Chronik | Tenti-Prozess
Die Verurteilung
Foto: upi
Katiusca Tenti steht ihre Frau.
Auch in einer der schwersten Stunden ihres Lebens versteckt sich die ehemalige Ressortdirektorin nicht. Tenti sitzt aufrecht im großen Schwurgerichtssaal des Bozner Landesgerichts als der Vorsitzende Richter Carlo Busato das Urteil verliest. Mit versteinerter Miene verlässt sie unmittelbar danach den Saal. Jede andere wäre spätestens jetzt vor dem halben Dutzend Journalisten davongelaufen. Katiusca Tenti nicht.
Die langjährige rechte Hand von Landeshauptmann-Stellvertreter Cristian Tommasini sitzt auf der Holzbank vor dem Gerichtssaal. Gezeichnet aber gefasst, wehrt sie alle Journalistenfragen ab. Man sieht es der Frau an, dass sie den Kampf vor Gericht noch lange nicht aufgegeben hat.
„Wir müssen die Urteilbegründung abwartet“, diktierte derweilen Tentis Anwalt Carlo Bertacchi den Journalisten in die Blöcken, „wahrscheinlich werden wir aber Berufung gegen das Urteil einlegen“.
Demnach wird der Gerichtsfall Katiusca Tenti-Antonio Dalle Nogare noch weiter gehen. Dann aber mit zwei Verurteilten auf der Anklagebank.
6 Minuten
Es ist 9.13 Uhr als das Richterkollegium, Carlo Busato, Stefan Tappeiner und Ivan Perathoner den Schwurgerichtssaal für eine formale Handlung betreten. Der Vorsitzende Richter Busato eröffnet noch einmal kurz die Hauptverhandlung, um den Angeklagten die Möglichkeit zu geben ein persönliches Schlusswort vor der Urteilsfindung zu äußern. Antonio Dalle Nogare ist wie bei allen Verhandlungen in diesem Prozess abwesend. Katiusca Tenti verzichtet darauf.
Das war schon vorab klar. Deshalb ist die Verhandlung auch nach genau einer Minute schon wieder vorbei. Die Richter ziehen sich zur Urteilberatung zurück. Diese dauert genau 6 Minuten. Bereits vor drei Wochen war mit den Schlussplädoyers der Anklage und der Verteidigung die Hauptverhandlung abgeschlossen worden. Weil es an diesem Tag aber spät geworden war, vertagte das Richterkollegium die Urteilsfindung ursprünglich auf Freitag dieser Woche.
Da an diesem Tag vor dem Landesgericht Bozen aber der Prozess gegen die Anarchisten weitergeht, beantragte Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante eine Vorverlegung der Urteilverkündung um einen Tag.
So verkündet Carlo Busato am Donnerstagvormittag um 9.20 Uhr mit ruhiger und sachlicher Stimme das Urteil.
Katiusca Tenti und Antonio Dalle Nogare werden wegen Offenbarung und Nutzung von Amtsgeheimnissen oder Beihilfe dazu (Art. 326/3) und wegen Beeinflussung der Wahlfreiheit in einem Auswahlverfahren (Art. 353 bis Strafgesetzbuch) verurteilt.
Tenti erhält zwei Jahre Haft, Dalle Nogare 2 Jahre und drei Monate. Zudem wird die Landesbeamtin im Wartestand für diese Zeit von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.
Tenti erhält zwei Jahre Haft, Dalle Nogare 2 Jahre und drei Monate. Zudem wird die Landesbeamtin im Wartestand für diese Zeit von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.
Während man Katiusca Tenti mildernde Umstände zuerkennt und die Strafen auf Bewährung ausgesprochen werden, gewährt man Antonio Dalle Nogare keine Bewährung.
Sieg der Anklage
Der Urteilsspruch ist ein Sieg der Anklage auf ganzer Linie. Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante und die Carabinierisondereinheit ROS hatten jahrelang gegen Tenti und Dalle Nogare ermittelt und dabei auch mittels Trojaner zu modernster Abhörtechnik gegriffen. Damit schafften die Ermittler letztlich auch den Durchbruch.
