Männergewalt – (k)ein Tabu?
“Als Mädchen machen wir uns ernsthaft Sorgen um unsere Zukunft.” Es sind die Maturantinnen des Maria Hueber Gymnasiums in Bozen, die sich mit diesen Zeilen im Vorfeld der Landtagswahlen an alle 14 kandidierenden Parteien und Listen gewandt haben. Als Erstwählerinnen, die am Sonntag erstmals ihre Stimme bei den Landtagswahlen abgegeben können, wollten die Schülerinnen wissen: Wie positionieren sich die Parteien zum Thema “Männergewalt an Frauen”? Und welche Maßnahmen wollen unsere künftigen politischen VertreterInnen setzen?
“Vier Frauenmorde in den letzten sechs Monaten allein in Südtirol machen sehr betroffen, zumal jede/r weiß, dass dies nur die Spitze des Eisbergs eines kulturellen Phänomens ist”, schreiben die Maturantinnen – und schicken zwei konkrete Fragen mit:
1. Null Toleranz gegenüber Gewalt an Mädchen und Frauen: Werden Sie in den nächsten fünf Jahren in eine Bubenerziehung und Bubenarbeit ab dem Kindergarten in diesem Sinne investieren – Ja oder Nein?
2. Welche weiteren konkreten Maßnahmen planen Sie, um Gewalt an Frauen zu verhindern?
Von acht der 14 Listen haben die Schülerinnen innerhalb der gesetzten Frist (17. Oktober) eine Antwort erhalten. Keine Stellungnahme ging von Team Köllensperger, Freiheitlichen, Vereinte Linke Sinistra Unita, Lega, Noi per l’Alto Adige und CasaPound ein.
Die restlichen Parteien – SVP, Grüne, Süd-Tiroler Freiheit, Bürgerunion, PD, Alto Adige nel Cuore, Forza Italia, Movimento 5 Stelle – sagen einstimmig zu, in Bildungsarbeit zur Gewaltprävention durch Männer investieren zu wollen.
Bei den Antworten zur Frage nach konkreten Maßnahmen allerdings wird sichtbar: Die Sensibilität für das Thema “Männergewalt an Frauen” ist in den einzelnen Parteien sehr unterschiedlich ausgeprägt. So gesteht etwa die 5 Sterne Bewegung ein, auf “kein konkretes Programm” verweisen zu können. Und die Süd-Tiroler Freiheit gibt zu, erst dank der Maturantinnen des Maria Hueber Gymnasiums zu überlegen, das Thema aufzugreifen.
Die SVP sieht “eine soziale Gesellschaft” als Voraussetzung, “dass wir Gewalt erkennen und sie nicht tolerieren”. Bei Forza Italia ist man der Überzeugung, dass das Problem nicht allein von der Schule gelöst werden kann und dass Frauen, die Opfer von Gewalt werden, jeden Übergriff zur Anzeige bringen müssten und dass die Täter zu “harten Strafen” verurteilt gehörten.
Die Bürgerunion bringt das Thema Männergewalt an Frauen auch mit “Zuwanderung aus Gesellschaften mit religiös-kulturellem Umfeld, in dem Mädchen oder Frauen leider noch immer geringeschätzt oder gar als ‘Besitz’ des Mannes gesehen werden” in Verbindung, verweist aber auch darauf, dass “Buben und Mädchen gleichermaßen mit unterschiedlichen Zugängen mit der Thematik befasst werden” müssten, “unabhängig davon, ob es sich um Einheimische oder Migranten handelt”.
Mit konkreten Vorschlägen für Maßnahmen und Projekte aufzuwarten wissen Grüne, PD und Alto Adige nel Cuore. Letztere schlagen unter anderem vor, im Kindergarten mit Comics und kindgerechten Zeichnungen zu arbeiten, um auf latente Gewalt hinzuweisen. Der PD nennt eine vermehrte Finanzierung der Kontaktstelle für Gewalt und von Frauenhäusern sowie eine entsprechende Aus- und Weiterbildung des Personals im sozio-sanitären Bereich, von Richterinnen und Richtern sowie von Rechtsanwältinnen und -anwälten. Eine Liste mit neun konkreten Maßnahmen schicken die Grünen mit. Darunter etwa: Arbeit an den Rollenbildern von klein auf, um von Stereotypen in der Erziehung und in der Bildungsarbeit wegzukommen; Vernetzung aller wichtigen Beteiligten in der Präventions- und Auffangarbeit rund um Gewalt; aber auch kulturelle Arbeit rund um die Themen Prostitution und Pornografie, “wobei der Fokus weg von den Frauen und hin zu den Männern als Konsumenten und Verursacher gelenkt werden muss”.
Die Ergebnisse der Umfrage unter den Parteien haben die Maturantinnen auf der Homepage ihrer Schule veröffentlicht und werden sie im Rahmen eines Unterrichtsprojektes verwenden.
