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Gesellschaft | Fritto Misto

Radio Kreml

Ein Interview der besonderen Art bereitet unserer Autorin Kopfzerbrechen. Für einen Faschingsscherz war’s allerdings zu früh.
Vergangenen Samstag bereitete mir Rai Südtirol Ohrenschlackern, und zwar nicht von der angenehmen Sorte. Ich bin ja immer auf der Hut, wenn ich das Radio aufdrehe: Nachdem ich mich jahrelang dem, nennen wir ihn gnädig „abenteuerlichen“ Musikmix des Senders exponiert habe, bin ich einigermaßen abgehärtet (allerdings: Noch einmal „Verliebte Jungs“ und ich gehe die Wände hoch), aber es lauern dort ja noch andere Gefahren.
Man denke an das unverwüstliche „So segn holt mir’s“, von dem ich mittlerweile überzeugt bin, dass es ein perfides Psycho-Experiment ist, erdacht, um den Willen der SüdtirolerInnen zu brechen (mehr dazu sicher irgendwann in einer anderen Kolumne). Jedenfalls hatte ich dessen Sendezeit wohlweislich verstreichen lassen und fühlte mich eigentlich relativ sicher, ja freute mich sogar auf Wolfgang Mayrs „Zwölf nach zwölf“: Da gab’s meistens interessante Gäste, spannende Gespräche, gekonnt geführt. Arglos lausche ich also Mayrs etwas pfängeter, aber geschätzter  Stimme, da packt es mich kalt: Was war da los? Das war doch nicht Mayr, der da sprach. Zwar, unverkennbar, seine Stimme und sein Tonfall, aber was er da von sich gab, ließ nur einen Schluss zu: Etwas hatte von seinem Körper Besitz genommen und sendete nun seine eigenen Messages über den Äther, und dieses Etwas, es war nichts Gutes. 
 
Mayr ist ja eigentlich ein Journalist wie aus dem Lehrbuch: kritisch, hakt nach, scheut sich nicht, auch unbequem zu werden.
Mayr ist ja eigentlich ein Journalist wie aus dem Lehrbuch: kritisch, hakt nach, scheut sich nicht, auch unbequem zu werden. Kuschelkurs fährt er eher keinen, aber der Mayr, den ich an besagtem Samstag erlebte, bzw. vielmehr der Ghul, der sich offenbar seiner bemächtigt hatte, das war ein windelweicher Schleimi. Ich muss etwas ausholen, damit sie verstehen. Zu Gast war Jasmin „Ich will Verantwortung übernehmen“ Ladurner, und bereits die Anmoderation ließ mich an meinem Verstand zweifeln: „Das gewinnende Gesicht der SVP“ mit seinem „sympathischen Wahlkampf“ saß da im Studio, und ich dachte kleinlaut, naja, wenn ein Landtagskandidat, egal welcher Partei, mich unangemeldet in meinen vier Wänden aufsucht, dann fallen mir viele Wörter dazu ein, aber sicher nicht „sympathisch“. „Wie sympathisch, draußen stehen die Zeugen Jehovas“, habe ich bislang selten gehört. Ich bin in der Hinsicht aber auch ein bisschen kompliziert, das muss ich zugeben. 
Jedenfalls ging es munter in der Tonart weiter: Der Ghul, der sich zunehmend als Ladurner-Fanboy entpuppte, changierte zwischen schmeichlerisch („Sie haben offensichtlich kaum [Schule] geschwänzt“), pseudo-mitfühlend Markus-Lanzisch („Haben Sie nicht das Gefühl gehabt, verheizt zu werden?“),  empört („In den sozialen Medien toben sich Ladurner-Kritiker niveaulos unter der Gürtellinie aus!“) und dem Gast ausgiebig Gelegenheit zur Selbstdarstellung bietend („Sind Sie nicht erleichtert, keine Verantwortung tragen zu müssen?“ – hmm, was sie darauf wohl geantwortet haben wird?). Mein absoluter Favorit aber, der Burner, der HAMMER, war folgende, offenbar ernst gemeinte Frage, die mich endgültig davon überzeugte, dass Mayrs ansonsten top-funktionierendes Gehirn bei diesem Interview nicht zugegen war: „WIE WOLLEN SIE SICH IHRE FREUNDLICHKEIT UND IHR LACHEN ERHALTEN?“
Ich gebe ihnen jetzt fünf Minuten, um sich davon zu erholen.
 
