Gesellschaft | Musik

Geschäftsmodell Provokation

Die Rechtsrockband Freiwild bringt jetzt ein Coveralbum mit linken Protestsongs heraus. Es ist eine bewusste Verhöhnung jener Bands, die Philipp Burger & Co kritisieren.
Freiwild
Foto: Freiwild
Man muss es Philipp Burger lassen. Der Kopf der Südtiroler Rechtsrockband hat nicht nur Sinn fürs Geschäft, sondern auch ein glückliches Händchen. 
Am Mittwochabend startete mit einer Warm Up Party das diesjährige „Alpen Flair Festival“ in Natz-Schabs. Das Spektakel ist ausverkauft. Rund 40.000 Besucherinnen und Besucher werden auf dem ehemaligen Nato-Areal in Natz vier Tage lang abrocken. Das Festival ist nicht nur – wie in der Eigendarstellung verkauft wird -  „Das Größte Volksfest Südtirols“, sondern auch längst zum lukrativen Wirtschaftfaktor für Brixen und seine Umgebung geworden. Höhepunkt der Kirmes der Deutschrocker, Biertrinker und glühenden Patrioten ist der traditionelle Auftritt von Freiwild am Samstag.
 
 
Bereits einen Tag vorher landen Freiwild aber einen weiteren Coup. Am Freitag, dem 21. Juni erscheint das neue Album der unterstrittenen Rechtsrocker. Und es ist keine normale CD, sondern ein Schachzug mit dem Philipp Burger & Co das Level der Provokation noch einmal deutlich anheben.
Denn das Album ist eine bewusste Verarschung alles jener, denen die musikalische Farbe von Freiwild zu braun ist und die deshalb die Band und vor allem ihre Texte offen kritisieren.
 

Musikalische Rache

 
Auf dem Album mit dem Titel „Unsere Lieblingslieder“ haben Burger & Co neun Songs anderer Band gecovert. Vorwiegend Songs von Bands, die aus dem links-alternativen Spektrum kommen.
So finden sich auf der Scheibe etwa „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten, Zehn kleine Jägermeister" von den Toten Hosen, „Im Ascheregen“, des deutsch-amerikanischen Rappers Casper,Schüsse in die Luft“ von Kraftclub oder „Alles auf Rausch“ der Mecklenburger Politpunkband Feine Sahne Fischfilet. Ebenso sind Song von der Düsseldorfer Punkband Broilers oder der inzwischen aufgelösten Band Jupiter Jones. 
Die gecoverten Künstler und Bands haben eines gemeinsam: Sie treten gegen Nazis und gegen Rechts auf und sie haben sich dabei alle offen auch gegen Freiwild geäußert. So habe etwa Kraftclub oder Caspar wegen Freiwild zum Echoboykott aufgerufen. Feine Sahne Fischfilet haben erklärt, dass sie auf keinem Festival auftreten würden auf dem auch die Südtiroler Rechtsrockband spielt.
Broilers-Sänger Sammy Amara antwortet in einem Interview mit der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ auf eine Frage zu Freiwild:
 
„Und die andere Band, von der du da sprichst, ist, wenn man ihre Werte beleuchtet, einfach eine rechte Band. Und wenn sie ein bisschen Eier hätten, würden sie das auch offen sagen. Hey, wir sind rechts – nicht rechtsradikal, aber rechts.“ 
 
 
Freiwild schlagen jetzt zurück, indem sie für ihr neues Album die Hits dieser Band aufgenommen haben. Das Cover des Albums ist einem Kinderliederbuch nachempfunden und lehnt sich an der Figur „Shaun, das Schaf“ an. Freiwild stellen sich dabei selbst als „Schwarzes Schaf“ dar.
Verkauft wird die Scheibe unter dem Slogan „Gute Lieder für gute Menschen“ und dem Prädikat „Pädagogisch wertvoll“.
 

Perlen deutscher Moralkultur

 
Weil sich Freiwild-Fans aber anscheinend schwer tun, die Ironie und die Hintergründe dieser musikalischen Provokation zu verstehen, hat die Band in den vergangenen Tagen auch eine lange Erklärung zum neuen Album veröffentlicht.
 
