autonomiebestimmungen bis aufs Letzte zu verteidigen. Ich sehe eher eine Rücksichtnahme gegenüber Rom.
Bereits jetzt herrscht in der Beamtenschaft eine übertriebene Angst vor dem Rechnungshof. Nach diesem Urteil wird sich niemand getrauen, etwas zu entscheiden?
Ich gehe davon aus, dass das eine, der Folgen sein wird. Wir haben ja bereits einen anderen ähnlichen Fall. Die Verurteilung des ehemaligen Personalchefs des Landes Engelbert Schaller. Hier spielt sich Ähnliches ab. Denn auch im Personalbereich hat Südtirol wie im Jagdbereich autonome primäre Zuständigkeiten.
Erwarten Sie sich in Ihrem Kampf gegen dieses absurde Urteil Unterstützung von ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem Land?
Ich habe hier keine großen Erwartungen. Ich glaube, unsere Politiker haben nicht mehr diesen kämpferischen Geist, Autonomiebestimmungen bis aufs Letzte zu verteidigen. Ich sehe eher eine Rücksichtnahme gegenüber Rom.
Eine harte Aussage?
Sicher. Aber ich habe als Landesrat Alfons Benedikter erlebt. Damals habe ich immer gesagt: Er ist mir zu stur. Heute kann ich sagen: Er hatte Recht.
In Italien gibt es einen extremen Naturprotektionismus, der fachlich keinerlei Hintergrund hat.
Wäre es nicht an der Zeit, dass die Landesregierung hier endlich klar Flagge zeigt und die Rekurse vor dem Kassationsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mitträgt?
Ich erhoffe mir das. Der Altlandeshauptmann hat das in seinen Interviews ebenso angedeutet. Ob es aber dazu kommt? Mein Eindruck ist leider, dass der Mut Rom die Stirn zu zeigen, eher ab- als zugenommen hat.
Ist diese Urteil am Ende nicht auch ein Pyrrhussieg für die Tierschützer?
Ich denke ja. Ich habe in Wien studiert und später in Brescia einen Spezialisierungskurs in Wildmanagement gemacht. Überall wurde mir dabei gesagt, dass bei den Wildtieren nie das Einzeltier im Vordergrund steht - wie bei den Haustieren -, sondern immer die Population, der das Tier angehört. Diese Population gilt es zu erhalten. Genau das haben wir durch die Abschussdekrete beim Steinwild, bei den Murmeltieren, bei den Kormoranen oder beim jagdbaren Wild auch getan. Der Rechnungshof sieht das aber jetzt als Schaden. Tatsache ist, dass es in Italien einen extremen Naturprotektionismus gibt, der fachlich keinerlei Hintergrund hat.
Sehe Sie noch irgendeine Chance aus dieser Geschichte herauszukommen?
Die Chance ist klein. Aber ich hoffe es.
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Das Urteil ist ein Wahnsinn.
Das Urteil ist ein Wahnsinn.
Landeshauptmann Kompatscher hat heute in der Pressekonferenz des Landes umgehend angekündigt, dass er mit allen Mitteln dagegen vorgehen wird - zum Schutz der Autonomie. Recht hat er! Deshalb glaube ich auch, wird der Schaden begrenzen. Das wusste Hr. Erhard wohl noch nicht beim Interview.
Um Fakten nicht zu vermischen, sollte man sich auch vor Augen halten, dass das Urteil auf Basis der damaligen Gesetze gemacht wurde. Alle Jäger wissen nämlich, dass 2016 die entsprechende Kompetenz mittels Durchführungsbestimmung übertragen wurde, und es somit zu gar keinem Urteil mehr kommen könnte. In Rahmen seiner Enttäuschung wird Hr. Erhard auch das vergessen haben.
Lieber Heinrich,
Lieber Heinrich,
das, was ich hier lese, tut mir sehr Leid, und ich wünsche Dir, dass sich - letztlich - alles zum Besten für Dich richtet.
Diesen unerschütterlichen Glauben habe ich, er mag auch Dich niemals verlassen.
Diese Welt, in der wir leben, weiß oft nichts von der Rechtschaffenheit, nichts von der Leidenschaft und nichts von dem guten Sinn, den wir in unser berufliches Tun legen.
Peter