Wieder da? Es ist natürlich essentiell für Politiker, dass sie sich ihre Freundlichkeit und ihr Lachen erhalten, alles andere kümmert uns wenig. Wozu wählen wir sie denn, wenn nicht, damit sie ein wenig Freundlichkeit und Lachen in den Landtag zu bringen? Wenn die in fünf Jahren nicht mehr lachen und fröhlich sind, wehe, dann wähle ich sie nicht mehr, diese Spaßverderber.
Man könnte meinen, passend zu dieser Woche, der Landtag ist ein Faschingsverein. Wieso nicht gleich jede Wortmeldung dort mit „Lei Lei“ abschließen? Im Ernst: Von mir aus kann ein Miesmuffel vom Format eines Ebenezer Scrooge  im Landtag sitzen, solange er etwas Sinnvolles weiterbringt. Freundlichkeit und Lachen schätze ich an meinen Freunden, wie die Wohlfühlatmosphäre im Landtag ist, interessiert mich weniger.
Nun habe ich ihnen aber vorenthalten, wie Frau Ladurner auf den Schmusekurs ihres Interviewers reagierte, und das ist ja nicht minder bizarr-spektakulär: Ihre Antworten ließen mich nämlich ebenso daran zweifeln, dass ich es hier mit einem menschlichen Wesen zu tun hatte, so prompt kamen die Standardfloskeln heruntergerattert. Spritzig und spontan wie eine Steuererklärung, in leierndem Tonfall, erinnerten sie an auswendig gelernte Schülervorträge, die aufgrund eines festgesetzten Zeitlimits in überhöhter Geschwindigkeit abgespult werden.
Glauben Sie mir, in diesen Dingen kenne ich mich aus. Entweder also, Ladurner war eine Art Cyborg, und imstande, Fragen, noch bevor sie gestellt wurden, telepathisch zu erfassen und sogleich ausführlichst zu beantworten, allerdings mit einem Manko an genuiner Gefühlsregung. Oder aber, aber das wäre undenkbar, unvorstellbar, ja geradezu unerhört, sie hatte sich gründlichst auf das Gespräch vorbereitet. Indem sie die Fragen bereits kannte, im Vorneherein schriftlich beantwortet hatte, und eben jene gestelzten Antworten nun vortrug. Aber bitte, hören und entscheiden Sie selbst:
 
Spritzig und spontan wie eine Steuererklärung, in leierndem Tonfall, erinnerten sie an auswendig gelernte Schülervorträge, die aufgrund eines festgesetzten Zeitlimits in überhöhter Geschwindigkeit abgespult werden.
Ich persönlich finde ja die Ghul meets Cyborg-Theorie plausibler, denn in letzterem Fall machen alle Beteiligten eine schlechte Figur: Mayr, weil er seinen Job nicht gemacht und, à la Radio Kreml, PR statt Journalismus  betrieben hat, aus welchen Gründen auch immer,  und Ladurner, weil die Vorgehensweise sie so dastehen lässt, als sei sie nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich zu schwach, sich einem normalen Interview zu stellen. Dass Themen im Vorfeld abgesprochen werden, ist völlig normal. Dass Fragen dem Interviewpartner bereits bekannt sind, eher nicht. Geht dabei doch nicht nur jede (sympathische) Authentizität verloren, es verpufft auch der journalistische Zweck des Interviews, wenn der Befragte jede vermeintlich kritische Frage ohne zu zögern parieren kann. Kunststück, der Angriff war ja ein angekündigter. Als hartes Nachfragen getarnt ist er in Wirklichkeit eine Steilvorlage für den Interviewpartner, sich ins beste Licht zu rücken.  
Verheerend ist die Botschaft eines solchen „Interviews“ auch für junge Menschen, gerade Frauen, die Ladurner angeblich motivieren möchte, politisch aktiv zu werden. Legt es doch nahe, es ginge nicht ohne Protektion, ohne wohlwollendes Entgegenkommen der Medien, ohne sich möglichst fehlerfrei und supereffizient präsentieren zu können. Eine Lose-Lose-Situation in jeder Hinsicht also. Lei Lei Leider.  
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Mensch Ärgerdi… Mi., 27.02.2019 - 21:22

Oh mein Gott!
Ich hatte für die Frau bis zu diesem Beitrag noch ein klein wenig Sympathie, aber nachdem ich mir 3 Minuten Interview vom Sender Bozen angehört habe... nur noch Kopf schütteln.
Und was zum Teufel ist mit Mayr los? Ist das alles ein Faschingsscherz?

