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Die Stromwölfe

Die Gemeinde Moos in Passeier ist stolz: Sie bietet all ihren Bürgern einen absolut preiswerten Stromtarif. Im Ahrntal ticken die Uhren anders, die einen dürfen, die anderen nicht.
Valentina Gander
Foto: Privat

Wilhelm Klotz ist Bürgermeister der Gemeinde Moos. Um 13 Millionen Euro wurde im hintersten Passeiertal ein Wasserkraftwerk errichtet. Die Anlage, mit einem Jahresumsatz von etwa 45 Millionen kWh, wird auf der Homepage der Sel „als wirtschaftlich sehr wertvoll" bezeichnet „mit relativ niedrigen Baukosten.“ Teilhaber am E-Werk Moos sind die Gemeinde selbst mit 22 Prozent, die Genossenschaft Energie- und Umweltbetriebe Moos (EUM) mit 53 Prozent und die Sel, die 25 Prozent hält.

Super Strompreise

„Na ja“, dehnt Klotz die Antwort in die Länge, „ob es uns Recht war, die Sel als Investor mit ins Boot zu holen? Sie waren auf jeden Fall eine große, finanzielle Hilfe und auch bürokratisch gesehen konnten wir uns auf sie stützen.“ Die Bevölkerung - 2.200 Einwohner stark ist die Gemeinde Moos – ist zu 99 Prozent in das Kraftwerk mit eingebunden. „Ich habe großen Wert darauf gelegt, die Bürger mit ins Boot zu holen“ sagt der Bürgermeister. „Mitmachen müssen die Leute, ihre Beteiligung ist wesentlich.“ Für den Frieden im Dorf sei eine gute Kommunikation enorm wichtig, so Klotz. Doch reden allein ist nicht alles, die Zahlen sind die halbe Miete und die können sich in Moos sehen lassen. Mit einem Jahresverbrauch von 2.700 kwH zahlt ein Genossenschaftsmitglied des E-Werks nur 183 Euro Strom im Jahr. Gastwirt Gufler von der Pension Trausberg aus der Fraktion Rabenstein bringt es auf den Punkt: „Als Hotelier merke ich den reduzierten Stromtarif stark. Ich zahle sicherlich 2.000 Euro weniger, alle zwei Monate, wenn ich es mit anderen Betrieben im Land vergleiche. Ich lasse alles über den Strom laufen, die Heizung, die Küche, das warme Wasser.“

Roland Graf, ehemaliger Präsident des Kraftwerkes Rabenstein bei Moos, hält sich kryptisch, seinen Stolz auf die Strompreise kann man spüren: „Wir haben einen Preis pro Kilowattstunde von fünf Cent. Ja, mit dem Stromgeschäft fließen einige Millionen Euro jährlich in die Gemeindekassen. Wie viel möchte ich nicht sagen.“ Nur so viel, die IMU ist in Moos auf ein Minimum reduziert, „die Bürgerinnen sind sehr zufrieden.“

Alles andere als rosig

Geographisch am anderen Ende Südtirols angesiedelt, aber strompreismäßig nicht weit entfernt sind die Luttacher von den Einwohnern aus Moos. 145,75 Euro zahlt eine vierköpfige Familie aus Luttach bei einem Verbrauch von 2.700 KwH jährlich, ein Spitzenpreis möchte man meinen. Doch zufrieden ist im Ahrntal schon lang niemand mehr. Denn den billigen Genossenschaftsstrom können nur einige Fraktionen in Anspruch nehmen: Luttach, Weissenbach und ein kleiner Teil von St. Johann. Mit der neu zu errichtenden Ahrstufe 4 in Steinhaus sollte sich dies ändern, sie soll retten, was verloren scheint. Einen Gemeinschaftssinn, ein Miteinander, eine Verantwortung für den Nächsten. In Zahlen eine 100-prozentige Beteiligung der Bevölkerung. „Wenn die Genossenschaft nur 53 Prozent kriegt, so wie es momentan ausschaut, kann sie unmöglich das ganze Tal mit Strom versorgen, das ist unsere Sorge“, so eine lieber ungenannt bleibende Stromaktivistin. Damit würde der billige Strom weiterhin einer Minderheit, die fetten Gewinne aus dem Stromgeschäft einer kleinen Gruppe von Privatpersonen vorbehalten bleiben. „Die Wölfe im Stromgeschäft, die haben schon vor Jahrzehnten das Geld gerochen“, heißt es im Ahrntal.

