Politik | Ab heute übersteigt unser ökologischer Fußabdruck die Regenerationsfähigkeit des Planeten

20. August: "Earth Overshoot Day"

Laut Berechnung des Global Footprint Networks, eines internationalen Forschungsinstituts zur Nachhaltigkeit, hat die Weltbevölkerung heute das Jahresbudget an natürlichen Ressourcen ausgeschöpft und bewegt sich in die Zone der Überausbeutung. Der "Tag des überschießenden Ressourcenverbrauchs" markiert jenes Datum, ab welchem alle Menschen zusammen mehr verbrauchen als die Natur insgesamt an Ressourcen in einem Jahr liefern kann, ohne einen definitiven Verlust zu erleiden.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
gabarra_und_homann.jpg
Foto: edition raetia

 

Dieser jährlich proklamierte Denk-Tag basiert auf den Berechnungen des ökologischen Fußabdrucks: in weniger als 8 Monaten hat die Menschheit jene Menge an natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die die Natur in einem Jahr liefert. Die restlichen 4 Monate leben wir sozusagen auf der Erde von der Substanz. So werden Meer überfischt, Wälder über die Regenerationsfähigkeit abgeholzt, die Atmosphäre mit Kohlenhydraten angereichert und die Biosphäre mit mehr Müll belastet als sie aufnehmen kann. Diese Übernutzung der Lebensgrundlagen drückt sich in einer Vielzahl von direkten Folgen für die Lebensbedingungen aus: der Verlust an Artenvielfalt, der Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, Mangel an Nahrungsmitteln, Schrumpfung der Fischbestände und vieles mehr. Der von Treibhausgasemissionen befeuerte Klimawandel geht auf diesen überschießenden Verbrauch zurück.

Wie die Rete Civica Italiana berichtet, verbrauchte die Weltbevölkerung 1961 erst rund 2/3 der ökologischen Ressourcen der Erde eines Jahres. Die meisten Länder hatten noch Reserven. Das Wachstum der Weltwirtschaft und der Weltbevölkerung ließen die Regenerationsfähigkeit hinausschießen. Der "Weltkonsum" übersteigt seitdem jene Ressourcenmenge, die der Planet von sich aus erneuern kann. Laut Daten des Global Footprint Networks (2012 National Footprint Account) verbraucht die Weltbevölkerung heute insgesamt anderthalb mal soviel als der Planet in einem Jahr regenerierbar liefern kann.

Das Land mit dem absolut größten ökologischen Fußabdruck ist mittlerweile China, das in den vergangenen 7 Jahren auch beim Fußabdruck pro Kopf den Faktor 1,2 erreicht hat. Mit anderen Worten: würden alle Menschen wie der durchschnittliche Chinese leben, wären 1,2 Planeten nötig, um den Jahresverbrauch zu decken. Doch der Verbrauch der westlichen Industrieländer liegt noch wesentlich höher: 4 Planeten wären nötig, um der Menschheit den Lebensstil der US-Amerikaner zu ermöglichen, gar 6,5 Planten, um jenen der Einwohner von Katar zu decken. Die globale Rezession von 2008/09 hat zwar den Ressourcenverbrauch etwas eingebremst, doch der Gesamtumfang des Verbrauch in absoluten Größen wächst weiter. Doch die Begrenztheit der Ressourcen ist kein Thema bei den Weltwirtschaftsgipfeln.

Dabei haben 2 von den über 7 Milliarden Menschen trotz überschießendem Verbrauch nicht die nötigen Mittel, ihre Grundbedürfnisse in menschenwürdiger Weise zu decken. Über 80% der Weltbevölkerung lebt in Ländern, die entweder die eigenen Ökosysteme übernutzen oder andere Ökosysteme massiv anzapfen oder beides. Die Schweizer Bevölkerung mag zwar einen relativ guten Umweltschutz genießen, entnimmt aber der Erde 4 Mal soviel an Ressourcen als sie die Schweiz hergibt. Schweden hingegen gehört nicht zu den "Schuldnern", sondern zu den ökologischen "Kreditgebern", doch auch sein Bestand an natürlichen Ressourcen wird nach und nach ausgeschöpft. "Das Alltagsleben vieler Mittelmeerländer zeigt uns heute, was es heißt, wenn man über seine finanziellen Verhältnisse lebt," sagte heute Alessandro Galli vom Global Footprint Network Mittelmeer MENA, "finanzielle und ökologisches Defizit sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Auf lange Sicht kann man nicht ein Defizit bewältigen, ohne das andere zu berücksichtigen."