Mi., 27.02.2019 - 21:22 Permalink
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rotaderga Mi., 27.02.2019 - 22:07

Frau Kienzl, habe ihre "Ausmalungen" in dieser Kolumne mehrmals gelesen. Spontan würde ich mir weitere Folgen zum Thema Radio/TV Moderation von Ihnen wünschen, vielleicht auch speziell einmal zu den Wetterberichten und Verkehrs -Mitteilungen.

Mi., 27.02.2019 - 22:07 Permalink
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gorgias Mi., 27.02.2019 - 22:13

Das hört sich an als ob sie dabei stramm stehen würde. Hat mich an folgendes Interview erinnert: https://www.youtube.com/watch?v=DWAkJ7e6kW0

Aber das Stichwort wurde schon gegeben: Schülervortrag. Ich hatte zwei Lehrer, beide ledig. Einige meiner Mitschülerinnen bekamen einen nicht zu übersehbaren "Bonus" bei mündlichen Prüfungen.
Doch woran liegt das? Es ist einfach: Blond siegt! Wer sich bei Mäwe nicht auszugeilen konnte, hat hier nochmals die Möglichkeit bei Ladurner es eine ganze Legislaturperiode nachzuholen.

Besonders ältere Semester erfahren in diesen Situationen eine Mischung aus väterlichen Beschützerinstinkt und sexueller Überspannung, die sie vorübergehend regredieren lässt. Diesen alten Stelzböcke sollte man vorbeugend orientalische Massagen verschreiben, damit sie dann in diesen Situationen nicht ihr Kritikvermögen auf standby herunterfahren.

Eines hat Ladurner aber wahrscheinlich recht: Es läuft viel unter der Gürtellinie ab.

Mi., 27.02.2019 - 22:13 Permalink
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Harry Dierstein Do., 28.02.2019 - 07:04

Man kann Salto.bz nur gratulieren, dass sie mit Alexandra Kienzl eine derart begabte Kolumnistin gewonnen haben. Ihre Beiträge sind ein sprachlicher und intellektueller Genuss und es ist der Autorin von Herzen zu wünschen, dass sie das hohe Niveau ihrer Beiträge dauerhaft halten kann. Ich drücke ihr hierzu alle meine 27 Daumen!

Wenn sich das Interview tatsächlich so abgespielt hat, wie es den Anschein hat, dass nämlich Ladurner vorgestanzte Antworten auf bereits vorab bekannte Fragen reproduzieren konnte, wenn das also wirklich so war, dann ist das ein medialer Skandal! Und zwar kein kleiner.

Es handelte sich nämlich hierbei um das Gegenteil von Journalismus, für den Wolfgang Mayr ja eigentlich von uns allen bezahlt wird. Es handelte sich hierbei vielmehr um Günstlingsmarketing der übelsten PR-Sorte und man fragt sich natürlich (zu Recht), ob es hier denn keine Kontrollinstanzen - die so etwas vorher prüfen - im Sender gibt oder besitzt Mayr dort etwa Narrenfreiheit?

Dieses "Interview" offenbart aber leider noch eine andere Unverschämtkeit, nämlich die offensichtliche Verachtung Ladurners den RAI-Hörern gegenüber. Zwar ist bekannt, dass die beiden JG-Gewächse Philipp Achammer und Jasmin Ladurner für eine konsequente "Rosamunde-Pilcherisierung" der Südtiroler Lokalpolitik vor allem via ATHESIA stehen, aber diese Form des Missbrauchs eines Medium geht dann aber doch definitiv viel zu weit.

Do., 28.02.2019 - 07:04 Permalink
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ceteris paribus Do., 28.02.2019 - 07:49

Chapeau! Frau Kienzl, Chapeau!

Ladurner? Oberfläche.

Ich frage mich schon des längeren wie lange der Vertrag von Prantl&Prantl bei RaiSüdtirol noch läuft - eine gefühlte Ewigkeit und eine echte Zumutung ist das....