Denn in Prozessverlauf wurde deutlich, dass die beiden Angeklagten wussten, dass sie abgehört werden. Deshalb versuchten Tenti/Dalle Nogare mehrmals die Ermittler bewusst mit belanglosen Gesprächen in die Irre zu führen. Was die Angeklagte dabei nicht bedacht haben: Die Ermittler lauschten nicht nur am Telefon mit, sie hatten auch einen Trojaner in Dalle Nogares Laptop versteckt. Dieser übermittelte den ROS-Beamten Bildschirmfotos in Echtzeit. So bekamen die Ermittler mit, wie die Angeklagten die Unterlagen zur Ausschreibung für 100 Mittelstands-Wohnungen in Bozen durchschauten, während sie so taten als würden sie Urlaubsfotos anschauen. Allein dieses Arrangement dürfte die Richter von einer gewissen kriminellen Energie des Duos überzeugt haben.
Die Verteidigung setzte im Prozess vor allem auf zwei Karten. Zum einen: Die Nichtzulassung der Ermittlungsergebnisse, die durch die moderne Abhörtechnik gewonnen wurde. Carlo Bertacchi, Fabrizio Francia & Co wussten nur zu gut, dass mit diesen Beweisen die Anklage fällt oder steht. Deshalb auch der mehrmalige Versuch die Abhörungen als illegal vom Verfahren auszuschließen.
Zum anderen versuchte die Verteidigung nachzuweisen, dass die von Tenti an Dalle Nogare übermittelten Unterlagen zur 25-Millionen-Euro-Ausschreibung keineswegs unter das Amtsgeheimnis fallen würden. Und zudem der Bozner Bauunternehmer keinerlei Profit aus den Informationen schlagen konnte, die ihm seine damalige Lebenspartnerin laufend übermittelte.
Das Gericht kommt laut Urteil aber zum gegenteiligen Schluss. Beide Angeklagte wurden sowohl wegen der Verletzung des Amtsgeheimnisses, wie auch zur Beeinflussung einer Ausschreibung zum persönlichen Profit verurteilt. Carlo Busato & Co folgen damit der Interpretation von Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante. Dieser hatte im Schlussplädoyer zweieinhalb Jahre für beide Angeklagte gefordert.
Ein Folgeprozess?
In 90 Tagen wird die schriftliche Urteilsbegründung vorliegen. Dass der Fall Tenti damit noch nicht abgeschlossen sein wird, liegt nicht nur an der wahrscheinlichen Berufung durch die Verteidiger.
Aus diesem Verfahren ist ein neues Ermittlungsverfahren entstanden. Es geht dabei um die Frage: Wer hat Katiusca Tenti von den Abhörmaßnahmen vorab informiert? Die Ermittlung befindet sich noch im Anfangsstadium und bisher wurde noch niemand in das Ermittlungsregister eingetragen.
Zudem wird auch das Land jetzt tätig werden müssen. Der Arbeitgeber von Katiusca Tentis hat ein Disziplinarverfahren gegen die ehemalige Spitzenbeamtin eingeleitet, das aber bis zur Urteilsverkündung ausgesetzt wurde. Die Landesverwaltung wird das Verfahren jetzt abschließen müssen. Dabei wird man auch eine überaus haarige Frage zu klären haben. Steht einer Beamtin eine Prämie zu, während gegen sie – wegen schwerwiegender Straftaten im Amt - ermittelt wird?
Mit der Urteilsverkündung wurde am Donnerstag ein Verfahren in erster Instanz abgeschlossen, das mit einer Eingabe des damaligen Bozner M5S-Gemeinderates Alberto Fillippi bei der Bozner Staatsanwaltschaft vor sechseinhalb Jahren begonnen hat. Sowohl Ankläger, wie auch Verteidiger schenkten sich in diesem Prozess vor dem Landesgericht dabei nichts. Es ging mehrmals in Gerichtssaal hart zur Sache.
Nach der Urteilsverkündung am Donnerstag geben sich Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante und Verteidiger Carlo Bertacchi demonstrativ die Hand.
Es ist ein Zeichen, dass man sich auch als harte Prozessgegner fair und respektvoll begegnen kann.
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Und DAS sollen Strafen sein?
Und DAS sollen Strafen sein?