Kultur | Salto Afternoon

#vorausgehen oder #hinterhertrotteln?

Hippe Augenauswischerei: Die Einladung von Sebastian Kurz nach Bozen ist ein kulturpolitisches Armutszeugnis. Zum Glück gibt es Alternativen.
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Foto: Fotostill: Die bauliche Maßnahme

16.30 Uhr Einlass, 17.00 Uhr Begrüßungsworte Parteiobmann Philipp Achammer, 17.15 Uhr Sebastian Kurz und Arno Kompatscher im Gespräch, 18.30 Uhr After Work Party. Nach diesem pfiffigen Ablauf soll der morgige Politempfang auf dem Gelände des Bozner Unternehmens Stahlbau Pichler über die Bühne gehen.
Tiefschürfende Analysen und Visionen zu Österreich, Europa und Südtirol werden beim coolen Partei-Festakt aber wahrscheinlich vor der Produktionshalle Halt machen, die Veranstalter haben zur politischen Veranstaltung nämlich eine Sportjournalistin als Moderatorin eingeladen. Wird sie die smarten Politiker mit spitzen und gut recherchierten Fragen aufs Glatteis führen? Wohl eher nicht.

Der rhetorisch versierte Sebastian Kurz hat erst vor wenigen Tagen im ORF-Sommergespräch bewiesen, wie galant er kritischen Fragen aus dem Weg gehen kann, indem er sie einfach nicht beantwortet und lieber vorgefertigte Satzbausteine aus seinem Floskelkasten nach Belieben zusammenbaut – narzisstisch und mit wenig Tiefgang. Mehrmals sprach Kurz in feinen „Bogensätzen“ vom Gestern und vom Morgen, von der Vergangenheit und der Zukunft. Die Gegenwart, das Heute, ließ Kurz hingegen rechts liegen.

Genau in diesem Hier und Jetzt liegen die Schwächen des jungen Kanzlers. Er hat keine menschenwürdige Vision die über sein Land hinausgeht, geschweige denn bis nach Südtirol reicht.
In seiner Regierung tummeln sich Burschenschafter und katholische Verbindungsmänner. Sie wurden im Schatten des selbstverliebten jungen Mannes nach oben gespült – wie tote Fische, die schon lange zum Himmel stinken. Unter dem Deckmantel der Kurz-Regierung schüren sie weiterhin Ängste gegen Minderheiten, verunglimpfen und beschmutzen Persönlichkeiten, und spielen, wie Sebastian Kurz, mit abgedroschenen Phrasen zu offenen und geschlossenen Außen- und Innengrenzen. 
Vielleicht spricht der österreichische Kanzler beim morgigen Treffen darüber, wie er mit Twitter- Instagram- und Facebook einen rechten Populismus salonfähig gemacht hat, der ihm nun kurzweilig den Rücken stärkt. Wäre interessant.
„Sebastian Kurz wird deutlich machen, wie wichtig stabile Verhältnisse in unsicheren Zeiten sind und dass wir auf die starke Unterstützung Österreichs auch weiterhin bauen können heißt es in der Aussendung der Veranstalter. Um was es wirklich geht, wird sich am morgigen Abend im Unternehmen Stahlbau Pichler allerdings nicht herausstellen. 

Zeitnah zum Kurz-Besuch in Bozen, bieten sich für ein tiefgründiges Österreich-Bild just an diesem Wochenende gleich zwei Möglichkeiten - ohne fadenscheinige Doppelpass-Gespinste, ohne gut vernetzte altbackene Männerbünde, ohne plakativ gestreute Grenzängste am Brenner und anderswo.

Alternative 1: Die bauliche Maßnahme
Bereits heute startet im Capitol-Kino in Bozen der Film Die bauliche Maßnahme, ausgezeichnet als bester österreichischer Dokumentarfilm bei der Diagonale 2018. Regisseur und Kameramann Nikolaus Geyrhalter hat dazu den Grenzpass am Brenner zwei Jahre lang beobachtet und sich mit den Menschen die dort wohnen unterhalten. Der Film macht deutlich wie seitens einer entschlossenen Politik in Medienberichten Stimmung gemacht wird, wie die Exekutive vor Ort in peinlichen Auftritten beschwichtigt und wie sich Bewohnerinnen und Bewohner an der Grenze hin- und hergerissen fühlen. Am Ende des Films liegt der Zaun immer noch zusammengerollt im Container, das neu errichtete Registrierzentrum ist nie in vollen Betrieb gegangen, und der befürchtete Flüchtlingsansturm ist ausgeblieben.