Vlt. könnten Vater und Tochter einfach einmal Texte von Kienzl vorlesen, statt der aufzählerisch rausgepressten Witze.

zur Ehrenrettung des Herren: bei der Sendung "gesucht&gefunden" macht er seine Sache ansprechend

Do., 28.02.2019 - 07:49 Permalink
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Martin Daniel Do., 28.02.2019 - 08:25

Frau Kienzl, Sie sprechen Vieles über unseren öff-rechtl. Rundfunk aus, was ich oft gedacht, mir aber aus Rücksicht auf seine Rolle, dem dominanten privaten Medienhaus etwas entgegenzusetzen, verkniffen hatte. Und das mit einer Sprache, die so köstlich und so treffend gewählt ist, dass sogar Hr. Mayr diesen Beitrag schätzen könnte. Allein, Ihre Leidensfähigkeit besitze ich nicht, um nicht bereits bei der Ankündigung von Prantl & Co. stante pede die Wohnung zu queren und Sender zu wechseln. Was steckt hinter dieser Programmgestaltung? Ein Bild des Hörers, den man gaaanz weit unten abholen muss? Oder ein geheimer Auftrag sein, Publikum zu den Privaten zu verschieben? Freue mich auf weitere Artikel zum Thema!

Do., 28.02.2019 - 08:25 Permalink
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Hans Hanser Do., 28.02.2019 - 08:30

Ist es mein Glück, dass ich Rai-Südtirol und diesen mir unbekannten Radiomenschen noch nie gesehen oder gehört habe? Zum Blondchen wurde bereits alles gesagt, sie ist so spannend wie die Anleitung zum Umgang mit der Strickliesel, inhaltsleer wie das TV-Nachtbild vor Jahrzehnten und selbstverliebt wie es nur die beste deutsche Literatur beschreiben konnte. Eindeutig überbewertet, das Mädchen, die Medien - auch Salto - sollten damit aufhören ihr soviel Beachtung zu schenken.

Do., 28.02.2019 - 08:30 Permalink
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Fidi Ellmenreich Do., 28.02.2019 - 08:31

Hab´s mir angehört, Wow, wirklich schlimm! Effektiv hört sich das wie ein auswendig gelernter heruntergeleierter Schülervortrag an. Jeder billige Werbespot klingt authentischer. Es tat richtig weh, sich das länger reinzuziehen. Ich kenne Frau Ladurner nicht, aber wenn man schaut was sie bis jetzt beruflich gemacht hat, wundere ich mich dass sie das nicht professioneller hingekriegt hat. Durch diese Aktion hat sie für mich einen ordentlichen Teil Vertrauensvorschuss verloren auch wenn ich nicht unter diesem Druck stehen möchte, dem sie momentan ausgesetzt ist, andererseits ist ja jeder für sich selbst verantwortlich. Dass sich Herr Mayer auf sowas einlässt, darauf will ich jetzt gar nicht eingehen, auch weil Herr Dierstein schon alles gesagt hat!

Do., 28.02.2019 - 08:31 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 28.02.2019 - 09:37

Die hier so treffend beschriebene Schleimerei des Herrn Mayr steht in krassem Gegensatz zu den Bosheiten, die dieser Herr - und auch weitere RAI-Journalisten und -innen - anderen Politikern zuteil werden lassen, die ihnen offenbar weniger zu Gesicht stehen.

Do., 28.02.2019 - 09:37 Permalink
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Hans Hanser Do., 28.02.2019 - 10:53

Ich hoffe, es freut Sie, denn ich gebe Ihnen zu 100% Recht. Das Edelweiß wäre gut beraten wieder kantige Typen zu rekrutieren. Die Grinse-Selfie-gute-Laune-ich-poste-mich-unter-dem-Weihnachtsbaum-und-auf-der-Skipiste-Fraktion ist definitiv zu blass und wird mittelfristig den Verlust von Stimmen mit sich bringen.

Do., 28.02.2019 - 10:53 Permalink
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Elisabeth Garber Do., 28.02.2019 - 14:33

PS: Also länger als bis zum ersten Musikeinschub hab ich das Interview nicht ausgehalten (provare per credere...). Infolgedessen aber schleudert's mich grad zwischen JL und KM hin und her, obwohl die beiden in keinster Weise Gemeinsamkeiten haben - von der Jugend abgesehen.

Do., 28.02.2019 - 14:33 Permalink