“Die Enttäuschung ist riesig”
Die Enttäuschung, von der Joachim Reinalter immer wieder spricht, ist in seiner Stimme deutlich zu hören. Aber auch Ärger schwingt mit, während der Bürgermeister von Percha erklärt, warum er aus der SVP austreten wird – und mit ihm die gesamte Gemeinderatsfraktion.
Am Donnerstag Abend ließen die SVPler bei der Gemeinderatssitzung die Bombe platzen: Geschlossen wollen die elf Räte ihrer Partei den Rücken kehren. Man erhebt schwere Vorwürfe. “In einer Partei, deren Exponenten ihr Wort nicht halten und ihre Leute anlügen, habe ich nichts verloren”, wird Gemeindereferent Theodor Guggenberg in den Dolomiten zitiert, die am Freitag von der Gemeinderatssitzung berichtet.
Stein des Anstoßes ist der Beschluss der Landesregierung Nr. 472 vom 11. Juni 2019. Gleich fünf Mal scheint in dem Papier, mit dem das Programm der Abteilung Tiefbau genehmigt wurde, neben der Umfahrung für Percha eine Null auf. Bis 2024 wird es vom Land kein Geld für das lang ersehnte und dringend benötigte Straßenprojekt in der kleinen Pusterer Gemeinde geben. Mit einer über zwei Kilometer langen Umfahrungsstraße soll Percha, wo an Spitzentagen im Sommer bis zu 28.000 Autos durchfahren, vom Durchzugsverkehr befreit werden.
Seit Jahren pocht die Gemeindeverwaltung, ebenso wie die Opposition in Percha und im Pustertal auf die Umsetzung. Auch, weil Landeshauptmann Arno Kompatscher bei einer Bürgerversammlung in Percha im Oktober 2015 das Jahr 2019 für den Baubeginn der Umfahrung als realistisches Ziel genannt hat. Doch man wurde immer wieder vertröstet. Die Finanzierung gestalte sich als schwierig und die Gelder müssten für andere Projekte herangezogen werden – etwa die Umfahrung von Kiens –, hieß es aus Bozen.
Ende Oktober 2018 gab es einen Lichtblick, als der Technische Landesbeirat grünes Licht für das Vorprojekt gab. Doch nun stehen die Zeichen erneut auf Stillstand – was man in der SVP-Fraktion in Percha nicht stillschweigend hinnehmen will. Vor allem vom Landeshauptmann fühlt man sich verraten, wie am Donnerstag klar wurde.
salto.bz: Herr Reinalter, warum hat die gesamte SVP-Fraktion entschieden, aus der Partei auszutreten?
Joachim Reinalter: Im Beschluss der Landesregierung haben wir lesen müssen, dass für die Umfahrungsstraße Percha bis 2024 gestrichen worden sind. Knapp 69,5 Millionen Euro waren bis 2023 dafür vorgesehen. Mit dem Beschluss vom 11. Juni wurde alles auf bis nach 2024 verschoben. Dann wird es schon eine neue Landesregierung geben. Die Enttäuschung in der Bevölkerung von Percha und natürlich auch bei den Gemeinderäten der SVP-Fraktion ist sehr groß.
Es ist ein Signal Richtung Landesregierung, aber auch Richtung Partei.
Deshalb treten Sie gleich aus der Partei aus?
Das ist das letzte Mittel, das ein kleiner Gemeindevertreter noch hat. Mit dieser Entscheidung wollen wir unserer Enttäuschung Luft machen. Denn effektiv war es uns immer anders versprochen worden – dass die entsprechenden Mittel vorgesehen werden. So waren zum Beispiel die Mittel für das Ausführungsprojekt für 2019 zugesagt worden. Laut diesem Beschluss wurde das alles gestrichen.
