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Politik | Nord-Süd-Konflikt

Schlagabtausch um Autonomie

Das Autonomiegesetz entzweit Lega und M5S und wird zur Bedrohung für das Regierungsbündnis.
Das Plakat zeigt eine krebskranke, in die Trikolore gehüllte Frau mit der eindringlichen Aufforderung Italia, non abbandonarci. No a un regionalismo che divide. Vogliamo una sanità uguale per tutti.
Die Aktion des Präsidenten der italienischen Ärztekammern, Filippo Anelli, demonstriert eindrücklich, auf welcher Ebene der Kampf um die Autonomie angelangt ist. Was als Ausweitung autonomer Befugnisse für Venetien, Lombardei und Emilien gedacht war, ist mittlerweile zu einem politischen Schlachtfeld verkommen, in dem rationale Argumente chancenlos anmuten. Was für die Lega zum Greifen nah schien, scheint nun in unerreichbare Ferne gerückt. Nach Monaten des Tauziehens sollte der Ministerrat am 15. Februar die Autonomieregelung absegnen. Doch die Fünf-Sterne-Bewegung bestand darauf, den Gesetzentwurf ins Parlament zu bringen. Dort scheint  er in seiner aktuellen Fassung chancenlos, weil die Grillini im Süden massive Stimmenverluste befürchten. Schon rückt man vom Vorsatz ab, das Gesetz noch vor der EU-Wahl zu verabschieden.
 
 
Seit Monaten formiert sich im Mezzogiorno ein surreal anmutender Kampf. Der Bürgermeister von Neapel, Luigi De Magistris: "Diciamo no all`autonomia differenziata delle regioni, ma sì ad un`autonomia totale delle città. Entro quest`anno faremo un referendum per la totale autonomia delle città." Kampaniens bizarrer Präsident Vincenzo De Luca sieht sich als Anführer der "Front gegen die Autonomie des Nordens". Über Wochen attackierte er den regionalismo differenziato, dann suchte er plötzlich selbst um eine Autonomie in 13 der 23 zulässigen Sachgebiete an. Die Region Kalabrien lanciert die "rivolta contro la secessione dei ricchi". Die Fünf-Sterne-Fraktion im Regionalrat Apuliens warnt eindringlich vor der "creazione di un contesto in cui ci sono cittadini di serie A e B".
 
Der M5S-Senator Di Falco wittert ein dramatische Entwicklung am Horizont: "E` in gioco la sopravvivenza del paese." Und der soeben gewählte Präsident der Abruzzen, Marco Marsilio, reiht sich gleich in den Chor ein: "Nessuna riforma può essere fatta a scapito delle altre regioni." Selbst die italienische Bischofskonferenz erhob ihre Stimme: "I servizi fondamentali siano erogati in maniera uniforme e adeguata in tutte le regioni, altrimenti si potrebbe originare una evidente sperequazione tra Nord e Sud."
 
Was im Süden seit Monaten heranreift, ist eine brisante, bisher unterschätzte Mischung aus Frustration, Trotz und Minderwertigkeitskomplexen.
 
"Siamo pronti ad un ricorso alla Corte Costituzionale", droht Kampaniens Präsident De Luca. Dass er selbst um die autonomia differenziata angesucht hat, demonstriert den irrationalen Aspekt der Revolte.
Venetiens Präsident Luca Zaia mahnt zur Eile: "Sull`autonomia avanti tutta." Und sein lombardischer Kollege Attilio Fontana droht: "Se il M5S dice no, cade il governo. Sull`autonomia ho sentito tante sciocchezze, dalla dissoluzione dell`unità nazionale alla secessione dei ricchi, slogan dal bel suono, ma che non significano nulla." 
 
Schwer vorstellbar, dass die durch jüngste Wahlniederlagen und interne Rivalitäten bereits geschwächte Fünf-Sterne-Bewegung für das Autonomie-Gesetz stimmen kann, ohne im Süden massive Stimmenverluste zu riskieren. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt in der Lombardei 3715 Euro, in Kampanien 1653. Ein Hinweis Zaias auf die Mafia kam allerdings zum falschen Zeitpunkt. Denn vor zwei Tagen verhaftete die Polizei bei einer grossangelegten Aktion im Veneto 50 Lokalpolitiker, Unternehmer und Freiberufler, die sich mit dem Camorra-Clan der Casalesi verbündet hatten. Schlagzeile des Regionalblatts Il Gazzettino: "La camorra come la Mala del Brenta."
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Mensch Ärgerdi… Mi., 20.02.2019 - 13:21

Mal ganz abgesehen davon, ob man den korrupten und mafiösen Süden weiterhin mit den Geldern des Nordens durch mästen soll oder nicht, wieso wird in Italien immer wieder die Meinung der italienischen Bischofskonferenz weitergegeben? Wieso findet dieses Organ mit seinen Presseaussendungen immer wieder Platz in den Artikeln, ja sogar auf den Titelblättern? Wen interessiert das? Wieso boykottieren namhafte Journalisten diesen Verein einfach nicht?

Mi., 20.02.2019 - 13:21 Permalink