Gesellschaft | Umfrage

Männergewalt – (k)ein Tabu?

Eine Umfrage von Maturantinnen vor den Landtagswahlen zeigt: Die Sensibilität für das Thema “Männergewalt an Frauen” ist unter den Parteien unterschiedlich ausgesprägt.
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Foto: Pixabay

“Als Mädchen machen wir uns ernsthaft Sorgen um unsere Zukunft.” Es sind die Maturantinnen des Maria Hueber Gymnasiums in Bozen, die sich mit diesen Zeilen im Vorfeld der Landtagswahlen an alle 14 kandidierenden Parteien und Listen gewandt haben. Als Erstwählerinnen, die am Sonntag erstmals ihre Stimme bei den Landtagswahlen abgegeben können, wollten die Schülerinnen wissen: Wie positionieren sich die Parteien zum Thema “Männergewalt an Frauen”? Und welche Maßnahmen wollen unsere künftigen politischen VertreterInnen setzen?
“Vier Frauenmorde in den letzten sechs Monaten allein in Südtirol machen sehr betroffen, zumal jede/r weiß, dass dies nur die Spitze des Eisbergs eines kulturellen Phänomens ist”, schreiben die Maturantinnen – und schicken zwei konkrete Fragen mit:

1. Null Toleranz gegenüber Gewalt an Mädchen und Frauen: Werden Sie in den nächsten fünf Jahren in eine Bubenerziehung und Bubenarbeit ab dem Kindergarten in diesem Sinne investieren – Ja oder Nein?
2. Welche weiteren konkreten Maßnahmen planen Sie, um Gewalt an Frauen zu verhindern?

Von acht der 14 Listen haben die Schülerinnen innerhalb der gesetzten Frist (17. Oktober) eine Antwort erhalten. Keine Stellungnahme ging von Team Köllensperger, Freiheitlichen, Vereinte Linke Sinistra Unita, Lega, Noi per l’Alto Adige und CasaPound ein.

Die restlichen Parteien – SVP, Grüne, Süd-Tiroler Freiheit, Bürgerunion, PD, Alto Adige nel Cuore, Forza Italia, Movimento 5 Stelle – sagen einstimmig zu, in Bildungsarbeit zur Gewaltprävention durch Männer investieren zu wollen.

Bei den Antworten zur Frage nach konkreten Maßnahmen allerdings wird sichtbar: Die Sensibilität für das Thema “Männergewalt an Frauen” ist in den einzelnen Parteien sehr unterschiedlich ausgeprägt. So gesteht etwa die 5 Sterne Bewegung ein, auf “kein konkretes Programm” verweisen zu können. Und die Süd-Tiroler Freiheit gibt zu, erst dank der Maturantinnen des Maria Hueber Gymnasiums zu überlegen, das Thema aufzugreifen.

Die SVP sieht “eine soziale Gesellschaft” als Voraussetzung, “dass wir Gewalt erkennen und sie nicht tolerieren”. Bei Forza Italia ist man der Überzeugung, dass das Problem nicht allein von der Schule gelöst werden kann und dass Frauen, die Opfer von Gewalt werden, jeden Übergriff zur Anzeige bringen müssten und dass die Täter zu “harten Strafen” verurteilt gehörten.

Die Bürgerunion bringt das Thema Männergewalt an Frauen auch mit “Zuwanderung aus Gesellschaften mit religiös-kulturellem Umfeld, in dem Mädchen oder Frauen leider noch immer geringeschätzt oder gar als ‘Besitz’ des Mannes gesehen werden” in Verbindung, verweist aber auch darauf, dass “Buben und Mädchen gleichermaßen mit unterschiedlichen Zugängen mit der Thematik befasst werden” müssten, “unabhängig davon, ob es sich um Einheimische oder Migranten handelt”.

Mit konkreten Vorschlägen für Maßnahmen und Projekte aufzuwarten wissen Grüne, PD und Alto Adige nel Cuore. Letztere schlagen unter anderem vor, im Kindergarten mit Comics und kindgerechten Zeichnungen zu arbeiten, um auf latente Gewalt hinzuweisen. Der PD nennt eine vermehrte Finanzierung der Kontaktstelle für Gewalt und von Frauenhäusern sowie eine entsprechende Aus- und Weiterbildung des Personals im sozio-sanitären Bereich, von Richterinnen und Richtern sowie von Rechtsanwältinnen und -anwälten. Eine Liste mit neun konkreten Maßnahmen schicken die Grünen mit. Darunter etwa: Arbeit an den Rollenbildern von klein auf, um von Stereotypen in der Erziehung und in der Bildungsarbeit wegzukommen; Vernetzung aller wichtigen Beteiligten in der Präventions- und Auffangarbeit rund um Gewalt; aber auch kulturelle Arbeit rund um die Themen Prostitution und Pornografie, “wobei der Fokus weg von den Frauen und hin zu den Männern als Konsumenten und Verursacher gelenkt werden muss”.

 

Die Ergebnisse der Umfrage unter den Parteien haben die Maturantinnen auf der Homepage ihrer Schule veröffentlicht und werden sie im Rahmen eines Unterrichtsprojektes verwenden.