Thomas Benedikter
 

Das Global Footprint Network setzt sich dafür ein, dass die ökologischen Grenzen zu einem Grundmaßstab politischen und persönlichen Handelns werden. Der Ökologische Fußabdruck ist ein zentraler Indikator des Ressourcenverbrauchs. Näheres dazu auf: http://www.footprintnetwork.org/en/index.php/GFN/page/earth_overshoot_da  

Man kann auch seinen persönlichen ökologischen Fußabdruck berechnen und erfahren, wie man ihn verringern kann auf: http://footprintnetwork.org/calculator


 

Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Mi., 21.08.2013 - 11:59

Ich finde die Idee eines Fußabdruckberechners ganz nett, aber so was ist kaum mehr als eine Live-Style-Spielerei für Lohas und Bobos.

Wir leben von der Substanz, das wissen wir schon längst, aber anstatt hier den Raubbau noch weiter im Detail zu analysieren und einen "Earth Overshoot Day" zu berechnen, wenn das überhaupt so genau geht (Vieleicht ist er ja auch eine Woche später oder frühe?), sollte man sich mit den schon vorhanden Lösungen außeinander setzen. Echte Lösungen gehen weit über den privaten Konsum hinaus und setzen politische Maßnahmen vorraus. Diese wiederum müssen von den Mehrheiten verstanden werden, damit sie auch die nötige Akzeptanz und Rückhalt finden.

Wer es bevorzugt sich mit den Lösungen auseinander zu setzten, anstatt mit dem footprint calculator herum zuspielen, kann sich diesen Link ansehen:

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/tacheles/2218956/

oder gleich das Buch Faktor Fünf von Ulrich von Weizsäcker lesen

Mi., 21.08.2013 - 11:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Do., 22.08.2013 - 20:22

Die Summe aller Elemente mag gleich bleiben, aber die Qualität der Zusammensetzung könnte bald andere Lebensformen als uns Menschen hervorbringen - vor allem wenn wir uns weiterhin daneben benehmen. "Von den Abermilliarden biologischer Arten, die seit Anbeginn der Zeit existiert haben, sind 99,9 Prozent nicht mehr da. Eine biologische Art bleibt auf der Erde im Durchschnitt nur vier Millionen Jahre erhalten..." (Bill Bryson; "eine kurze Geschichte von fast allem", Goldmann 2005).
Es geht also nicht um die Atombilanz des Planeten, sondern darum, was wir beisteuern wollen, unsere eh schon kurze Existenz auf diesem Planeten - vielleicht an die folgenden Generationen denkend - ein bisserl hinauszuzögern...

Do., 22.08.2013 - 20:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Do., 22.08.2013 - 22:21

Natürlich werden Atome nicht verbraucht (mit Ausnahme bei der Kernspaltung) und somit bleibt die Summe der Elemente konstant. Aber diese Elemente sind zu Moleküle verknüpft und wird z.B. Erdöl, was aus hochkomplexen Kohlenstoffketten besteht zu Bezin und Diesel weiterverarbeitet und dann im Verbrennungsmotor verbraucht, so werden Verbindungen zwischen den Atomen gelöst und Energie freigesetzt. Diese ist dann verbraucht. Die einzige nennenswerte Quelle für weitere Energiezufuhr ist Sonne. Über die Sonne nehmen Pflanzen über die Photosyntese Energie auf und erzeugen Öle. bzw. die Pflanzen werden von Tieren gegessen die dann Tierfett erzeugen, das dann wiederum in den Boden sickern kann. Das Problem ist nur dass es ca. 1.000.000 Jahre auf diesem Weg braucht um das Erdöl zu generieren das wir im Moment in einem Jahr verbrauchen.
Weiteres finde ich die Aussage, dass man mit einer Fläche so groß wie Australien die ganze Erdbevölkerung versorgen könnte eine Täuschung. Denkt man einen Moment nach so kommt doch gleich die Frage auf ob wir so eine große Fläche irgendwo übrig haben, die geignet wäre für eine Landwirtschaft? Oder schlägt deine Quelle vor inmitten der Wüste Australiens eine Agrarindustrie aufzubauen? :-)

P.S. Das Buch von Bill Brison kann ich dir nur wärmstens empfehlen.

