Ob Maduro oder TAV, ob Asylanten oder Grundeinkommen - Italiens Regierungspartner liegen sich täglich in den Haaren. Ihre Distanz demonstrierte am Wochenende der Streit um die Lage in Venezuela. Maduro, der in sechs Jahren Diktatur das ölreichste Land der Welt in ein Armenhaus verwandelt und die Inflation in Millionenhöhe getrieben hat , findet in der Fünf-Sterne-Bewegung zahlreiche Bewunderer. Allen voran Alessandro Di Battista, einen notorischen Verehrer lateinamerikanischer Mythen. "Non potete difendere un dittatore rosso", kontert Vizepremier Salvini. Premier Giuseppe Conte übt sich derweil im gewohnten Drahtseilakt und formuliert eine Stellungnahme der Regierung, die sich jener der EU annähert und Neuwahlen in Venezuela fordert.
So sieht der Alltag eines Kabinetts aus, das im Dauergezänk kaum zum Regieren kommt und dessen politische Termine von kleinen Migrantengruppen diktieren werden. In einem Land in dem noch vor kurzem bis zu 20.000 Flüchtlinge pro Monat registriert wurden, bläht man ein Schiff mit 47 Flüchtlingen zur Staatsaffäre auf und fordert von der Finanzwache dessen Beschlagnahme.
In einem Land in dem noch vor kurzem bis zu 20.000 Flüchtlinge pro Monat registriert wurden, bläht man ein Schiff mit 47 Flüchtlingen zur Staatsaffäre auf und fordert von der Finanzwache dessen Beschlagnahme.
Wirtschaftsthemen sind Nebensache. Die mittlerweile eingetretene Rezession, die sinkenden Exporte und Beschäftigungszahlen sind kein Thema und werden vom täglichen Schlagabtausch verdrängt. Das Bruttosozialprodukt ist nach 14 Trimestern Wachstum erstmals gesunken, die Arbeitslosigkeit auf 10,7 Prozent gestiegen. Die Ausfuhren haben um fast 6 Prozent abgenommen. Die Staatsverschuldung wächst um 100 Millionen Euro pro Tag und hat mit 2347 Milliarden 131 Prozent des Bruttosozialprodukts erreicht. Im Vergleich dazu kosten Pensionsreform und Grundeinkommen nur läppische 11 Milliarden. "Bentornato, stato sociale !" jubelt Vizepremier Di Maio. Endlich zeige sich der Staat grosszügig und gebe wieder Geld aus. Angesichts dieser rosigen Perspektiven mutet es seltsam an, dass über 200.000 gut ausgebildete Italiener ihr Land jährlich verlassen, um im Ausland Arbeit zu suchen. Sie haben jede Hoffnung auf Besserung der Lage im eigenen Land aufgegeben.
Di Maio: "Il governo del cambiamento è passato ai fatti: si rifonda lo stato sociale. Per noi lo stato è una comunità dove tutti hanno il diritto a una qualità della vita all'altezza dei loro sogni."
Angesichts dieser rosigen Perspektiven mutet es seltsam an, dass über 200.000 gut ausgebildete Italiener ihr Land jährlich verlassen, um im Ausland Arbeit zu suchen.
"Meno inutili prove muscolari, mahnt Corriere-Chefredakteur Luciano Fontana. Doch das nächste Muskelspiel ist bereits angesagt: die Fünf-Sterne-Bewegung (oder zumindest ein beträchtlicher Teil derselben) will im Senat für den Antrag der Staatsanwälte stimmen, gegen Salvini wegen Freiheitsberaubung im Fall Diciotti vorzugehen. Familienminister Lorenzo Fontana (Lega) warnt eindringlich: "Forse non tutti hanno l'intelligenza di capire quanto grave sia questa situazione. Rimetto il mio mandato nelle mani di Salvini."
Der Lega-Chef stellt der Fünf-Sterne-Bewegung indessen ein Ultimatum zum TAV-Projekt: "Fermare l'opera fa perdere 24 miliardi." Eine pure Erfindung. Es wäre freilich nicht das erste Mal, dass Italiens Politik von Erfindungen lebt.