Gewalt die von Frauen ausgeht
Gewalt, die von Frauen ausgeht, bleibt weiterhin ein Tabu:
http://www.spiegel.de/karriere/gefeuerte-gleichstellungsbeauftragte-fue…
Ich hätte eine Frage an die Maturantinnen des Maria Hueber Gymnasiums in Bozen:
Gewalt gegen Frauen wird in der Öffentlichkeit nicht mehr toleriert. Was soll man genau unter einem "kulturellen Phänomen" verstehen? Gab es um Umfeld der Frauenmorde Anzeichen eines kulturellen Phänomens. Wurden diese Personen von ihrem Umfeld angestachelt oder in einer anderen Form dazu bewegt diese Taten zu begehen oder kann man eher auf die Persönlichkeit der einzelnen Individuen schließen?
Gewalt gegen Frauen ist schon
Gewalt gegen Frauen ist schon lange kein TABU mehr und das ist auch gut so. Auch Bewusstseinbildung durch solche Aktionen ist angebracht. Aber die Begrifflichkeit Tabu trifft heute auf anderes zu, u.a. auf psychische Gewalt und sexuelle Übergriffe dieser Art:
http://m.spiegel.de/panorama/asia-argento-rechtspsychologin-spricht-im-…
Antwort auf Gewalt gegen Frauen ist schon von Martin Daniel
Um Missverständnissen
Um Missverständnissen vorzubeugen: mit Tabu ist die Scham männlicher Opfer gemeint, sich und anderen einen Missbrauch durch Frauen einzugestehen. Auch wegen des noch dominierenden Männlichkeitsbildes.
Danke für die Initiative und
Danke für die Initiative und den Artikel. Leider kommt das Engagament der Grünen in der Darstellung zu kurz. Wir haben als Männer und Landatgskandidaten der Grünen vor wenigen Tagen eine Pressemitteilung versandt (ich nehme an auch an salto.bz!), in der wir explizit fordern, dass Gewalt stärker thematisiert wird, auch von Männern für Männer. Folgend der Wortlaut unserer Pressemitteilung:
"GRÜNE MÄNNER GEGEN GEWALT
Es genügt nicht, erst anlässlich tragischer Vorfälle Gewalt an Frauen zu thematisieren, vielmehr bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Sensibilisierung und spezifisch männerbezogener Präventions- und Beratungsangebote. Die Landtagskandidaten der Grünen – Verdi – Vërc wollen sich dafür stark machen.
Obwohl Gewalt in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und vor allem Gewalt an Frauen ein nach wie vor sehr verbreitetes Phänomen ist, schaffen es meistens nur die tragischsten Vorfälle, die Aufmerksamkeit der Medien und der breiten Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Dabei zeigt die Statistik, dass jede dritte Frau ab 15 Jahren in Europa körperliche und/oder sexuelle Gewalt erleidet, 75% der Frauen in akademischen Berufen und Führungspositionen sexuelle Belästigung erfahren und Cyber Grooming sowie sexuelle Belästigung von sehr jungen Frauen und Mädchen durch die neuen Medien stark zugenommen haben. Gerade sexuelle Gewalt ist zu 90% Gewalt an Frauen und während sich für Morde an Männern über die Jahre ein konstanter und starker Rückgang feststellen lässt, bleibt die Anzahl der Frauenmorde relativ konstant.
Frauen, die Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt sind, brauchen Schutz und Hilfe, in Frauenhäusern, durch kompetente Beratungsangebote, Rechtsbeistand und soziale Unterstützungsangebote. Diese müssen für alle Frauen zugänglich sein und kultursensible und intersektionale Ansätze noch besser berücksichtigen.
Allerdings darf auch die Arbeit mit Männern, gerade auch die geschlechtsspezifische Präventionsarbeit nicht zu kurz kommen. Beratungsangebote und Antigewalttrainings für Männer müssen ebenso unterstützt und ausgebaut werden wie Präventionsangebote, gerade auch in Schulen und in der Jugendarbeit. In der Arbeit mit Männern müssen kultursensible und intersektionale Zugänge ebenso berücksichtigt werden, ohne Gewalt zu relativieren oder zu verschleiern.
Darüber hinaus ist auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eine Sensibilisierung für das Thema Gewalt notwendig. Über Gewalt in Beziehungen sowie körperliche und sexuelle Gewalt an Frauen muss ein öffentlicher Diskurs geführt werden, der Gewalt entschieden verurteilt, das Zustandekommen von Gewalt aber auch besser verstehen hilft. Dabei gilt es auch die Stärkung der Bewältigungskompetenzen von Männern in schwierigen und belastenden Situationen einzufordern um damit Gewalttaten besser vorzubeugen. Nicht zuletzt sind es auch die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, die Gewalt mitverursachen, weil sie Männern Macht geben aber gleichzeitig auch Männer selbst überfordern und neuen Geschlechterbildern und Geschlechterrollen im Weg stehen.
