Erinnern Sie sich noch an die Bilder von Silvius Magnago und seiner Sophia? Händchenhaltend unterm Rosengarten, zarte Küsse im Badeurlaub, Liebes-Selfie auf Schloss Sigmundskron? Nein? Kein Wunder, denn diese Aufnahmen gab es nicht, beziehungsweise wenn es sie gab, dann waren sie dort, wo sie hingehörten: nämlich unter Verschluss. Leider hält es die neue Riege der Schmuser, pardon: Südtiroler Volkspartei, damit mittlerweile anders und bekennt sich freimütig zu ihren Gefühlsüberschwängen. Als unumstrittener King of Schmusi hat sich dabei Parteiobmann Philipp Achammer, allerorts nur „der Philipp“ genannt, hervorgetan. Als wäre diese ständige Duzerei nicht schon klebrig genug, holt er uns, seit er der Liebe fündig wurde, regelmäßig in sein Wohnzimmer, ganz egal, ob wir da reinwollen oder nicht. Eher nicht, danke.
Dabei hat es relativ unschuldig, wenn auch gleich bombastisch begonnen: „Die Schöne und der Obmann“ breakingnewste die Dolomiten vor zwei Jahren von der Titelseite, als „der Philipp“ und seine Nicole beim ersten Spaziergang gesichtet wurden (die Anspielung auf das bekannte Märchen dürfte bei Achammer leichtes Stirnrunzeln ausgelöst haben), und meine Reaktion darauf war ein Gemisch aus Erstaunen und Amusement. „Die Armen“, dachte ich naiver Tor, „da finden sich zwei zarte Seelen und dürfen keine Ruhe dabei haben.“ Dass die zarten Seelen im Liebesglück womöglich gar keine Ruhe suchten, schwante mir, als es bald darauf hieß: „
Der Obmann macht seine Liebe offiziell“, inklusive verträumtem Kuschelfoto im Wald. Das Befremden über den freizügigen Umgang mit dem eigenen Liebesleben schlug dann vollends in Fremdscham inklusive aufgerollten Zehennägeln um, als sich Phicole oder Nilipp dem Drang, ihrer Romance auch gesanglich Ausdruck zu geben, nicht mehr widersetzen konnten und uns
mit diesem unvergesslichen Moment beglückten. Oder vollends irritierten. Ich bereue heute noch, damals keine Screenshots von den Nachrichten, die mich dazu erreichten, gemacht zu haben. Ando seine Witze kann einpacken dagegen.
Ich hege den leisen Verdacht, dass der LH Achammer deshalb das Mega-Ressort aufgebrummt hat, um dem Schmusibusi ein für allemal Einhalt zu gebieten.
Nun mag man mir Neid vorwerfen, Missgunst und Gehässigkeit, und na gut, vielleicht ist da tatsächlich ein wenig Wehmut dabei. Was gibt es denn Normaleres auf der Welt, als dass man seine Verliebtheit zelebrieren will? Damals im Schulhof war es ja auch nicht anders, stolzes Händchenhalten und verknotete Zungen, und ist es nicht ein Privileg der frisch Verliebten, darauf zu pfeifen, was die Welt von ihnen hält? Wir abgestumpften Langzeitbeziehler beobachten ihr Treiben etwas spöttisch und lächeln milde, ja ja, die werden auch noch draufkommen, wenn der Alltag einschlägt und die Socken rumliegen und wieder einer keine Milch eingekauft hat.
Fairerweise muss man anmerken, dass es in letzter Zeit tatsächlich etwas stiller um den Obmann und seine Angetraute geworden ist; zuletzt gab es noch einen kuscheligen Weihnachtsgruß in Partnerlook-Pullis gesungen wurde schon länger nicht mehr. Persönlich hege ich ja auch den leisen Verdacht, dass der LH Achammer deshalb das Mega-Ressort aufgebrummt hat, um dem Schmusibusi ein für allemal Einhalt zu gebieten.
Allein, aufzuatmen ist uns nicht vergönnt, denn schon schickt sich die nächste an, den freigewordenen Schmusethron zu erklimmen, und wer jetzt nicht erkennt, dass wir vor einer Helene-Fischerisierung des Landespolitik stehen, der ist wohl selbst vor Liebe blind: Der Sessel im Landtag war kaum angewärmt, da zog SVP-Shooting-Star Jasmin Ladurner emotional blank und präsentierte den leidgeprüften Südtiroler*Innen in der Sonntagszeitung „Zett“ ihre „junge Liebe“. Wem das archaische Titelbild (starkes Männchen umarmt sein Weibchen und schnuffelt in ihr Haar, als wolle er die Duftmarke eines Rivalen aufspüren) nicht schon den Garaus gemacht hatte, der konnte im ausführlichen Interview der zwei Täubchen tiefe Einblicke in ihre wilde Motorrad-Love gewinnen und sich danach von einem ebensolchen überfahren fühlen.
Bleibt die Frage: WIESO ZUM GEIER TUN SIE UNS DAS AN? Wohl doch weniger aus unbedarftem Frischverliebten-Exhibitionismus als aus Kalkül: Weil es vermenschlicht, emotionalisiert, von anderen Themen ablenkt und dem Prominenzgewinn dient, wie
dieser Text trefflich erklärt . Leuchtet ein. Allerdings muss ich an dieser Stelle sagen: Irgendwann menschelt es mir auch zu viel. Ziemlich schnell sogar. Wenn ein knochentrockener Bürokrat auch mal seine (meist gequält lächelnde) Familie aufs Wahlprospekt hievt, nun gut, verkraften wir, beruhigt irgendwo, er ist also doch kein Soziopath. Wenn hingegen Politiker, die ohnehin schon nicht an Berührungsängsten mit dem Wahlvolk leiden, die keinen Nachnamen zu haben scheinen und sich als everybody’s Kumpel gerieren, auch noch ihr Privatestes lang und breit inszenieren, dann kann der Schuss nach hinten losgehen.
Politiker sind gewählt, um sich für die Belange ihrer Wählerschaft einzusetzen, und das ist auch, mit Verlaub, das Einzige, wobei ich sie mir vorstellen möchte. Ganz sicher nicht beim verstohlenen Herzchengemale im Landtag.