Wirtschaft | Gefängnis

Maria Elenas Bruder

Die römische Wochenzeitung „L'Espresso“ enthüllt eine Geschichte, die ihren Schatten auch auf die Ausschreibung des Bozner Gefängnisses werfen könnte.
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Foto: upi
Die Welt kann oft sehr klein sein. Wie auch in diesem Fall.
Das zeigt eine Geschichte, die das Magazin „L'Espresso“ jetzt ausgegraben hat und die ein bezeichnendes Licht auch auf Vorgänge in Südtirol werfen könnte. Oder bessere gesagt: Einen Schatten. Denn es ist eine Geschichte, die zeigt, wie eng Politik und Geschäft miteinander verbunden sind.
 

Die Ausschreibung

 
Im Juli 2013 gewinnt das Bauunternehmen „Condotte d'Acqua SPA“ in Bozen die Ausschreibung für den Bau und die Führung des neuen Südtiroler Gefängnisses.
Die Ausschreibungssumme beträgt 54 Millionen Euro. Zwei Jahre und drei Monate soll die Bauzeit betragen. Dann soll das neue Bozner Gefängnis für 220 Häftlinge stehen. Es ist eine Art PPP-Modell. 67 Prozent oder 36,18 Millionen Euro zahlt das private Unternehmen, 33 Prozent oder 17,82 Millionen Euro die öffentliche Hand. Dafür bekommt die Condotte für 18 Jahre eine Konzession zur Führung des Gefängnisses. Darin ist zwar nicht die direkte Bewachung der Gefangenen enthalten, sehr wohl aber die ordentliche und außerordentliche Instandhaltung, die Führung alle Dienste wie Mensa, Wäscherei und Reinigung, sowie die sportliche Betätigung, Weiterbildung und die Freizeitaktivitäten der Gefangenen.
 
Die Condotte tritt bei der Ausschreibung mit einem Unternehmen an, das der Bauriese kurz vorher im Oktober 2012 übernommen hat: Die INSO Spa. Die Abkürzung steht für „infrastrutture sociali”. Das Unternehmen, das heute mit ganzem Namen "Sistemi per le infrastrutture sociali" heißt, ist auf den Bau von Büros, Laboratorien, Hotels und vor allem Krankenhäuser spezialisiert, die schlüsselfertig übergeben werden. Weil die INSO auch einige Gerichtsgebäude gebaut hat, beginnt sie auch im Gefängnisbau ein gefragter Partner zu werden.
 

Der Absturz

 
Seit dem Zuschlag an die Condotte und INSO ist bis heute rund um das Gefängnis nichts mehr passiert. Außer, dass sich die Condotte wenig später in Südtirol einen zweiten Großauftrag sichert. Auf dem Schulareal "Pascoli – Longon" soll in der Landeshauptstadt ein neues Bibliothekenzentrum entstehen. Auch diesen Auftrag hat sich um rund 40 Millionen Euro die Condotte SPA gesichert. Das römische Unternehmen gewinnt Ende Juni 2017 mit der höchsten Punktezahl die öffentliche Ausschreibung.
 
In beiden Fällen hat die Condotte bisher weder einen Vertrag mit dem Land unterschrieben, noch die erforderlichen Bankengarantien hinterlegt. Das kann sie auch nicht. Denn im Sommer 2018 wird nicht nur der Besitzer und CEO des Riesen, Duccio Astaldi, verhaftet, das Großunternehmen steht auch vor dem Konkurs. Bereits am 5. Jänner 2018 stellt das Unternehmen beim Landesgericht in Rom einen Antrag auf gerichtlichen Ausgleich unter Fortführung der Tätigkeit (Prodedura di concordato in continuità aziendale). Danach verschlechterte sich die Lage noch einmal deutlich.
Im August 2018 wurden drei Kommissare ernannt, die versuchen das Unternehmen zu retten. Vergangene Woche sicherte das Wirtschaftsministerium eine Finanzspritze zu, so dass die Condotte wieder etwas Spielraum hat.
 

Beharrliches Warten

 
Obwohl man nicht weiß, ob die Condotte überhaupt in der Lage ist, die beiden Aufträge in Südtirol auszuführen, schaut das Land dabei lange und sehr gütig zu.
So schreiben die zuständigen Ämter des Landes zuerst den Kommissaren. Als diese dann eine vage Zusage machen, wartet man weiter. Erst im Dezember 2018 wird das Land deutlicher. Entweder das Unternehmen unterschreibt die Verträge oder die Aufträge werden anderweitig vergeben. Vergangene Woche sichert die Condotte dann zu, die Verträge zu unterzeichnen und mit den Vorbereitungsarbeiten zu beginnen.
Seit dem Zuschlag der Gefängnis-Ausschreibung sind inzwischen 5,5 Jahre vergangen. Es wird sich zeigen, wie lange der Baubeginn noch dauern wird. Sicher ist: Die Landesverwaltung zeigt bei diesen zwei Großprojekten auffallend viel Geduld. 
 