„Liebe Freunde!
Fast zwanzig Jahre sind wir jetzt auf dem Weg. Ein Weg, der für Frei.Wild von Anfang an steil nach oben führte. Kein Kritiker, der uns aufhalten konnte und keine Kollegen, die uns den Weg versperrten. Niemand, der uns diffamiert, beschimpft oder ausgegrenzt hätte.
Dieses Schicksal blieb uns Gott sei Dank erspart.
Es war also an der Zeit etwas zurückzugeben.
Wir wollten endlich etwas Wahres, Schönes, Gutes tun!
Der Gedanke daran führte uns schnell zu dem besonderen Wunsch, den wir schon lange hegen.
Also befassten wir uns konkreter mit dem Thema! Wir tauschten Ideen aus, holten uns Anregungen hier, hörten Liedbeispiele dort. Und plötzlich wurden wir sehr schnell sehr bescheiden und entschieden uns zu einem Coveralbum.
Angesichts der nun vorliegenden neun Perlen deutscher Moralkultur wäre es vermessen gewesen uns größer zu machen als wir sind und gegen diese Leuchttürme anzutreten.
Nun ist es ein Album geworden, auf dem wir „Unsere Lieblingslieder“ präsentieren. Es sind Songs unserer musikalischen und menschlichen Vorbilder! Lieder mit Botschaft! Lieder für das Gute im Menschen von guten Menschen!
Wie ihr merkt, singen wir die Lieder nach. Wir lassen sie im Original erstrahlen und interpretieren nicht! Denn diese Songs sind viel zu erhaben um sie durch unsere Eigeninterpretationen zu verwässern.
Erst ihr habt der Welt beigebracht, dass „kein Krieg für ewig ist“.
Ein anderer Aspekt des Albums ist uns aber fast genauso wichtig: Wir wollen danke sagen!
Die Hommage an die hier ausgewählten Künstler, die von Kritik und Medien in Deutschland als quasi unantastbar behandelt werden, verstehen wir auch als ein riesengroßes DANKESCHÖN!
Danke, dass ihr uns gezeigt habt, was „Wahre Werte“ sind“.
Danke, dass ihr uns lehrt, was „Rückgrat und Moral“ bedeuten.
Danke, dass wir durch Euch nun wissen, wie man „mit dem Herzen fühlt und mit den Augen sieht.“
Danke, dass wir erfahren durften, dass man alles schaffen kann, wenn man nur „zusammen und vereint“ zueinander steht.
Ihr seid unser „Sternenstaub“ „durch alle Gezeiten“ und erst ihr habt der Welt beigebracht, dass „kein Krieg für ewig ist“.
In diesem Sinne: Hört rein, lasst Euch flashen!“
 
Der Text ist ein Abrechnung mit den Freiwild-Kritikern. Gespickt mit Zitaten, die vor allem die Angesprochenen verstehen sollen. 
 

Der Opfermythos

 
Freiwild tun auch hier, das was sie am Besten können: sich als Opfer der Gutmenschen zu präsentieren. Und es ist immer die gleiche Leier: Wir gegen den Rest der Welt.
 
 
Dabei gehört Provokation seit Jahren zum Geschäftsmodell von Philipp Burger & Co. Immer wieder setzen die Brixner Deutschrocker bewusste Nadelstiche, die sie periodisch in die Schlagzeilen bringen. 
Das Album „Unsere Lieblingslieder“ ist jetzt das neueste Kapitel dieser Marketingstrategie. Dass diese Aktion ökonomisch durchaus aufgeht, zeigen die ersten Verkaufszahlen. Eine Sonder-Erstauflage des Albums von 5.000 Stück war innerhalb weniger Stunden verkauft.
Zudem treibt Philipp Burger mit gezielten Aussagen die Provokation auf die Spitze.
Gute Lieder guter Bands, gecovert von einer ,verachtenswerten‘ und ,gefährlichen‘ Band wie uns – das gab es noch nie. Wir hätten es schon viel früher tun sollen. Wir möchten einmal im Leben zu den Guten gehören, das ist uns jetzt gelungen“, spottete der Freiwild-Frontmann vergangene Woche in der Bild-Zeitung.
Auf die Frage, wie die gecoverten Bands wohl reagieren werden?, legt Burger ein Scheit nach: „Sie werden daran verdienen. Denn sie bekommen die GEMA-Einnahmen. Wir sind uns aber sicher, dass sie das durch uns eingespielte Geld für Aktionen gegen Rechts spenden und nicht auf den Kopf hauen.
Mehr Zynismus und Verachtung geht wohl kaum mehr.
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Andrea Terrigno Do., 20.06.2019 - 10:40

