Zusammenhalt für Vielfalt
“Leider kann ich Ihnen nichts Aussagekräftiges sagen.” Das Bedauern in Petra Kranebitters Stimme klang ehrlich. Als salto.bz Kranebitter im vorigen Spätsommer kontaktierte, konnte die Konservatorin für Zoologie am Südtiroler Naturmuseum auf die Frage, wie es um die Insekten im Land bestellt ist – Stichwort Insektensterben –, keine Antwort geben. “Denn konkrete, flächendeckende und langzeitlich angesetzte Studien gibt es für Südtirol schlicht und einfach nicht”, so Kranebitter damals. “Seriöse, kontinuierliche und politisch gewollte” Erhebungen bräuchte es, um den Zustand der Flora und Fauna, von den kleinsten bis zu den größten Lebewesen, deren Entwicklung und Gefährdung festzustellen. Das meinte man nicht nur im Naturmuseum. Nun, ein Jahr später, steht eine solche Erhebung in den Startlöchern. Nicht nur zur Freude von Petra Kranebitter, die am Montag Vormittag in den Palais Widmann gekommen ist, um der Präsentation des Biodiversitäts-Monitorings beizuwohnen.
Den Startschuss hat Umweltlandesrat Richard Theiner gegeben. Und eine Reihe von hochkompetenten Partnern ins Boot geholt. Unter der Leitung und Koordination des Institutes für Alpine Umwelt an der EURAC wird im Herbst ein groß angelegtes, flächendeckendes und langfristiges Projekt gestartet. Das Ziel: ein detailliertes Bild über die Biodiversität in Südtirol erhalten. “Die biologische Vielfalt ist die Grundlage für das menschliche Leben, es ist in unserem ureigenen Interesse, sie zu erhalten”, schickt Landesrat Theiner voraus. Er erinnert daran, dass es bereits heute verschiedene Datenerhebungen zu verschiedenen Artengruppen gibt. Die werden von öffentlichen Einrichtungen wie Landesabteilungen und -ämtern, dem Naturmuseum, EURAC, Universität, Laimburg u.a.m. durchgeführt. Auch private Vereine und Organisationen sammeln Daten über Pflanzen- und Tierarten. Doch “fundierte Aussagen, die als Basis für politische Entscheidungen dienen können, sind ohne regelmäßige, systematische und wiederholte wissenschaftliche Untersuchungen nicht möglich”, weiß auch Theiner. Die Kräfte und Ressourcen werden nun gebündelt, um ein bislang einzigartiges Monitoring zu starten.
Fünf Jahre für’s ganze Land
Wie genau es durchgeführt werden soll, erklärt Georg Niedrist. Der Mitarbeiter am EURAC-Institut für Alpine Umwelt vertritt an diesem Vormittag Institutsleiterin Ulrike Tappeiner, die das Forschungskonzept federführend ausgearbeitet hat. “Zur Biodiversität gehören verschiedene Aspekte der Vielfalt: die genetische, jene der Arten und jene der Landschaft”, erklärt Niedrist. Im Fünfjahresrhythmus sollen ab kommenden Jahr mittels einer einheitlichen Erhebungsmethode im Voraus definierte Indikatorenarten untersucht werden. Dazu wird die gesamte Landesfläche in Raster unterteilt, die, wie erwähnt, innerhalb von fünf Jahren systematisch abgearbeitet werden. “Im sechsten Jahr wird wieder von vorne begonnen”, so Niedrist. Die Daten werden wissenschaftliche aufgearbeitet, analyisert, mit den bereits existierenden Datensätzen zusammengeführt und in eine Datenbank eingespeist. Diese wird der Öffentlichkeit und Behörden zugänglich gemacht. Grundlage dafür bildet die Datenbank des Naturmuseums, die seit zwanzig Jahren von den Forschern dort gespeist wird.
“Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt”, nickt Niedrist, der dem Vorhaben mit “großem Optimismus” entgegenblickt: zu einer “Versachlichung”, einer “fundierten Debatte” könnten die Erkenntnisse aus dem Monitoring beitragen, ist sich der EURAC-Forscher sicher, insbesondere dort, “wo Konfliktpotenzial herrscht”.
Landwirtschaft besonders im Fokus
Etwa in der Landwirtschaft. Die spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um den Erhalt, aber auch die Zerstörung von Biodiversität geht, wie der zuständige Landesrat Arnold Schuler schonungslos eingesteht. Vor allem die Intensivierung, die einerseits zwar die Lebensmittelproduktion für den steigenden und sich ändernden Konsum sichert, sich andererseits aber auch negativ auf die Vielfalt von Flora und Fauna auswirkt. Nicht zuletzt “wegen der Kritik”, die es an der Landwirtschaft und an gewissen Anbaumethoden gibt, wurde die EURAC auch beauftragt, eine Nachhaltigkeitsstudie für den Sektor durchzuführen, informiert Schuler. “Die drei bis vier Prozent, die der Obst- und Weinbau an der Gesamtfläche des Landes ausmacht, kommen in dem Rastersystem zu kurz”, erklärt der Landesrat den Hintergrund der eigenen Studie für die Landwirtschaft. Gemeinsame Initiativen – etwa mit dem Imkerbund zur Schaffung von Bienenwiesen – und Projekte wie der vermehrte Einsatz von heimischen Wildkräutern für die Einsaaten in Obst- und Weinbauflächen sind bereits am Laufen.
Von der Nachhaltigkeitsstudie erwartet sich Schuler vor allem eine Bestätigung seiner Überzeugung: “Auch mit einfachen Maßnahmen sind wesentliche Verbesserungen für den Erhalt der Artenvielfalt möglich.” In diesem Sinne soll das Biodiversitäts-Monitoring auch dazu genutzt werden, um die Förderbeiträge für landwirtschaftliche Betriebe anzupassen. Denn nicht nur Petra Kranebitter weiß, dass es am Ende von der Überzeugung und dem Willen der Landwirte abhängt, ob der Schutz der Vielfalt, die es (noch) gibt, gelingt. Zumindest auf ihren Flächen. Abseits davon ist jeder einzelne gefordert. “Lernen – verstehen – schützen und schätzen” – mit diesem Appell gibt Georg Niedrist das Motto für das Monitoring vor. 500.000 Euro im Jahr will man sich das Vorhaben kosten lassen.
GUTEN MORGEN Herr Theiner!
GUTEN MORGEN Herr Theiner! Gut geschlafen?
Gute Sache! bravo
Gute Sache! bravo
500.000 Euro im Jahr! Bin
500.000 Euro im Jahr! Bin nicht ganz überzeugt, dass ein 5-Jahres-Monitoring das einzige und beste Mittel ist. Die wenn auch schwierige Zusammenarbeit mit den Bewirtschaftern intensiv genutzter Flächen und deshalb wohl auch mit dem SBB (inklusive Ausbildung und Exkursionen) scheint mir unumgänglich, wenn es Verbesserungen in der Situation geben soll. In allen Bereichen wird Hochschulbildung als die Zukunft propagiert, aber in der Landwirtschaft sehe ich dieses Thema bei den Landwirten sehr schwach! Und gegen nichts scheinen die Bauern resistenter, als die "Meinung" im Sinne von Empfehlungen durch Wissenschaftler, die selbst nicht im Feld arbeiten. Auch dies vielleicht ein Wink an die ausführenden Monitoring-Personen, mal selbst unter heutigen Bedingungen die verschiedenen Kulturen zu bearbeiten und mit dem "Land" in Kontakt zu treten. Würde das Fiasko der "Eurac-Wolfsaufklärung" unter den Betroffenen vermeiden helfen.