Dieses zuvorkommende Verhalten könnte einen konkreten politischen Hintergrund haben. Denn das Wochenmagazin L'Espresso enthüllt in einer Reportage nicht nur die Tatsache, dass die Condotte SPA noch lange nicht gerettet ist, sondern vor allem die politischen Beziehungen der Besitzer des Baukonzerns. Espresso-Reporter Emanuele Fittipaldi zeichnet dabei detailliert ein Beziehungsgeflecht zwischen der Condotte und dem PD vor allem rund um Ex-Premier Matteo Renzi nach.
Es geht um Firmenübernahmen, Millionenaufträge und PD-nahe Manager oder Politiker, die für den Konzern arbeiten.
Dabei kommt auch eine Südtiroler Parlamentarierin indirekt zum Handkuss: Maria Elena Boschi.
 
 

Boschis Bruder

 
Die SVP-PD-Kammerabgeordnete, die auch in Südtirol für viele eine besondere Reizfigur ist, war und ist eine der engsten Vertrauten von Matteo Renzi. Boschi wird im Februar 2013 in der Toskana ins Parlament gewählt und bekleidet vom Februar 2014 bis zum Dezember 2016 das Amt der Ministerin für Verfassungsreformen und Beziehungen zum Parlament. Danach wird die gutaussehende, aber auch blitzgescheite Ministerin in der Regierung Gentiloni Staatssekretärin im Ministerratspräsidium.
Weil Maria Elena Boschi dabei immer wieder mit Südtirol zu tun hat, beginnt sich die SVP in die Staatssekretärin zu verschauen. Dass Boschi bei den Parlamentswahlen am 4. März 2018 im Kammerwahlkreis Bozen-Unterland antritt und auch gewählt wird, ist das klassische Happy End einer politischen Liebesgeschichte.
Der Espresso enthüllt jetzt aber, dass sich Boschi als Ministerin mehrmals mit den Besitzern der Condotte getroffen hat und auch eine familiäre Beziehung, die zumindest ein schiefe Optik erzeugen dürfte.
Im Frühjahr 2018 stehen Condotte und ihre Tochter INSO bereits am Rande des wirtschaftlichen Abgrunds. Weil die Arbeiter nicht mehr bezahlt werden, streiken und protestieren sie öffentlich. 
 
Genau in dieser Situation beschließt der Verwaltungsrat der INSO einen Beratervertrag mit dem Bruder von Maria Elena Boschi abzuschließen. Der 35-jährige Wirtschaftsberater Emanuele Boschi ist Partner im Anwaltsstudio BL. Am 31. Mai 2018 wird der Vertrag unterschrieben. Die finanzielle Ausgestaltung: 150.000 Euro.
In der Privaturkunde, in der absolute Vertraulichkeit festgeschrieben wird, steht zwar nicht genau, welche Beratungsleistungen Emanuele Boschi erbringen soll.
Doch der Zufall will es, dass die Schwester und Ex-Ministerin Südtiroler Parlamentarierin wird und der Bruder zwei Monate später einen Beratervertrag von jenem Unternehmen bekommt, das in Bozen das Gefängnis bauen und 18 Jahre lang führen soll.
Die Welt ist eben manchmal wirklich klein.
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alfred frei Di., 18.12.2018 - 17:27

für den neuen Gefängnisbau eine besondere Zweckbestimmung als Heimstatt für gestrandete Politikerinnen und Mitgehangene Geschäftsbesorger aus Nah und Fern - ein Vorzeigemodell Made in Südtirol

Di., 18.12.2018 - 17:27 Permalink
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Klaus Hartmann Mi., 19.12.2018 - 10:17

Was wollen die Herren mit Ihren Aussagen andeuten?
Die Absurdität eines – hoffentlich - moderneren und menschenwürdigeren Strafvollzugs?

Mi., 19.12.2018 - 10:17 Permalink
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Josef Dalpunt So., 23.12.2018 - 21:38

Wieso wartet die Landesverwaltung so lange und übergibt die Arbeiten nicht an die nächstplazierten Unternehmen?? Ist das vielleicht weil die Herren in der SVP weiter dieses „Gepaktle“ mit dem PD und Frau exMinisterin Boschi weiterführen wollen??

So., 23.12.2018 - 21:38 Permalink