Zugegeben, hinter dem Konzept dieses Unternehmens steckt eine gut ausgeklügelte Marketingstrategie. Sich von "Gutmenschen" verdammen zu lassen ist eben einfacher und erfolgreicher als sich für Dialog offen zu zeigen. Ich nehme an, es hat auch mit Prägung während der Kindheit/Jugend, mit sozialer Erziehung usw. zu tun.
Konsequenterweise wird jede Kritik als Angriff auf die eigene Integrität wahrgenommen. Die eingesetzten Mittel sind Rethorik und Lautstärke, eingängige, oft ähnliche Riffs und Hooks.
Ich muss zugeben, dass ich die Musiksammlung von F.W nur oberflächlich kenne, da sie mir nicht gefällt, soundmässig (war nie ein Fan von Deutschrock wie z.B. den Onkelz) und wegen immer der selben Schiene, die gefahren wird. Muss und will ich sagen. Wenn ich etwas echt rebellisches und rockiges hören möchte, dann ziehe ich mir Motörhead rein. Auch recht kontrovers und leider nur mehr in Aufnahmen zu hören. Nirvana. Soundgarden. Masters of Reality. Jeder song eine eigene Signatur. Kann ich hier leider nicht feststellen. Einem Teil des Volkes gefällt es eben so. Peace. Während wir "schwuchteligen Normalos" eher einem Sound zusagen, bei dem der gesamte Körper resoniert und mitschwingt, beliebt es jemand anderen eben vorwiegend zu hopsen und mit dem Kopf und Oberkörper mitzuwippen. Personal taste, bittesehr, habe auch gemosht und gebangt, als ich ein teenie war.
PS. der Fehler der Intelligentia besteht in meiner Meinung darin, die mediatisch ausgetragene Pseudorebellion dieses Quartetts als Rechtsrock zu interpretieren. Es handelt sich von mir aus gesehen aber um eine wenig tolerante, egozentrische Vision der Welt, welche sehr viel Wert auf Gruppenzugehörigkeit und Zusammenhalt legt.

Do., 20.06.2019 - 10:40 Permalink
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Elisabeth Garber Do., 20.06.2019 - 11:41

Die Geschäftsidee hatte Heino auch schon - besonders kreativ und geistreich sind FreiWild also nicht. Eher naiv und verantwortungslos, in Zeiten wie diesen. Gemeint sind brandgefährliche rechts- und linksradikale Gruppierungen, die vor terroristischen Gewalttaten und Vandalismus nicht zurückschrecken.
Burger zündelt mit seinen Statements, aber ich traue ihm nicht zu, dass er und seine Freunde viel weiter denken als an eitle Rache, an das Bad in der Menge und an die Verkaufszahlen.

Do., 20.06.2019 - 11:41 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Do., 20.06.2019 - 12:04

Der Band geht die Rechnung mit ihren Provokationen stehts auf und das hauptsächlich nur weil die politisch gegenorientierte Presse promt drauf aufspringt.

Do., 20.06.2019 - 12:04 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Do., 20.06.2019 - 15:50

Antwort auf von Andreas gugger

Das glaube ich nicht. Nüchtern betrachtet bringen solche Aktionen zu einer Win-Win-Situation für beide. Die einen wollen sich als Opfer, die anderen als Gutmenschen profilieren, dabei trifft jeder auf Zustimmung des jeweiligen Publikum, die Klicks steigen und Klicks sind Geld.
Man könnte höchstens das Publikum als jenen betrachten der drauf rein fällt, aber irgendwie wollen doch die Leute ihre eigene Filterblase nicht verlassen.

Do., 20.06.2019 - 15:50 Permalink
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Manfred Klotz Do., 20.06.2019 - 18:28

Antwort auf von Pseudo Nym

Das deutsche Urheberrecht besagt, dass bereits veröffentlichte Kompositionen, deren Rechte von einer Verwertungsgesellschaft für den Urheber wahrgenommen werden, von jedermann ohne besondere Genehmigung nachgespielt oder neu aufgenommen werden dürfen, solange der Urheber angemessen an der Nutzung seines Werkes – also der Coverversion – beteiligt wird. Nur die Original-Urheber verdienen an den von der GEMA vereinnahmten Lizenzgebühren. (Dr. Richard Brunner)

Do., 20.06.2019 - 18:28 Permalink
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Manfred Klotz Fr., 21.06.2019 - 08:11

Antwort auf von Ludwig Thoma

Jetzt seien wir mal nicht so destruktiv. Mir gefällt deren Musik auch nicht, da sie für meinen Geschmack zu einfach gestrickt ist, aber es ist halt Manierismus. So muss Musik aus der Sparte, in der FW eingeordnet werden, eben klingen. Es ist ein Beispiel für eine Band, die nicht einen Stil erfindet oder prägt, sondern einen Stil für sich nutzt. Den Stil macht in diesem Fall der Verbraucher. Der Erfolg gibt FW aber zurzeit recht. Dass dabei aber auch die Texte eine Rolle spielen, die viel aussagen aber eben doch nicht und die Band diese Gratwanderung geschickt nutzt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Fr., 21.06.2019 - 08:11 Permalink
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Anton Walther So., 23.06.2019 - 22:40

Antwort auf von Manfred Klotz

... so lächerlich die „Rache“ der Frei.Wildlinge aus Brixen an ihren Kritikern auch ist, etwas Gutes hat‘s: Jetzt kann man tatsächlich hören, wie schlecht sie im Vergleich zu den gecoverten Bands spielen. Ohne rechtes Gedöns hätte nie jemand Frei.Wild bemerkt. Stellt euch FW mit nicht - „rechten“ Themen vor.... hätte nie jemand wahrgenommen.

So., 23.06.2019 - 22:40 Permalink