Do., 22.08.2013 - 22:21 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Fr., 23.08.2013 - 12:39

"Wie kann man Ressourcen verbrauchen? Aus chemischer Sicht bleibt die Summe aller Elemente auf unserem Planeten konstant."

ich habe Mich auf diese Fragestellung bezogen. Versuchst du MIT deinem exkurs ins nirgendwo von dieser frage jetzt abzulenken?
Ist sie zumindest jetzt klar oder wunderst du dich immer noch du chemieprofie?

Fr., 23.08.2013 - 12:39 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Fr., 23.08.2013 - 18:04

die Kurve gekratzt. Energie/Materie ist nicht das selbe wie Ressource. Dafür brauchst du nicht den Energieerhaltungssatz bemühen. Eine Ressource kann im Gegensatz zu Materie/Energie verbraucht werden.
Leider stimmt das nicht für Rohstoffe, das du gerne als Begriff benutzen möchtest um den Geganken zu erklären. Rohstoffe stehen (als Ressource) zur Verfügung und können mit (relativ geringen) Aufwand weiterverarbeitet werden. So ist Coltan als Rohstoff gut verwendbar für die Herstellung von Mobiltelefonen. Dieser befindet sich dort als eine dünne Schicht. Leider ist dieses Coltan nicht mehr verwendbar für die Herstellung eines weiteren Handys, da es nicht mehr rescyclebar ist. Somit ist das Coltan in einem kaputten Handy kein Rohstoff und keine Ressource mehr, auch wenn es laut Energieerhaltungssatz erhalten bleibt.
Das gleiche gilt für saubers Trinkwasser. Nach dem du dich darin gebadest hast ist es für dich als solches wohl (hoffentlich) nicht mehr verwendbar. Es kann eventuell mit sehr hohem Aufwand wieder in Trinkwasser verwandelt werden, dafür muss man eventuell andere Ressourcen verbrauchen.
Rostoffe und Ressourcen können verbraucht werden Energie/Materie nicht.

Fr., 23.08.2013 - 18:04 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Fr., 23.08.2013 - 18:45

Ihr beide scheint Euch also einig zu sein, dass es laut Energieerhaltungssatz gar keine Energieverschwendung geben kann. Womit wir wieder beim üblichen Punkt wären, dass manchen vor lauter "wissenschaftlicher" Wortklauberei der Blick aufs Wesentliche versperrt bleibt. Viel Spaß noch bei der weiteren Analyse. Übrigens ein ähnlich schönes Thema ist der Müllerhaltungssatz: Müll bleibt Müll, ob man ihn nun vergräbt, verflüssigt, verbrennt, vergast oder mit Zufuhr von Sekundarenergie wieder in Materia Prima verwandelt, da eben die "Erzeugung" (sic!) der Sekundärenergie wieder Müll verursacht. Womit wir beim CO2-Erhaltungssatz wären. Gut, dass sich die Erde trotzdem weiterdreht, auch wenn wir über unsere eigene, sprachliche Unzulänglichkeit stolpern. Ob es dem guten Gedanken, den Thomas hier eingebracht hat, dient?

Fr., 23.08.2013 - 18:45 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Fr., 23.08.2013 - 19:43

Dass man seinen ökologischen Fußabdruck misst um dann sich besser zu fühlen?
Wenn dich ein Lösungsansatz interessiert dann les doch die anderen Kommentare wo auch echte Lösungen angeboten werden.
P.S.
Tut mir leid wenn für dich die Unterscheidung zwischen Ressource und Energie schon wortklauberei ist. Ich glaube aber nicht dass die Sprache unzulänglich ist, sondern deren schlampiger gebrauch und zu vielen die dann auch am Ende nichts mehr verstehen.

Fr., 23.08.2013 - 19:43 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Fr., 23.08.2013 - 19:59

Es ist fatal zu meinen man braucht nur das Problem in die Zukunft verlagern und irgendwann kommt die Lösung. Es gibt auch Menschen die lassen sich den Kopf einfrieren und meinen irgendwann ist die Wissenschaft so weit, dass man Sie wieder zum Leben erwecken kann bei vollem Bewusstsein.
Auch wurde so bei der Kernenergie argumentiert und in Deutschland sucht man immer noch ein Endlager. Und wenn man fragt wann wir die Kernfusion benutzen können, dann hieß es bei Experten vor 30, 20, 10 Jahren und heute immer das selbe: In 50 Jahren.

