Politik | Schützen

Thalers Abrüstung

Ausgerechnet der Südtiroler Schützenbund fordert plötzlich eine entspannte Herangehensweise und eine verbale Abrüstung in Sachen Doppelpass. Was steht dahinter?
elmar_thaler_ssb_quer_ts.jpg
Foto: Schützenbund
Merkt man, dass man den Bogen überspannt hat? Oder kommt der Ordnungsruf von den Finanziers der Kampagne aus dem Vaterland?
Vielleicht ist es aber auch nur einfach der Versuch am Ende nicht auf der Verliererseite zu stehen.
Nachdem der Südtiroler Schützenbund jahrelang zu den maßgeblichen Akteuren in Sachen Doppelpass gehörte, schaltet man jetzt im Landtagswahlkampf plötzlich einige Gänge zurück.
In einer Aussendung spricht sich der Südtiroler Schützenbund für eine verbale Abrüstung in Bezug auf den Doppelpass aus. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum ausgemusterte Politiker, pensionierte Bergsteiger und journalistische Urgesteine in den letzten Tagen in einem für jedermann nachvollziehbaren inszenierten Chor versuchen, ein Unbehagen bei den italienischen Bewohnern Südtirols und eine Spaltung der Gesellschaft im Land an Eisack, Etsch und Rienz herbeizureden“, verkneift sich Landeskommandant Elmar Thaler einen Seitenhieb auf Reinhold Messner, Francesco Palermo und Lorenz Gallmetzer nicht.
Landeskommandant Elmar Thaler kann sich einen Seitenhieb auf Reinhold Messner, Francesco Palermo und Lorenz Gallmetzer nicht verkneifen.
Die immer wiederkehrende Angst vor der Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Tiroler oder Patrioten sei in diesem Zusammenhang unbegründet, so Thaler. „Jeder, der nach den Vorgaben des Gesetzes die Voraussetzungen dafür erfüllt, kann frei entscheiden, ob er um die österreichische Staatsbürgerschaft ansucht − und ist, weil es ein individuelles und nicht öffentlich einsehbares Recht ist, niemandem auskunftspflichtig.“ Für Thaler könnte die „Enttäuschung über eine aus fadenscheinigen Gründen politisch nicht realisierte Chance weit mehr Unfrieden im Zusammenleben stiften als ein Projekt, dass sich in vielen Teilen Europas schon lange bewährt hat und von der gewählten politischen Mehrheit in Österreich und Südtirol nun gewollt ist.
 
Der Landeskommandant spricht zudem jetzt von „Mehrfachstaatsbürgerschaft, die es vermutlich bereits heute tausendfach in Südtirol und im Rest Europas gibt.“ Zudem verweist Thaler auf die sehr großzügige Handhabung italienische Staatsbürgerschaften an „Angehörige der italienischen Nation“ in Slowenien und Kroatien vergeben – und das, ohne auf die Befindlichkeiten anderer Staaten Rücksicht zu nehmen.
Nachdem sowohl der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, wie auch sein Stellvertreter Heinz Christian Strache immer deutlicher durchblicken lassen, dass man keinen Schritt in Sachen Doppelpass ohne Abstimmung mit Rom machen werde, unterstreicht der Schützenbund das „Entgegenkommen Österreichs an Italien“. „Man will sich absprechen und die Sache einvernehmlich regeln, es anders als Italien machen, welches das Gesetz seinerzeit einfach durchgezogen hat“, sagt Elmar Thaler, „Ein daraus erwachsendes Vetorecht kann sich Italien aber nicht erwarten.“
In den vergangenen Wochen wurde deutlich, dass die amtierende österreichische Regierung eine ernsthafte diplomatische Krise mit Italien wegen des Doppelpasses für Südtiroler auf jeden Fall vermeiden will. Die Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz in Bozen waren beste Diplomatenkost. Er sagte alles und nichts.
Das dürfte auch der Hintergrund dafür sein, dass die Mander plötzlich die Abrüstung bemühen.
Bild
Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Do., 20.09.2018 - 12:35

Besser spät als nie. Es ist auch Zeit dass die Verehrer dieses teuren Stück Kartons endlich kapieren, dass Österreich alles auf die lange Bank schiebt.Und auch kapieren dass wir in Südtirol nicht schon wieder eine Stimmung brauchen wie 1939. Schon jetzt pöbeln manche Schreier über die Verräter und verwalschten Landsleute die gegen diesen unnützen Pass sind. Genauso wie damals bei der Option.Wir brauchen keine Spaltung in der Bevölkerung in Tiroler der ersten und der zweiten Klasse.
Wir brauchen keine nationalistische Hetze, sondern friedliches Zusammenleben aller drei Sprachgruppen zum Wohle unserer Kinder.