Ringel reihe

Die UVP-Prüfung bei der Ahrstufe 4 steht in diesen Tagen an, wird ständig verzögert, dann soll die Konzessionsvergabe erfolgen. Markus Weger ist Gruppensprecher der Aktionsgruppe „Ahrntal -wohin?“ "Wir fordern, dass bei der Ahrstufe 4 die Gemeinde zum Zuge kommt. Dass sich die Ahr Energie wieder mit 40 Prozent einkauft, das kann einfach nicht sein! Ich hoffe es verzögert sich deshalb, weil die Politiker einsehen, dass eine andere Lösung gefunden werden muss." Seit 20 Jahren scharen sich im Ahrntal Aktivisten ums Thema Wasser und Strom, führten anfangs noch ökologische Argumente ins Feld, um eine zunehmende Verbauung der Ahr zu verhindern. Heute appelliert die Aktionsgruppe und das in diesem Jahr gegründete Bürgerkomitee zunehmend an die Moral der Privatiers im Stromgeschäft. „Es ist ein jahrhundertealtes, ungeschriebenes Gesetz, dass Güter, wie das Wasser allen gehören. Einige im Tal scheinen das vergessen zu haben“, bemängelt Weger. Der Hotelier aus St. Johann philosophiert gerne, fordert aber auch ganz konkret: „Lasst uns endlich an einen Tisch sitzen und reden.“ Eben über die Ahrstufe 4, „mitten im Dorf, das ist ja auch touristisch absolut ein Minuspunkt“, wirft Anita Strauß, vom Bürgerkomittee ein.

Bürgermeister Helmuth Klammer möchte zu der ganzen Sache momentan keine Stellung abgeben. Er ist als medienscheuer, zurückhaltender „aber guter Bürgermeister“ bekannt, „vielleicht zu schwach“, „für wen verhandelt er?“ Verärgert ist er momentan aber auch, nämlich darüber, dass das Projekt Hollenzbach abgelehnt wurde, durch die UVP-Prüfung gerasselt ist. "Lenken wir nicht ab", sagt Weger "der Hollenzbach ist ein Nebenbach, es geht eindeutig um die Ahr." Dass Klammers Vater in den 90er Jahren schon wirtschaftliche Weitsicht bewies und eine private Beteiligung an der "Ahrstufe 5", dem "Werk Gisse in St. Johann" erwirkte (aktuell zu 100 Prozent in privater Hand), gereicht Klammer heute immer wieder zum Nachteil. Ein Bürgermeister kann doch nicht ein Strom-Mann sein, so die Vorwürfe der Bürgerkomiteeler. Bürgermeister Klotz aus Passeier unterstreicht: „Es ist eine Frage des politischen Stils, ob man die BürgerInnen in bestimmte Entscheidungen mit einbindet.“

Auch wenn es, wie er zugibt, utopisch ist, wagt Markus Weger zwei Aufrufe. Einmal in Richtung Helmuth Klammer: „Als Bürgermeister soll er verhandeln, dass an der "Gisse" 40 Prozent an die Gemeinde gehen. Und die "Ahrstufe 4" gehört der Bevölkerung." Die zweite Forderung Wegers ist hoffnungsvoller und geht an die Frauen. "Die Männer, die im Strom drinnen sind, wissen längst nicht mehr, wo genug ist. Die Frauen müssen sie in ihre Grenzen verweisen und an die nachkommenden Generationen denken." Mehr Gespräche wären ein Anfang, im Ahrntal.

 

 

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Anita Strauß Fr., 09.08.2013 - 19:15

Der Reichtum, den die Energie uns schenkt, darf nie und nimmer in den Säckel Einzelner fließen.
Solidarität und ein halbwegs gerechter Ausgleich der Lasten, welche der Bevölkerung durch den nicht gerade unbedeutenden Umwelteingriff auch bei diesem e-Werk an der Ahrstufe 4 generationenübergreifend bevorstehen, müsste eigentlich d a s Leitmotiv der Gemeindeverwaltung im Ahrntal sein. Nicht nur einige BürgerInnen sollen von der neuen Produktion profitieren, die ganze Gemeinde muss wenn schon günstigen Strom bekommen, ohne deshalb weiteres "Gemeindesilber" etwa an der Hollenze an Private zu verscherbeln.
Die Landesregierung kann bei der Vergabe der Stromkonzession an der Ahrstufe 4 beweisen, dass mit dem neuen Energiekonzept Gemeinden/Genossenschaften tatsächlich gestärkt werden, in den oberen Gemeindestuben im Ahrntal scheint der Mut dazu leider gefehlt zu haben.

Fr., 09.08.2013 - 19:15 Permalink