DIE BAULICHE MASSNAHME 

Im Anschluss an die Filmpremiere in Bozen (13. September, 20.30 Uhr)  gibt es ein Gespräch zwischen der Kulturjournalistin Renate Mumelter und Karin Cirimbelli, der Präsidentin von SOS Bozen. 

Alternative 2: Bergwanderung an der Brennergrenze - Camminata al Brennero
Das Forum per cambiare l‘ordine delle cose organisiert am Samstag, 16. September, eine Bergwanderung an der Brennergrenze, um die symbolische Geste zur Bedeutung sicherer Korridore und offener Grenzen zu untermauern.
Gewandert wird über die Pfade Nr. 1 bis zur Grenze zu Österreich, dann geht es weiter zum Sattelmoser Biotop und zur Sattelbergalm, im Anschluss folgt der Abstieg nach Gries am Brenner.

Die Wanderung dauert ca. 4 Stunden, Treffpunkt ist am Eingang des Bahnhofs am Brenner um 9.00 Uhr. Die Veranstalter merken an: „Es soll keine Demo sein, sondern eine symbolische und friedliche Geste, um die Botschaft von der Öffnung der Grenzen zu verbreiten, so dass diese Orte wieder zu sicheren Durchgangsterritorien werden.“

#vorausgehen oder #hinterhertrotteln? Diese Frage muss beim Kurz-Empfang in Bozen, wie auch bei der Brenner-Wanderung, gestellt werden. Nur sind die Vorzeichen andere.

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Martin B. Do., 13.09.2018 - 17:01

Eigentlich hatte ich mir laut Titel eine Kritik an der Kampagne des LH erwartet, was durchaus interessant wäre. Anstatt dessen eher wirre generelle Anschuldigungen und persönliche Ansichten über den österreichischen Kanzler und zum Schluss dezent platzierte Werbung für zwei Veranstaltungen. Naja, als Startseitentitelgeschichte eher mau, aber scheinbar nach dem Geschmack der Redaktion.

Do., 13.09.2018 - 17:01 Permalink
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Manfred Klotz Do., 13.09.2018 - 17:23

Antwort auf von Martin B.

Der Titel IST eine Kritik am so genannten Event, das dürfte wohl klar sein. Aber genau so klar ist, dass die "wirren generellen Anschuldigungen" sehr treffend sind. Haben Sie das Sommergespräch gesehen? Ich schon. Es war tatsächlich inhaltslos in bester Schaumschlägermanier.

Do., 13.09.2018 - 17:23 Permalink
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Martin B. Sa., 15.09.2018 - 10:59

Antwort auf von Manfred Klotz

@ Manfred Klotz: ok, ein SVP-Funktionär (vermutlich aus dem sozialdemokratischen Lager) hat gestern sein großes "Bauchweh" mit dem Event klar gemacht. Nur weil die Zentrale die ganze Woche per Telefonate, SMS, E-Mails alle bombardiert hat, hat er irgendwann nachgegeben und gehofft es ist ein Kurz-weiliger Event.
Auch das (die Situation innerhalb der SVP) wäre eine interessantere Aufarbeitung, als der Versuch einer Analyse vom österreichischen Bundeskanzler. Aber gut, mich jedenfall interessiert dieser nicht besonders, wennschon interessiert mich, wann ich als altösterreichischer Tiroler, um die Staatsbürgerschaft ansuchen kann. Da bin ich ganz der Meinung vom Alt-LH: eine mehrheitlich demokratische und autonome Entscheidung von Landtag und österreichischem Parlament und eine Herzensangelegenheit für Viele inklusive mir. Hass, Häme, Panikmache und Neid prallen daran ab ;-)

Sa., 15.09.2018 - 10:59 Permalink
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△rtim post Do., 13.09.2018 - 17:32