Do., 20.09.2018 - 12:35 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Do., 20.09.2018 - 14:13

Antwort auf von 19 amet

Wir brauchen keine Hysteriker, sondern Leute, die über das Thema sachlich diskutieren können. Wenn jemand sich dauernd aufregt, weil anderen die Möglichkeit gegeben wird, eine zweite Staatsbürgerschaft zu erhalten, dann fragt man sich wer hier wirklich der Nationalst ist.

Do., 20.09.2018 - 14:13 Permalink
Bild
Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Do., 20.09.2018 - 14:56

Eben, so ist es. 2 Klassen. Die guten Tiroler die für ihren geliebten und ach so notwendigen Pass eintreten. Und die bösen Tiroler die das nicht wollen, eben diese verwalschten Nationalisten. Genau die gleichen Parolen wie die braunen Propheten 1939. Das Ergebnis dieses sinnlosen Nationalismus ist bekannt. Wir werden uns wehren müssen , damit die Nachkommen der braunen Verbrecher nicht wieder das Land spalten und nicht nur einen Kleinkrieg mit den italienischen Südtirolern anzetteln, sondern die Spaltung und den Unfrieden noch in die Familien tragen. Aber Kurz wird schon dafür sorgen dass alles auf die lange Bank geschoben wird, denn wegen den Interessen des Strache, der auf einige Tausend Wähler aus ist, legt er sich nicht mit Italien an.Die Österreicher lieben die Südtiroler nur solange sie ihnen nichts kosten, denn der Neid auf das reiche Südtirol beginnt schon am Brenner.

Do., 20.09.2018 - 14:56 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Do., 20.09.2018 - 14:56

Herr Thaler, ich weiß, dass Sie die Kommentare hier lesen. Vielleicht sollten Sie folgende Erklärung der Verfahren zur Erlangung der italienischen Staatsbürgerschaft seitens der Kroaten und Slowenen italienischer Abstammung in den ehemaligen italienischen Gebieten in ex-Jugoslawien lesen. Es ergibt sich ein völlig anderes Bild als Sie vermitteln wollen.
http://ricerca.repubblica.it/repubblica/archivio/repubblica/1994/05/14/…

Do., 20.09.2018 - 14:56 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Philipp Trafojer
Philipp Trafojer Do., 20.09.2018 - 15:33

Zu Zwist könnte der Doppelpass wohl vor allem in jenen Organisationen führen, in denen sein Erwerb als patriotische Pflicht definiert wurde: Es wird in nächster Zukunft wohl Super-Schützen geben, die sich den Spaß für die ganze Familie leisten, und solche, die das nötige Kleingeld für andere Zwecke ausgeben müssen.

Do., 20.09.2018 - 15:33 Permalink
Bild
Profil für Benutzer luigi spagnolli
luigi spagnolli Do., 20.09.2018 - 15:37

Lieber Herr Landeskommandant!!!
Zur Kenntnis: ich stamme aus einer treuen K.u.K.-Familie aus dem damaligen Welschtirol. Vor rund einem Jahrhundert war mein Urgroßvater zusammen mit seinen 3 Brüdern jahrelang an der Ostfront mit Körper und Blut in Einsatz. Meine Urgroßmutter mit 7 Kindern wurde von der Heimat entfernt und hat die ganze Kriegszeit in Böhmen verbracht. Ich "erfülle" aber nicht "die Voraussetzungen nach den Vorgaben des Gesetzes": bin ein walscher Boatzner. Abgesehen davon, dass diese Doppelpassfrage zweifellos unsere Gemeinschaft spaltet und spalten wird, und nur deswegen sehr negativ zu betrachten ist, passen Sie auf: ich werde nie akzeptieren, dass ein deutsch- oder ladinischsprachiger Mitbürger ein "Tiroler Kennzeichen" bekommt, das ich nicht bekommen darf. Im Gegenteil zu manchen deutschsprachigen Südtiroler, fühlt sich meine italienischsprachige Wenigkeit nicht "besser" als die "anderen". Eine Chancengleichheit verlange ich aber immer, überall und ganz. Diesbezüglich werde ich meine Rechte bis vor dem letzten Gericht verteidigen.