Ich gebe dir recht, dass wenn die Rostoffe teurer werden, wird man intensiver nach Alternativen suchen, Innovation ist aber etwas nichts planbares und man kann nicht hoffen dass rechtzeitig eine Lösung gefunden wird. Es gibt aber auch einen Lösungsansatz der schon jetzt diesen Anporn erzeugen würde und zwar die Idee Ulrich von Weizecker einer ökologischen Steuerreform. Unter anderem auch den Rebound-Effekt entgegen zu wirken, denn bis jetzt führte gesteigerte Effizienz zu gesteigerterten Konsum. Wenn man das auch nicht bedenkt wird uns Innovation weiterhelfen.

Fr., 23.08.2013 - 19:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Thomas Benedikter
Thomas Benedikter Fr., 23.08.2013 - 22:10

In einigen Kommentaren ist durchgeklungen, dass dieses Konzept eher eine wissenschaftliche Spielerei ist mit Befunden, die wir eh schon kennen, oder gar nur das altbekannte Ausmalen von Horrorszenarien. Damit tut man dem Konzept unrecht. Der Öko-Fußabdruck basiert auf einer ausgefeilten, wissenschaftlich fundierten Methode, die auf einer breiten Datenbasis vor allem staatlicher und internationaler Organisationen aufbaut. Er sagt nichts über die Zukunft aus, sondern erfasst die Realität heute und die bisherige Entwicklung. Er ist ein auf den Punkt gebrachter Vergleich von gegebener Biokapazität und dem Nachfragedruck unseres Lebensstils auf dieser Kapazität.
Was misst der Öko-Fußabdruck? Er misst den aktuellen Stand der Ressourcennutzung und Abfallproduktion in einem Land oder Region und stellt die der Biokapazität gegenüber (der regionale/globale/nationale Bestand an Ressourcen, dererneuerbare Leistungen und Produkte liefern kann). Der Öko-Fußabdruck fragt: haben wir im Bezugsjahr in einem Land mit unserer Nachfrage (Konsum) die Kapazität des Ökosystems überschritten und um wieviel? Die Biokapazität ist eine Schlüsselgröße dabei, nämlich die Menge an produktiver Land- und Wasserfläche, die für die Produktion von Ressourcen und die Absorption von Abfall nötig ist. Diese wird in Gha (Globalhektar), eine globale biologische Durchschnittsproduktivität ausgedrückt.
Beim CO2 gilt dasselbe Prinzip: der ökol. Fußabdruck berechnet die Fläche, die nötig wäre, um eine bestimmte Emissionsmenge von CO2 zu absorbieren, ausgehend von der durchschnittlichen CO2-Absorptionsrate von Wäldern. Das ist es, was unseren ökol.Fußabdruck ganz fatal aufbläst: das von Bewohnern Italiens erzeugte CO2 kann nicht mehr von der Wald- und Meeresfläche dieses Landes absorbiert werden. Vor allem deshalb liegt Italien beim Pro-Kopf-Wert von 4,52 für den Fußabdruck. Ich empfehle sehr die Website www.footprintnetwork.org, z.B. auch den Global Footprint Report über den Mittelmeerraum.

Fr., 23.08.2013 - 22:10 Permalink

Ich habe das mit dem persönlichen Fußabdruck mal ausprobiert und es ist wohl mehr ein didaktisches Spiel als eine konkrete Hilfe. Meine Realität kann ich damit jedenfalls nicht abbilden. Dass man überhaupt kein Auto besitzt ist z.B gar nicht vorgesehen (die fragen nur, wie oft man alleine fährt und dass man gar nicht fährt ist nicht vorgesehen!) und wenn man angibt, dass man keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, wird der footprint schlechter. In Wirklichkeit benutze ich das Fahrrad statt der öffentlichen Verkehrsmittel, aber das scheint den virtuellen Interviewer gar nicht zu interessieren. Am Ende steht da, dass es für Leute wie mich 2,5 Planeten mehr bräuchte! Dabei wohne ich auch noch in der grünsten Region Italiens mit 57% Energie aus erneuerbaren Quellen (Angaben ASTAT, BLS) Das ganze ist also sogar für einen wie mich, der nicht erst überzeugt werden muss, eher frustrierend als motivierend. Man scheint hier schon eher auf die Horror-Taste drücken zu wollen und ich fürchte, dass damit "Otto Normalverbraucher" kaum aus der Reserve gelockt werden kann.

So., 25.08.2013 - 13:50 Permalink