Analisi accurata e da
Analisi interessante nonchè accurata. Und sagen wir es mal offen: Welche Bedeutung hat ein, für die dt. Kultur auch sehr bedeutsamer Künstler wie Heine im Vergleich zu einem der weltweit wichtigsten Denker der Menschheit?
... „schön, heiter, ehrlich, brav und von unergründlicher Geistesbeschränktheit.“ Wer sollte das sein? Die Tiroler, behauptet der freche Heinrich Heine in seinen Reisebildern. Das Buch erschien 1830 und wurde ein Erfolg, trotz des Publikationsverbotes in allen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes: denn die Tiroler waren nicht die Einzigen, die der 33-jährige „Sohn der Revolution“ aufs Korn nahm. In unserem Falle aber, sind das Urteil so scharf und die Bemerkungen über die Ignoranz, Würdelosigkeit und Unterwürfigkeit so vernichtend, dass es schwer ist, sie zu vergessen. Und tatsächlich werden diese Zeilen von belesenen Tirol Kritikern bis heute zitiert: ja wenn selbst der große Heinrich Heine dies sagt, dann wird’s wohl stimmen.
Vor kurzem habe ich das wieder einmal gehört und es als Anlass genommen, einen anderen Aufsatz wieder in die Hand zu nehmen. Er ist weit weniger bekannt, aber auch hier ist von den Tirolern die Rede, wenngleich die Schlussfolgerung eine andere ist. Geschrieben und vorgelesen hat ihn der Philosoph Karl Popper am 25 August 1958 im Rahmen der „Alpbacher Gespräche“. Beeindruckt von „den wilden und unwegsamen Tälern der Hochalpen“, fragt sich Popper in der Einführung seines Referats „Zum Thema Freiheit“, warum die Menschen in Tirol (und in der Schweiz) sich in dieser schwer zu bebauenden und gefährlichen Gegend angesiedelt haben. Seine Antwort: „..., weil sie das ungewisse Dasein in der Wildnis der Unterjochung durch mächtigere Nachbarn vorzogen.“ Des weiteren, spricht Popper von einer „schweizerischen und Tiroler Tradition der Freiheit“.
Also: unterwürfig oder die Freiheit liebend? Wer von beiden hat weniger Unrecht?
Heine hat präzise Meinungen über das politische Zeitgeschehen. Er schätzt das reformistische Werk Napoleons und verurteilt deshalb den Aufstand der Tiroler von 1809 gegen die französisch- bayrische Herrschaft, indem er sich über sie lustig macht: „Von der Politik wissen sie nichts, als dass sie einen Kaiser haben, der einen weißen Rock und rote Hosen trägt;“ (sie) „... stiegen von den Bergen hinab und ließen sich totschlagen für den weißen Rock und die lieben alten roten Hosen“. Tirol als Bollwerk der Reaktion gegen die reformistisch- revolutionären Bestrebungen: mag ja stimmen.
Was mich in der Formulierung Heines stört, abgesehen vom politischen Urteil, ist dieses „sind“: „Die Tiroler sind....“. Denn auf diese Weise nagelt er sie an bestimmte Eigenschaften fest und vermittelt somit den Eindruck, dass sie auf der Bühne der Geschichte immer dieselbe Rolle spielen werden. Folglich ist auch ihr zukünftiges Verhalten voraussehbar; oder genauer gesagt, der von Heine beeinflusste Leser wird es gemäß seinen Erwartungen interpretieren. Eine Meinung, brillant definiert, wird zum Vorurteil.
Also: unterwürfig oder die Freiheit liebend? Wer von beiden hat weniger Unrecht?
Ich finde, wir sollten es vermeiden, das Zeitwort „sein“ in diesem ontologischen Sinne zu gebrauchen. Das Zeitwort „sein“ führt zu geschlossenen, unveränderlichen Wesen, so also ob es einen Prototypen des Tirolers (oder wessen auch immer) gäbe, dem der real existierende Tiroler entsprechen müsste. Besser wäre es, zu unterscheiden: Das, was wir „Tiroler“, „Bayern“, „Deutsche“, „Italiener“, „Afrikaner“, „Asiaten“ usw. nennen, ist kein „an und für sich Seiendes“, sondern ein intellektuelles Konstrukt. Es kann besser oder schlechter argumentiert und fundiert sein, es kann zum Verständnis oder Missverständnis der Realität beitragen; es soll aber nicht mit der Realität verwechselt werden. Was wir zur Verfügung haben sind Kenntnisse über Fakten, Tatsachen, vollbrachte Handlungen, Geschehenes; damit können wir kaum Zukünftiges voraussagen und Endgültiges schon gar nicht. Sehr wohl aber können wir Erklärungen wagen.
Diesen Weg geht Karl Popper. Als gebürtiger Österreicher, kannte auch er die Geschichte Tirols; aber er spricht keine Urteile oder Gewissheiten aus. Dem Thema nähert er sich vorsichtig: „Wir wissen nur wenig über die Geschichte der Besiedelung der österreichischen, der schweizerischen und der französischen Hochalpen...“. Er stellt eine Frage und bietet seine Antwort an, aber lässt dabei andere Möglichkeiten offen: „Es ist wohl am wahrscheinlichsten, dass diese Menschen in das Gebirge zogen, weil sie das ungewisse Dasein...“. Diese Art, zu argumentieren führt zu keinem ideellen Wesen und setzt auch keines voraus. Sie verzichtet auf die Absicht zu definieren, „was“ jemand oder etwas „ist“ und interessiert sich vielmehr für das „Wie“ es sich verhält und für das „Warum“ es sich so verhält. Ein pragmatischer Ansatz, fern von der idealistischen Einstellung des Romantikers Heine. Die Tiroler sind nicht dazu verdammt, ein reaktionäres Bergvolk zu bleiben; sie könnten auch von anderen Instanzen motiviert sein.