Do., 20.09.2018 - 15:37 Permalink
Bild
Profil für Benutzer rheticus rheticus
rheticus rheticus Do., 20.09.2018 - 19:53

I Welschtiroler, abitanti di quello che fu il Suedtirol, prima che il termine venisse adottato per l’attuale Alto Adige, sono quelli che nella vicenda storica tirolese, hanno preso le più grosse bastonate. Dapprima dai fratelli tirolesi che li vollero sottorappresentati nella Dieta di Innsbruck. Che non gli vollero concedere l’università per una paventata “italianizzazione della città sull’Inn”.
Poi dall’ Imperialregio esercito che li trattava come cani. Basta leggere i diari di guerra. E quindi dall’opera nazionalizzatrice dell’Italia fascista ma anche post fascista, che ha imposto una “damnatio memoriae” su tutto quello che è stato il periodo “tirolese” del Trentino.
L’offerta del doppio passaporto ai soli cittadini di lingua tedesca e ladina ha, per i trentini, il sapore di una beffa. Ma anche per i fodomi e cortinesi.

Do., 20.09.2018 - 19:53 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Sa., 22.09.2018 - 01:15

Antwort auf von rheticus rheticus

Dieser Einwurf ist gerechtfertigt, aber eben hat der Trientner Landtag keine Mehrheit diesbezüglich. Es wäre eine andere Dimension wenn der Landtag der Welschtiroler gleichzeitig mit jenem der Südtiroler sich mehrheitlich für den Wunsch um die öst. Staatsbürgerschaft ansuchen zu dürfen, ausgesprochen hätte.
Diejenigen die keine Tiroler Vorfahren in der k.u.k. Monarchie haben, können sich wirklich nicht erwarten, das ihnen einfach aufgrund des aktuellen Wohnsitzes die öst. Staatsbürgerschaft verliehen wird. Kompliziert ist die Situation (wie immer) bei den Ladinern, die es ja auch außerhalb von Südtirol bzw. Welschtirol gibt.

Sa., 22.09.2018 - 01:15 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Fr., 21.09.2018 - 08:56

Die ganze Doppelpass-Geschichte ist auch eigentlich vornehmlich propagandistisch. Sowohl von hiesiger wie von österreichischer Seite geht es um den wahltechnischen Zuspruch, der daraus erwächst bzw. erwachsen könnte. Menschen, die den Doppelpass als ideellen Wert und nicht als materiellen Vorteil sehen, lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Es geht also um Ideologie und nicht um Idealismus.
Das mit dem Gesetzesentwurf ist überhaupt nicht entkräftet, im Gegenteil. Nur vorgelegt wurde er letztlich nicht, weil man durch die Reaktionen erkannt hat, dass die Zeit noch nicht reif ist. Das was die österreichische Regierung durch ständige Ankündigungen macht, ist die Grenzen auszuloten und langsam zu verschieben. Wie Kinder, die durch ihr Verhalten testen, wie weit sie bei ihren Eltern gehen können.
Österreich wird es sich mit Italien wegen dem Doppelpass nicht verscherzen, das stimmt. Es stimmt auch, dass Italien die beleidigte Leberwurst spielt, um Österreich irgendwelche diplomatischen Zugeständnisse/Unterstützung (im Rahmen der EU) abzuringen. Aber die Vorgangsweise Österreichs ist vollkommen undiplomatisch: man kann nicht einerseits von Verhandlungen und Einvernehmen, das man suchen will sprechen und dann andauernd einseitige Ankündigungspolitik betreiben.

Fr., 21.09.2018 - 08:56 Permalink
Bild
Profil für Benutzer 19 amet
19 amet So., 23.09.2018 - 12:28

Am einfachsten wäre es, wenn man jedem der ihn will, so einen Pass per Post zuschickt. Und vielleicht anstatt ihm 600€ abzuknöpfen noch 100 Euro dazuschenkt. Das Interesse, parteiübergreifend, wäre wahrscheinlich gewaltig.

So., 23.09.2018 - 12:28 Permalink