Und wir haben ja schon einige Male protestiert! Der Beschluss der Landesregierung, mit dem die Prioritäten für die Bauvorhaben auf den Straßen für die nächsten drei Jahre festgelegt werden, wird ja jedes Jahr getroffen. Wir haben schon 2017 dagegen protestiert, dass niemand mit uns redet, dass die Gelder verschoben werden und die Gemeinde überhaupt nicht informiert ist – dass man aus dem Internet erfahren muss, was beschlossen wird. 2018 ist genau dasselbe passiert.
Warum haben Sie nicht früher Konsequenzen gezogen?
Projekt und Gelder wurden zwar immer wieder verschoben, aber zugleich waren die Gelder im Jahresprogramm stets vorgesehen, sie wurden halt immer ein Jahr rückversetzt. Jetzt aber fasst die Landesregierung einen Beschluss, ohne mit der Gemeindeverwaltung zu sprechen, mit dem die Gelder zur Gänze gestrichen werden. Da haben wir uns gefragt: Ja, was sollen wir jetzt noch tun? Im Gemeinderat war auch die Rede davon, geschlossen zurückzutreten. Aber wir haben gesagt, für die Bevölkerung ist es sinnvoll, dass wir weiterarbeiten. Unserem Protest verleihen wir nun über den Parteiaustritt Ausdruck. So geht es nicht. Für Percha ist die Umfahrung seit 20 Jahren das wichtigste Anliegen und Projekt, für das wir uns eingesetzt haben und gerannt sind. Und jetzt werden, ohne mit uns zu reden, 100 Prozent der Gelder bis 2024 gestrichen – das ist natürlich eine Riesen Enttäuschung.
Wir haben schon einige Male protestiert! Der Parteiaustritt ist das letzte Mittel, das ein kleiner Gemeindevertreter noch hat.
Sie sagen, es wurde nicht mit Ihnen gesprochen. Haben Sie Ihrerseits das Gespräch mit der Landesregierung gesucht?
Das Problem ist ja, dass der Beschluss gefasst wurde, ohne mit uns zu reden. Aber klar, nachdem wir davon Kenntnis hatten, haben wir versucht, Gespräche zu führen, auch mit Mobilitätslandesrat Alfreider.
Mit welchem Ergebnis?
Er hat gesagt, er wird versuchen, Gelder zu finden und zu schauen, dass etwas weitergeht. Aber er hat den Gemeinderäten und Fraktionsmitgliedern nicht die nötige Zuversicht vermitteln können, dass wirklich konkret etwas weitergeht. Etwa, dass jetzt zumindest die Ausführungsplanung finanziert wird. Denn dafür hätte man in diesem Beschluss die Gelder drinnen lassen können – wenn man das gewollt hätte. Es geht ja nicht um viel, 1,5 Millionen Euro wären das gewesen – von 69,5 Millionen –, aber es ist zu 100 Prozent alles gestrichen worden!
“Politisch und persönlich enttäuscht” seien Sie, haben Sie am Donnerstag gesagt. Von wem? Nur vom Landeshauptmann bzw. der Landesregierung? Oder auch von der Bezirksfunktionären der SVP Pustertal?
Insgesamt ist unser Austritt ein Signal Richtung Landesregierung. Aber auch Richtung Partei, wo die Priorität der Umfahrungsstraße Percha unserer Meinung nach nicht entsprechend behandelt worden ist. Und wo natürlich die Unterstützung dementsprechend gefehlt hat, denn ansonsten könnte ein solcher Beschluss der Landesregierung doch nicht zustande kommen, wo man die Gelder bis 2024 zur Gänze streicht.
Bürgermeister und Gemeinderat wollen weiter arbeiten. Wie aber geht es im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen weiter, die in weniger als einem Jahr anstehen? Wird es die SVP in Percha dann noch geben?
Der Gemeinderat arbeitet bis 2020 weiter. Dann wird man dann sehen, was die Bevölkerung von Percha entscheidet, wer sich noch für die Vertretung der Gemeinde zur Verfügung stellt. Meine Wenigkeit nicht mehr.
