„Die Stoanernen Mandlar machen eine Reise“: Videoclip „Wia schia ischs denn dou“
Foto: Screenshot Videoclip „Wia schia ischs denn dou“
Chronik | Aus dem Blog von Gerhard Mumelter

Säure ins Gesicht

Säureattentate sind in Italien die neueste Form perfider Gewalt gegen Frauen. In keinem
anderen EU-Land werden Frauen von ihren ehemaligen Partnern so brutal verfolgt und
eingeschüchtert wie in Italien. Nach 2000 Morden in zehn Jahren zieht das Parlament
mit der "legge contro il femminicidio" jetzt endlich die Notbremse.
Es ist ein infames Verbrechen, das vor allem in den islamischen Gesellschaften Südasiens verbreitet ist. Dass es jetzt auch in Italien Fuß faßt, ist äußerst beunruhigend. Seit einiger Zeit nehmen die Säureattentate zu. Ehemänner und Partner, die Trennungen nicht verwinden können, verstümmeln ihre Ex-Frauen, die sie noch immer als Besitz betrachten. Am Samstag verhaftete die Polizei in Genua den 49-jährigen Giuseppe Toscano. Vor zwei Wochen hatte er seiner getrennt lebenden Frau Domenica Foti Säure ins Gesicht geschüttet. Ihre Sehkraft ist gefährdet. Obwohl der Täter vermummt agierte und auf ein angebliches Alibi pochte, konnte er auf Überwachungskameras identifiziert werden. In Pakistan, Bangladesh, Indien und Afghanistan werden jährlich hunderte Frauen Opfer dieser infamen Racheakte, die auf die Zerstörung weiblicher Schönheit und Identität zielen und deren Wunden nie verheilen. Ein brutales Verbrechen zum Nulltarif, für das keine Waffen erforderlich sind. Ein Plastikbecher mit Batteriesäure genügt. Die fatalen Folgen dieser Anschläge schildert der mit einem Oscar ausgezeichnete Film Saving Face der pakistanischen Journalistin Sharmeen Obaid-Chinoy besonders eindrücklich.   Die selbstbewusste Anwältin Lucia Annibali aus Pesaro hätte sich nie träumen lassen, dasselbe Schicksal zu erleiden wie die jungen Pakistanerinnen Zakia und Rushana, deren Geschichte in dem Film erzählt wird. Als die 35-Jährige abends heimkehrte, schüttete ihr ein Unbekannter vor der Haustüre aus einer Flasche Säure ins Gesicht. Als Täter wurde ein Albaner verhaftet, dem der Anwalt und frühere Partner Annibalis 30.000 Euro bezahlt hatte. Ein paar Operationen hat die 35-jährige bereits hinter sich, weitere stehen ihr bevor. "Ich wage es, wieder in den Spiegel zu sehen", gesteht Lucia Annibali. "Beugen werde ich mich nie."   Der Anschlag in Pesaro war nur der Beginn einer tragischen Serie in Rom, Mailand, Vicenza, Genua und anderen Städten. Die meisten betroffenen Frauen hatten bereits vorher eine lange und demütigende Serie von Drohungen und Einschüchterungen ertragen müssen. Anzeigen bei der Polizei blieben erfolglos.Der Kriminologe Vincenzo Mastronardi spricht von einem Nachahmungsdelikt. Die Gewalt gegen Frauen hat in Italien längst besorgniserregende Ausmaße erreicht. Jeden zweiten Tag wird eine Frau von ihrem Ex-Partner ermordet. Jetzt hat das Parlament unter dem Eindruck einer langen Mordserie endlich gehandelt und ein Gesetz vorgelegt, das Stalking schärfer bestraft und den Richtern vorbeugende Maßnahmen gegen gewalttätige Ehemänner erlaubt - etwa die Ausweisung aus der gemeinsamen Wohnung. Dass dafür in zehn Jahren über 2.000 Frauen faktisch hingerichtet wurden, ist beschämend genug.

