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Die Antitrust-Behörde kommt zum Schluss, dass die SAD AG mutwillig und bewusst die Ausschreibung des Landes behindert hat. Jetzt droht Gatterer & Co eine Millionenstrafe.
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Foto: sad ag
 
 
Der Termin steht. Am Montag, den 11. März 2019 um 15 Uhr kommt es am Sitz der „Autorità garante della concorrenza e del mercato“ (AGCM) auf der Piazza Verdi in Rom zur letzten Anhörung. Dann können die Parteien noch einmal Stellung nehmen. 
Dabei wird kaum mehr Großes passieren. Denn die oberste Wettbewerbs- und Kartellbehörde hat bereits am 23. Jänner per Beschluss den Termin für das Verfahrensende festgelegt: Es ist der 10. April 2019.
Ab diesem Tag werden sich Ingomar Gatterer und die Führungsetage der „SAD Nahverkehrs AG“ ordentlich auf ihren Bussesseln anschnallen müssen. Denn im Verfahren „Nr. A516 - Gara Trasporto Pubblico Locale nella Provincia Autonoma di Bolzano“ ermittelt die oberste staatliche Wettbewerbsbehörde nach einer Eingabe des Landes gegen das Südtiroler Nahverkehrsunternehmen.
Vor drei Wochen wurde der Abschlussbericht der Kartellbehörde in dem Ermittlungsverfahren gegen die SAD AG fertig gestellt. Salto.bz liegt das 43 Seiten starke Dokument exklusiv vor. Die Schlussfolgerungen darin sind für die SAD AG vernichtend. Vor allem aber werden mögliche Strafen in Aussicht gestellt, die sich in Millionenhöhe bewegen könnten.
 

Die Ermittlung

 
Ausgangspunkt für die Ermittlungen der staatlichen Wettbewerbsbehörde war eine typische Gatterer-Aktion.
Im Sommer und Herbst 2017 ersucht das Land die SAD AG, den zuständigen Ämtern verschiedene Dokumente und Informationen zur Verfügung zu stellen, die das Land für die Vorbereitung der für 2018 geplanten europäischen Ausschreibung der Südtiroler Nahverkehrsdienste braucht.
Trotz mehrmaliger Aufforderung und Nachfrage weigert sich die SAD aber die Dokumente und Informationen zu liefern. „Es handelt sich um Betriebsgeheimnisse“, erklärte die Unternehmensführung dem Land lapidar.
 
Die Landesverwaltung erstattete daraufhin am 14. November 2017 Anzeige bei der AGCM wegen „Behinderung und mutwilliger Verschleppung einer öffentlichen Ausschreibung“. Weil die Vorhaltungen des Landes nicht unbegründet erscheinen, eröffnet die Antitrust-Behörde am 17. Jänner 2018 ein Verfahren gegen die SAD.
Am 25. Jänner 2018 statten Beamte der Finanzwache dem Unternehmenssitz der SAD AG einen überraschenden Besuch ab. Auf Anordnung der AGCM wird beim Südtiroler Nahverkehrsriesen eine Inspektion durchgeführt. Die Antitrust-Behörde verlangt die Aushändigung aller Unterlagen zur geplanten Ausschreibung des Südtiroler Personennahverkehrs.
Berichterstatter im Verfahren ist Michele Ainis, Verfassungsrechtler, Professor für öffentliches Recht und einer breiten Öffentlichkeit als Kolumnist von „La Stampa“, „Sole 24 Ore“, „Corriere della Sera“ und „Espresso“ bekannt. Ainis ist seit zweieinhalb Jahren einer von drei Schiedsrichtern in der staatlichen italienischen Antitrust-Behörde.
 

Der Bericht

 
Im Laufe des Verfahrens kommt es zu mehreren Anhörungen beider Parteien in Rom. Sowohl das Land wie auch die SAD AG, die sich dabei von der internationalen Rechtskanzlei „fieldfisher“ vertreten lässt, hinterlegen im Lauf des Jahres 2018 über ein Dutzend Schriftsätze, Dokumente und Beweisstücke.
Die Hauptargumentation des Landes: Die SAD AG habe durch fadenscheinige Argumente die Herausgabe wichtiger Daten verweigert. Selbst während des Ermittlungsverfahrens sei dieses Verhalten fortgesetzt worden.
Die Gegenargumentation von Ingomar Gatterer & Co.: zum einen seien die Daten Betriebsgeheimnisse, zum anderen wäre die Landesverwaltung bereits im Besitz der angeforderten Daten und Dokumente gewesen.
 