Sie werden 2020 nicht mehr kandidieren?
Nein. Ich bin ja von Haus aus schon mandatsbeschränkt, nach 15 Jahren darf ich als Bürgermeister gar nicht mehr antreten. Aber ich werde mich auch an der Gemeinderatswahl nicht beteiligen.
Angesichts der großen Schwierigkeiten bei der Umfahrung für Percha ist ,der Frust und die Enttäuschung im Gemeinderat und in der Bevölkerung sehr groß. Denn man hat den Eindruck, die Wichtigkeit, die die Umfahrungsstraße für Percha hat, wird nicht mehr gesehen.
Ist die Entscheidung der elf SVP-Fraktionsmitglieder, aus der Partei auszutreten, endgültig?
Es geht ja um folgendes: Es braucht eine Lösung für die Umfahrung. Wir sind hier, um für die Umfahrung und für die Bevölkerung von Percha zu arbeiten. Ich glaube, jeder ist bereit, seinen Weg zu überdenken – wenn es eine konkrete Lösung gibt. Aber wenn Entscheidungen getroffen werden, die die Finanzierungen komplett streichen – was soll man da als Vertreter einer kleinen Gemeinde noch sagen? Denn da haben wir ja nicht mitreden können.
Weitere Protestaktionen sind angekündigt: ein Brief an die Landesregierung, sogar von einer Straßenblockade ist die Rede.
Ja, wir werden einen Tag abhalten, an dem wir auf dieses Verkehrsproblem hinweisen möchten. Den werden wir sicher im Laufe des Sommers organisieren. Denn das Problem erfinden wir ja nicht! Jeden August fahren täglich bis zu 28.000 Fahrzeuge durch Percha.
Ja, die Umfahrung ist
Ja, die Umfahrung ist unbedingt notwendig. Wer durchs Pustertal fährt, gerät bei Percha in ein kurvenreiches Nadelöhr. Stau vorprogrammiert. Die Lebensqualität des Dorfes ist stark beeinträchtigt. Ansonsten ein schönes Dorf, ist es gegenwärtig doch nur ein verkehrsgeplagtes Straßendorf.
Nun andere warten schon sehr
Nun andere warten schon sehr viel länger, z. B. die Passeirer bei der geplanten Umfahrung von Meran. Wenn man immer die teuersten Lösungen wählt mit Kilometer langen Tunnels, dann muss man sich nicht wundern, wenn zu wenig Geld zur Verfügung ist. Man müsste bestimmte Projekte auf ein bescheidenes und finanzierbaren Maß "zurück bauen" - zusammenstutzen. Das Land sollte endlich mehr Geld für gesellschaftlich soziale Projekte vorsehen, von denen alle was haben!
Nach ein paar Gesprächen und
Nach ein paar Gesprächen und vielen Versprechungen von Achammer & Co. werden sie in spätestens zwei Monaten wieder in die Partei eintreten. Wetten ...
Die Strategie der Umfahrungen
Die Strategie der Umfahrungen halte ich für teuer, umständlich und letztendlich eine halbgare Lösung, aber irgendwie typisch für Kompatscher/Achammer...
Es wäre vernünftiger gewesen von Anfang an auf eine Schnellstraße durch das Pustertal zu setzen, doch fairnesshalber sei erwähnt, dass wenn schon Durnwalder dies zu seiner Amtszeit hätte initiieren müssen. Nun sind bereits zu viele (extrem teure) Teilstücke entstanden, als dass es noch viel Sinn machen würde... (Durnwalder selbst hat dies als größtes „Versäumnis“ seiner Amtszeit bezeichnet).
Mit den Umfahrungen ist es doch seit jeher das gleiche... Zuerst schreit man nach einer Umfahrung, sobald diese gebaut wird entstehen neue Wohnsiedlungen an der Umfahrung und dann wird wieder nach Umfahrung geschrien...