Es freut mich, dass der Bundeskanzler Bozen besucht, um sich über aktuelle Themen und Agenden auszutauschen.
Österreich hat dankenswerterweise ja auf Wunsch des Südtiroler Landtages, dem von der italienischen Regierung nicht widersprochen wurde, die MÖGLICHKEIT zur Wiederverleihung der 1919/1920 bzw. 1938 zu Unrecht entzogenen österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler und Juden zu seiner Herzenangelegenheit gemacht.
Wie gut, dass auch Italien bereits heute akzeptiert, dass die Slowenen in Friaul zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft die slowenische erhalten.
Warum sollte Italien dann dagegen sein, dass die österreichische Minderheit in Italien die österreichische Staatsbürgerschaft erhält?
Das sind doch europäische Zeichen der Weitherzigkeit und Versöhnung, insbesondere, wenn man an die Ereignisse um 1914, 1918, 1938 … mit all den Toten ... und Folgen, besonders für die Südtiroler und jüdische Bevölkerung, denkt.
Dass sich die österreichischen Minderheiten Italien einen (Zweit-) Pass wünschen ist wohl auch aufgrund der gemachten historischen Erfahrungen mehr als nachvollziehbar und berechtigt.
Mit Sicherheit steckt auch eine emotionale Seite dahinter, beide Ausweise haben zu wollen, um sich vollständig fühlen zu können.
Da kann man der Bundesregierung, dem Landeshauptmann ... bei der Umsetzung dieses Herzensanliegens nur alles Beste wünschen!

Do., 13.09.2018 - 17:32 Permalink
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19 amet Do., 13.09.2018 - 19:05

Antwort auf von △rtim post

Glauben Sie wirklich ich mache mir die Mühe jedesmal, wenn Sie das selbe wiederholen, ihre Argumente zu widerlegen.Glauben sie wirklich es gibt ein paar Menschen die 2 Pässe brauchen um sich "vollständig" zu fühlen. Denen würde ich doch eher den Psychiater raten, als das Passamt.

Do., 13.09.2018 - 19:05 Permalink
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Manfred Klotz Fr., 14.09.2018 - 09:03

Antwort auf von △rtim post

"Staatsbürgerschaft für Südtiroler und Juden"???? Wie bitte?
Übrigens, Weil immer wieder der Vergleich mit Slowenien und Kroatien gebracht wird: die Kriterien unterscheiden sich vollkommen. Die italienische Staasbürgerschaft erhielt die erste Generation der italienischstämmigen Slowenen und Kroaten, schon die zweite muss mindestens drei Jahre in Italien ANSÄSSIG sein.

Fr., 14.09.2018 - 09:03 Permalink
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19 amet Do., 13.09.2018 - 18:04

Legen Sie doch einmal ihre rot-weiss-rote Brille ab, dann werden Sie merken welch Schaumschläger ihr Idol ist. Da ist er zwar in guter Gesellschaft, aber es ist kein Ruhmesblatt. Er ist auch nicht zu beneiden, muss er doch mit Leuten regieren die dem Grossdeutschen Reich nachtrauern, und schauen dass diese nicht zuviel von ihren braunen Ideen posaunen, sonst empören sich die Menschen. Ich lasse Ihnen ihre Freude am Kurz, ich trauere da aber dem Kreisky nach, dagegen ist der Kurz doch nur ein Würstl.

Do., 13.09.2018 - 18:04 Permalink
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△rtim post Do., 13.09.2018 - 18:48

Man kann Sebastian Kurz mögen oder auch auch nicht. Auf jeden Fall ist kein Politiker es wert, die Grundregeln der journalistischen Handwerkskunst zu verraten.
"Vorausgehender Gesinnungsjournalismus" hat mit seriösem Journalismus wenig gemein - auch wenn er linksgrün ist.
In einem hat Martin Hanni mit diesem Beitrag aber recht. Es geht um Selbstoffenbarung/Selbstkundgabe in eigener Sache: ein "kulturpolitisches Armutszeugnis. Zum Glück gibt es Alternativen.".

Do., 13.09.2018 - 18:48 Permalink
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Paul Schöpfer Do., 13.09.2018 - 23:22

Ich bin dankbar dafür, dass es Alternativen zu Athesiamedien in Südtirol gibt. Auch wenn Salto auf dem linken Auge blind ist, so habe ich es trotzdem bis heute geschätzt, das Salto unsere Medienlandschaft bunter macht.

Aber wie kann man so einen Artikel veröffentlichen?

Do., 13.09.2018 - 23:22 Permalink
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Armin Kobler Sa., 15.09.2018 - 13:32

Ich werde den Eindruck nicht los, dass der Autor sich schon vor der Veranstaltung seine Meinung über den Ablauf, den Hauptreferenten und noch mehr über die Inhalte seine Rede gebildet hat. Ansonsten würde er möglichst objektiv die anstehende Versammlung ankündigen und - später - vorurteilsfrei sie auf sich wirken lassen.
Ein zur bestmöglichen Objektivität verpflichtete Journalismus sieht m.E. anders aus. Ich wünsche mir, dass die Salto-Redaktion insofern reagiert, dass solcherart pamphletähnliche Beiträge nicht zur Regel werden.

Sa., 15.09.2018 - 13:32 Permalink