Grenzenlos
In der EU gibt es keine Grenzen mehr, sagt man uns seit vielen Jahren. Vor allem die Öffnung des Brenners im Jahr 1995 wurde hier in Tirol groß gefeiert und als Überwindung sicht- und fühlbarer Grenzen gefeiert. Ich betone „sichtbar“ und „fühlbar“, denn verwaltungsmäßig bleibt der Brenner weiter eine deutliche Grenze: in den Staaten, die er trennt (oder vereint?) herrschen verschiedene Gesetze: Steuern, Sozialsysteme, Wahlrecht, Wirtschaftsrecht, Umwelt und Verkehr werden recht unterschiedlich gehandhabt.
Vor allem aber das Sichtbare der Grenze ist stark erhalten geblieben: Auf beiden Seiten des Brenners verabschieden bzw. begrüßen die Reisenden Schilder zur jeweiligen Region und Hoheitszeichen der beiden Staaten. Auf der Reise nach Süden kommt zuerst das ITALIA-Schild, dann das Schild der Region Trentino-Südtirol und schließlich das Werbeschild des Tourismuslandes Südtirol. Die Reisenden werden also durchaus bewusst und massiv auf die Tatsache hingewiesen, dass sie jetzt in ein anderes Land, in einen anderen Staat fahren.
Warum schreibe ich das?
Ich war gerade in Irland und habe zum ersten Mal im Leben auch Nordirland besucht!
Beim Hineinfahren habe ich die Staatsstrasse N3 von Cavan nach Enniskillen benutzt, die in Nordirland zur A509 wird. Ich habe mich darauf vorbereitet und wollte den Grenzübergang erkennen, ich war sehr neugierig, wie der sich wohl darstellt. Wir fuhren die Straße entlang, nicht zu schnell, um nur ja nicht diesen Grenzpunkt zu versäumen. Ich hielt mich auch an alle Geschwindigkeitsbegrenzungen und wunderte mich über die 30 km/h in einem Dorf, dachte, aha, die wollen auch den Durchzugsverkehr bremsen, recht haben sie! Aber die anderen Autos überholten mich skrupellos. Und da kam es mir geschossen: Wir sind schon längst im Vereinigten Königreich und die Geschwindigkeiten werden in mls/h angegeben und nicht in km/h!
Das hieß im Umkehrschluss: Wir haben die Grenze nicht wahrgenommen! Trotz erhöhter Aufmerksamkeit von drei Passagieren im Auto!! Die Grenze war UNSICHTBAR! Kein „good-bye“-Schild, kein Regionalschild, nichts: Nicht die Spur von einem Hoheitszeichen! Ich, wir, waren baff! So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen, dass der Übergang zwischen zwei Staaten durch absolut GAR KEIN Zeichen dargestellt wird! Unglaublich!
Wir haben dann die Runde durch Nordirland weiter gefahren, haben die leidgeprüfte Stadt Derry besucht, den prachtvollen Giant´s Causeway und Torr-Head, jenen Punkt, wo Irland der Britischen Hauptinsel am nächsten liegt, gegenüber vom Mull of Kintyre, das Paul McCartney in einem seiner Songs besingt und von wo eine meiner Urgroßmütter stammt, aber das ist eine andere Geschichte..
Wir nahmen uns vor, auf der Rückreise ebenso aufmerksam nach Zeichen der Grenze Ausschau zu halten! Wir nahmen die nordirische A1 von Newry nach Süden, wo sie in der Republik Irland zur N1 wird. Beides sind jeweils Autobahnen. Ich wusste, wo die Grenze kommen würde und bat die Kinder, ebenfalls ganz genau hinzuschauen, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass an einer großen Autobahn gar kein Hoheitszeichen angebracht sein würde. Wir fuhren also wieder verlangsamt der Route entlang und sahen – nichts! Denn wieder war es nur die Geschwindigkeitsbegrenzung von 120, die mir klar machte: das können nicht Meilen sein!!
Wir waren zum zweiten Mal über eine komplett unsichtbare Grenze gefahren!
Was nehme ich aus diesem Erlebnis mit? Erstens, dass unsere schöne Brennergrenze gar nicht so unsichtbar und unfühlbar ist, wie uns von vielen verkauft wird. Und Zweitens verstehe ich jetzt viel besser, warum diese Grenze dermaßen stark auf den Brexit einwirkt! An ihr wollen beide Seiten wirklich aus ihrer gemeinsamen, oft sehr bitteren Geschichte heraustreten und einen Neubeginn leben! Und deswegen tut es offensichtlich beiden Seiten so weh, wenn diese Grenze nicht nur wieder sichtbar wird, sondern sogar zur EU-Außengrenze werden soll! Ich habe keinen Menschen getroffen, der mit dem Brexit glücklich gewesen wäre! Weder in der Rebublik Irland, noch in Ulster, der Uk-Provinz. Wieder wird eine relativ kurze Grenze zum gordischen Knoten auf diesem Kontinent!
Was bleibt, ist eine große Nachdenklichkeit und ein noch größeres Unverständnis über den Brexit. Europa hat schon sehr viele gute Taten hinter sich und verdient es nicht, von ein paar egoistischen Politbewegungen auseinander genommen zu werden.
Am 26. Mai haben wir die Gelegenheit, dies zu bedenken!
Schöner Artikel mit toller
Schöner Artikel mit toller Botschaft!
Antwort auf Schöner Artikel mit toller von Elisabeth Garber
absolut einverstanden.
absolut einverstanden. Dankeschön.
Schöner Beitrag!
Schöner Beitrag!
Wie die Brexit-Verhandlungen laufen ist bedauerlich. Zwecks Außengrenze müsste sich doch eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden lassen...
Antwort auf Schöner Beitrag! von Josef Mair
ja... KEINE Aussengrenze...
ja... KEINE Aussengrenze... keine Grenze
Ja, schön könnte es sein,
Ja, schön könnte es sein, aber die irische Romantik muss ich doch ein bissel dämpfen: Ulster nicht deckungsgleich mit dem bitischen Nordirland. Siehe Link. So wurden die Hinweisschilder der Ulster-Grenze wohl an der falschen Stelle gesucht. Auch zur Grenze zwischen UK und Republik ein paar Bilder verlinkt.
https://wiki--travel.com/img/map-of-ireland-ulster-munster-1.html
https://www.irishnews.com/news/2017/12/07/news/psni-to-liaise-with-depa…
https://www.irishtimes.com/news/ireland/irish-news/no-deal-brexit-could…
Antwort auf Ja, schön könnte es sein, von Benno Kusstatscher
Wie oben beschrieben, haben
Wie oben beschrieben, haben wir KEINE Schilder gesehen. Die georgrafischen Abweichungen von Ulster und der Grenze zum UK waren mir klar und wir haben darauf geachtet. Ich vermute, die Fotos sind einfach alt und dienen als negative Beispiele. An den beiden Grenzübergängen, die wir gequert haben, war NICHTS! (Stand März 2019)
Danke für diese Überlegungen
Danke für diese Überlegungen zum Schutze Europas, der Not tut !
Die meisten und hartnäckigesten Grenzen verstecken sich meist in unseren Köpfen.... der Zaun zum Nachbarn ... hier Ciucchetti , daneben Hänsel... Leben und leben lassen... oder gegenseitiger Respekt und Wertschätzung der Verschiedenheiten, das könnte die Entwicklungsstufe des homo-sapiens von feind-besessenen Nationalisten zu friedfertigen Menschen weiterentwicklen.