Die AGCM zeichnet anhand aller Dokumente und des Schriftverkehrs zwischen Land und SAD AG in ihren Ermittlungsverfahren jeden Schritt detailliert nach. Im Bericht wird auch die gesamte Geschichte um die Ausschreibung, die Auskunft des Amtes im Hinblick auf die Teilnahme der LIBUS, die Veröffentlich des internen Mail-Verkehrs durch Josef Gatterer und schließlich die Annullierung der Ausschreibung im Selbstschutzweg durch die Landesregierung minutiös dargestellt.
La descritta violazione da parte di SAD appare molto grave, non solo per le modalità aggressive con le quali è stata realizzata, e per l’intenzionalità della condotta, ma anche perché con essa l´impresa dominante ha bloccato e ritardato una procedura pubblica, per il solo scopo di soddisfare interessi personali.
Im Abschlussbericht seziert die staatliche Wettbewerbsbehörde die gesamte Angelegenheit in insgesamt 204 Punkten. Die AGCM-Ermittler kommen dabei zu einem überaus klaren Resümee: Das Verhalten der SAD AG sei in mehreren Punkten widerrechtlich und wettbewerbsverzerrend gewesen.
 

Die Wettbewerbsverzerrung

 
Die staatliche Kartellbehörde gibt der Südtiroler Landesverwaltung in allen Punkten Recht. Die Schlussfolgerungen im Bericht sind ein vernichtenden Zeugnis für Ingemar Gatterer & Co:
 
  • Die SAD AG habe bewusst die Herausgabe wichtiger Informationen an das Land verzögert, um die Ausschreibung zu erschweren;
  • Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Rechtfertigungen der SAD für dieses Verhalten absolut fadenscheinig und unhaltbar sind;
  • Die Behörde geht von einer „bewussten Ver- und Behinderungsstrategie“ der SAD gegenüber der Landesverwaltung aus;
  • Keiner der Handlungen sei entschuldbar, und die SAD AG habe in mehreren Punkten ein eindeutig wettbewerbsverzerrendes Verhalten („condotta anticoncorrenziale“) an den Tag gelegt.
  • Das Verhalten sei auch während der Ermittlungsphase bewusst fortgeführt worden.
Die Schlussfolgerungen im Bericht der Wettbewerbsbehörde im Wortlaut (Auszug): 
 
 
 

Die Millonenstrafe?

 
Wie hart die Behörde das Verhalten der SAD dabei verurteilt, wird am Ende des Dokuments mehr als deutlich. Dort heißt es:
 
„La descritta violazione dell'articolo 102 TFUE da parte di SAD appare molto grave, non solo per le modalità aggressive con le quali è stata realizzata, e per l’intenzionalità della condotta, ma anche perché con essa l´impresa dominante ha bloccato e ritardato una procedura pubblica deputata all'affidamento di un servizio pubblico essenziale, per il solo scopo di soddisfare interessi personali. Essa, inoltre, era idonea ad impedire l'apertura del mercato in esame per la prima volta alla concorrenza grazie all'espletamento di una Gara per l'aggiudicazione di un servizio che fino ad oggi e stato oggetto di concessione e che presenta un'importanza significativa in termini economici sia per gli attuali concessionari sia per gli operatori concorrenti, italiani e stranieri.“
 
Im letzten Kapitel des AGCM-Ermittlungsberichtes werden die Kriterien für die zu erlassenden Sanktionen angegeben. Demnach kann die Behörde für „schwerwiegende Verstöße“ eine Geldstrafe bis zum einem Zehntel des Jahresumsatzes des betreffenden Unternehmens festsetzen. Im Bericht wird der Umsatz der SAD AG aus dem Jahr 2017 angegeben: 82,5 Millionen Euro. Demnach geht es hier um eine Strafe in Millionenhöhe. 
Die geplatze Ausschreibung könnte damit für Ingemar Gatterer & CO am Ende sehr teuer werden.
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Steuer Zahler Do., 14.02.2019 - 08:00

Noch einen Monat warten, dann werden wir erfahren, wie sich die Dinge um den so oft und laut aufschreienden Mehrfachdoktor der SAD stellen.
Kompliment erneut an Franceschini für seinen präzise recherchierten Artikel. Für mich immer wieder ein Rätsel, wie er es schafft, an so viele Insider-Informationen zu gelangen, sei es hier wie im Fall Sparkasse und bei vielen anderen seiner Artikel. Diese Art Journalismus braucht Südtirol, wenngleich dieser vielen Mächtigen und Parteivertretern der SVP nicht gefällt.

Do., 14.02.2019 - 08:00 Permalink
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19 amet Do., 14.02.2019 - 10:45

Die Zeiten des "ancien regime" sind eben defitiv vorbei. Es weht ein anderer Wind und wie man in Tirol sagt : "Gegen den Wind kann man nicht br.....".

Do., 14.02.2019 - 10:45 Permalink
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Franco Blue Do., 14.02.2019 - 18:46

Naja, da wird eh nichts passieren. Wir kennen das doch. Es wird Einspruch eingelegt, es wird eine Gegenklage eingereicht, und wieder ein Fall, der die Gerichte über Jahre beschäftigen wird...

Do., 14.02.2019 - 18:46 Permalink