 

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Martin Geier So., 25.08.2013 - 09:32

Interessanter Artikel; Feminizid ist ein real existierendes Problem weil sich in letzter Zeit diese Tragödien häufen. Männer unfähig ein Nein, eine Ablehnung oder eine Trennung zu akzeptieren geraten in einen tiefen Strudel aus dem dann unter Umständen leider die traurigen Vorfälle Mord und Selbstmord erwachsen. War erst kürzlich in Süditalien(Sizilien) und ein Einheimischer versicherte mir daß die süditalienische Gesellschaft letztendlich matriarchalisch ist; mit einer sehr männlichen Fassade. Bin auf der Suche nach Erklärungen und habe noch keine letztendlich zufriedenstellende gefunden. Vieles bietet sich an; falsch verstandener Stolz, verletzte Ehre und die Härten beim Zerfallen der eigenen Familie zuzuschauen; kann hier Jeder Weiteres hinzufügen. Die Frau ist kein 'Besitz' sondern das herrliche Wesen das täglicher 'attenzioni in amore' und freundlicher kleiner Aufmerksamkeiten bedarf; genauso wie auch wir gerne Aufmerksamkeiten erfahren. Denke Jeder hier von uns hat einmal Ablehnung erfahren; daß die eigenen Gefühle nicht erwidert werden; mitunter vielleicht das Scheitern einer Beziehung erlebt; daraus wächst man; daraus lernt man dazu für das nächste, bessere Mal; das berühmte Spiel Versuch und Irrtum. Manche hingegen kommen mit Ablehnung und Scheitern nicht klar, was in Stalking münden kann; oder noch schlimmer zu diesen Tragödien führt. Es ist eine sich ändernde Gesellschaft die neue Antworten suchen muß. Im 'Dorf' gab es damals keine Ehescheidung und keine Trennung und jede Frau mußte ihren schlagenden Psuff ertragen; heute geht das zum Glück nicht mehr. Zu viele Männer kommen mit neuen und alten Unsicherheiten nicht klar; zu viele Männlein und Weiblein haben noch keine neue Art des Gleichgewichts und des Respekts gegenüber dem Anderen gefunden. Den 'universo donna' haben Viele nicht verstanden und werden es nicht verstehen; auch weil man aus Fehlern unfähig ist zu lernen; die Frauen umgekehrt machen es manch Männern nicht leichter weil sie sie auch nicht weiterbringen und selbst zu oft in alten Gewohnheiten verharren. Partnerschaft braucht so etwas wie tägliche Pflege und auch Freiräume die man für sich und sie(betrachte das mal von meiner Sicht als Mann aus gesehen) jenseits von Beruf, Familie, Kinder, Hobby ecc. erhält. Speziell Südtiroler(und Südtirolerinnen) tendieren dazu ihr Leben mit Arbeit, Hobby, Verein, Freude und Freundinnen ecc. 'zuzukeilen'. Das be- und zernagt jede Zweisamkeit und kann sie auch zerstören. Man möge ihr Zeit widmen, ihr zuhören und sie mit manch 'attenzione' erfreuen und überraschen; sich selbst Raum gönnen; ihr aber auch Raum widmen. Ein Teil wird das nicht können; auch aus Fehlern nicht lernen.
Welche Antworten geben wir? Wie helfen wir den betroffenen Frauen und wie helfen wir Männern aus einem solchen Strudel herauszukommen?
Wir haben einen Tiefpunkt erreicht und ich begrüße ausdrücklich das neue Gesetz. Aber es ist nur soviel Wert wie es angewendet wird.

So., 25.08.2013 - 09:32 Permalink
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Michael Bockhorni Mo., 26.08.2013 - 15:28

Antwort auf von Martin Geier

Martin für dieses sehr differenzierte und ausführliche Kommentar, dem ich vollinhaltlich zustimme. Bin auf weitere Antworten bzw. Kommentare neugierig.

Mo., 26.08.2013 - 15:28 Permalink
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Franz Mozzi So., 25.08.2013 - 21:22

Non tanto per contestarne la validità o per inutile spirito polemico (vista la serietà della questione), quanto per sincero interesse ad approfondire, vorrei sapere in base a quale fonte ed a quali dati Mumelter affermi che «In keinem anderen EU-Land werden Frauen von ihren ehemaligen Partnern so brutal verfolgt und eingeschüchtert wie in Italien». L’European Institute for Gender Equality, cui sarebbe naturale rivolgersi, non dispone infatti di dati aggiornati e/o comparabili (o ancora non li pubblica: «No harmonised and comparable gender indicators exist to measure gender-based violence against women and the norms, attitudes and stereotypes that underpin gender roles») per un confronto su scala europea. Ringrazio anticipatamente per le delucidazioni e per le fonti che verranno prodotte.

So., 25.08.2013 - 21:22 Permalink