Der Landtagskandidat der Grünen – Verdi – Vërc, Markus Frei, engagiert sich seit vielen Jahren in der Männer- und Bubenarbeit und hat zahlreichen Initiativen im Bereich der Gewaltprävention konzipiert, durchgeführt und mitgetragen. Gemeinsam mit ihm wollen sich die Männer und Landtagskandidaten der Grünen – Verdi – Vërc dafür einsetzen, dass Gewalt noch stärker als Thema für Männer, von Männern und mit Männern aufgegriffen und bearbeitet wird."
Pressemitteilung der Grünen vom 17. Oktober 2018
Antwort auf Danke für die Initiative und von Urban Nothdurfter
Warum nur "auch von Männern
Warum nur "auch von Männern gegen Männer" Es geht auch physische, psychische und sexuelle Gewalt von Frauen aus.
Antwort auf Warum nur "auch von Männern von gorgias
Denke, Nothdurfter will damit
Denke, Nothdurfter will damit nicht sagen, wer gegen wen Gewalt ausübt sondern, dass Männer von Männern gecoacht werden sollen. Macht Sinn.
Schauen Sie sich die Daten an
Schauen Sie sich die Daten an (FRA, ISTAT, etc.).
@Oliver H.
@Oliver H.
Sie werden immer tiefer, je länger der Wahlkampf geht. Oder gehen die Argumente aus, mit denen Sie den Grünen immer eins über die Rübe ziehen wollen? Aber wenigstens benutzen Sie schöne Fremdwörter.
Männer müssen der Tatsache
Männer müssen sich der Tatsache stellen und Verantwortung übernehmen, dass bei sie bei sexueller Gewalt, schwerer körperlicher Gewalt und Mord fast ausschließlich die Täter sind. Anders sieht es aus, wenn der Gewaltbegriff umfassender (sexuell, physisch, psychisch, ökonomisch, etc.) verwendet wird. „Gewalt ist jede Handlung (oder die Androhung einer solchen), die eine Person begeht, um einer anderen Person Schaden zuzufügen oder um diese zu zwingen, etwas zu tun (oder nicht zu tun), wobei der Wille der anderen Person nicht beachtet bzw. sogar missachtet wird.“ (Wertestudie ASTAT 2006). Verschiedene Studien und Polizeistatistiken im deutschsprachigen und angelsächsischen Raum kommen auf einen Täterinnenanteil von 25-50% bei häuslicher Gewalt nach dieser Definition. Bloßstellen, kränken, respektloser Umgang, drohen (oft auch in Kombination mit falschen Anschuldigungen) erfahren genauso Männer wie Frauen. Denken manche Männer sie besitzen ihre Frau, so äußern Frauen diesen Besitzanspruch öfters hinsichtlich Kinder: „die Kinder siehst Du nie wieder“. Interessanterweise hat eine Studie des deutschen Frauenministeriums 2009 auch die traditionelle Rollenaufteilung im Haushalt als Risikofaktor herausgefunden. Je gleichmäßiger Hausarbeit und Einkommen zwischen Mann und Frau verteilt ist, umso seltener tritt Gewalt in den Beziehungen auf. Notwendig ist Schutz und Unterstützung für alle Opfer häuslicher Gewalt, egal ob Frau oder Mann, egal welcher Herkunft. Ebenso Sensibilität und Verständnis, denn sowohl Frauen und noch mehr Männer wird ihr erlittenes Leid oft nicht geglaubt, es wird bagatellisiert und verharmlost. Pauschalzuschreibungen „Mann Täter – Frau Opfer“, sind wenig hilfreich. ALLE Gewaltopfer, gleich welchen Geschlechts, sind ernst zu nehmen und ihnen ist adäquate Hilfe anzubieten. Hilfreich in eskalierenden Situationen ist es wieder zur Sprache finden: „was regt dich auf“?, „was hat dich gekränkt“ bzw. „mich hat verletzt / gekränkt, ...“ Ist das nicht (mehr) möglich kann ein mit der Partner_in abgesprochener Notfallplan helfen: raus aus der Situation, um Tunnelblick und das damit verbundene Risiko gewalttätiger Affekthandlungen zu vermeiden.
Antwort auf Männer müssen der Tatsache von Michael Bockhorni
hier noch ein Link zu einer
hier noch ein Link zu einer guten Broschüre für Gewaltprävention in der Bubenarbeit: https://whiteribbon.at/wp-content/uploads/2017/12/Stark-aber-wie-Brosch…
was ist denn "archetypisch
was ist denn "archetypisch männlich" *neugierig*