Popper spricht sogar, wie gesagt, von einer „Tiroler Tradition der Freiheit“. Was kann er damit meinen? Wahrscheinlich den Widerstand der Schweizer gegen das Hause Habsburg und das Landlibell von 1511, das Tirol eine Sonderstellung im Habsburger-Reich einräumte, zumindest in militärischer Hinsicht. Wenige Jahre darauf gab es den Bauernaufstand mit der von Michael Gaißmair entworfenen neuen „Tiroler Landesordnung“. Vielleicht, warum nicht?, denkt er auch an den Aufstand der Tiroler im Jahre 1809: kein Bollwerk der Reaktion, sondern ein Aufstand gegen die „Unterjochung durch mächtigere Nachbarn“, um es mit seinen Worten zu sagen, selbst wenn diese Nachbarn als Boten des Fortschritts gelten.
Ich weiß nicht, ob Popper im August 1958 darüber Bescheid wusste, was in jenen Jahren südlich des Brenners geschah. Vielleicht schon, denn in ganz Tirol war es ein heißes Thema. In diesem Falle hätte er wohl keinen Zweifel gehabt: auch der Kampf um die Autonomie Südtirols hat seinen Platz in dieser „Tradition der Freiheit“.
Analisi interessante nonchè accurata. Und sagen wir es mal offen: Welche Bedeutung hat ein, für die dt. Kultur auch sehr bedeutsamer Künstler wie Heine im Vergleich zu einem der weltweit wichtigsten Denker der Menschheit?
Goethe, 1829, „Italienische Reise“:
„... besonders mißfiel mir die bräunlich bleiche Farbe der Weiber...“
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„Von den Menschen wußte ich nur weniges und wenig Erfreuliches zu sagen. Sobald mir vom Brenner Herunterfahrendem der Tag aufging, bemerkte ich eine entschiedene Veränderung der Gestalt, besonders mißfiel mir die bräunlich bleiche Farbe der Weiber. Ihre Gesichtszüge deuten auf Elend, Kinder waren ebenso erbärmlich anzusehen, Männer ein wenig besser, die Grundbildung übrigens durchaus regelmäßig und gut. Ich glaube die Ursache dieses krankhaften Zustandes in dem häufigen Gebrauch des türkischen und Heidekorns zu finden. Jenes, das sie auch gelbe Blende nennen, und dieses, schwarze Blende genannt, werden gemahlen, das Mehl in Wasser zu einem dicken Brei gekocht und so gegessen. Die jenseitigen Deutschen rupfen den Teig wieder auseinander und braten ihn in Butter auf. Der welsche Tiroler hingegen ißt ihn so weg, manchmal Käse darauf gerieben, und das ganze Jahr kein Fleisch. Notwendig muß das die ersten Wege verleimen und verstopfen, besonders bei den Kindern und Frauen, und die kachektische Farbe deutet auf solches Verderben. Außerdem essen sie auch noch Früchte und grüne Bohnen, die sie in Wasser absieden und mit Knoblauch und Öl anmachen. Ich fragte, ob es nicht auch reiche Bauern gäbe. - »Ja freilich.« - »Tun sie sich nichts zugute? essen sie nicht besser?« - »Nein, sie sind es einmal so gewohnt.« - »Wo kommen sie denn mit ihrem Gelde hin? Was machen sie sonst für Aufwand?« - »O, die haben schon ihre Herren, die es ihnen wieder abnehmen.« - Das war die Summa des Gesprächs mit meiner Wirtstochter in Bozen.
Ferner vernahm ich von ihr, daß die Weinbauern, die am wohlhabendsten scheinen, sich am übelsten befinden, denn sie sind in den Händen der städtischen Handelsleute, die ihnen bei schlechten Jahren den Lebensunterhalt vorschießen und bei guten den Wein um ein Geringes an sich nehmen. Doch das ist überall dasselbe.
Was meine Meinung wegen der Nahrung bestätigt, ist, daß die Stadtbewohnerinnen immer wohler aussehen. Hübsche, volle Mädchengesichter, der Körper für ihre Stärke und für die Größe der Köpfe etwas zu klein, mitunter aber recht freundlich entgegenkommende Gesichter. Die Männer kennen wir durch die wandernden Tiroler. Im Lande sehen sie weniger frisch aus als die Weiber, wahrscheinlich, weil diese mehr körperliche Arbeiten, mehr Bewegung haben, die Männer hingegen als Krämer und Handwerksleute sitzen. Am Gardasee fand ich die Leute sehr braun und ohne den mindesten rötlichen Schein der Wangen, aber doch nicht ungesund, sondern ganz frisch und behaglich aussehend. Wahrscheinlich sind die heftigen Sonnenstrahlen, denen sie am Fuße ihrer Felsen ausgesetzt sind, hievon die Ursache“.