Dass diese herrliche, an
Dass diese herrliche, an Tarantino erinnernde Abhandlung (um ehrlich zu sein, anfangs an Coens Fargo) mit einem Zitat ebendesselben schließt - konsequent genial!
Puh, es gäbe ja einiges zu anzusprechen dieser Tage, trotz Sommerloch. Wieso es den Schützen so schwerfällt, ihre Männlichkeit am Kirchenportal abzugeben, zum Beispiel. Oder die Symbolkraft und kunstgeschichtliche Bedeutung des weinroten Samthemdes, in dem LH Arno Kompatscher bei Giorgio Moroder abdancte. Auch das neu erwachte Interesse der Dolo an sommerlicher Schuhmode für Frauen wäre einen Artikel wert: Entblödet sich das Tagblatt doch nicht, die weiblichen Landtagsabgeordneten einem Schuh-Check zu unterziehen und auf nackte Zehen zu inspizieren. Im Zug nach Innsbruck war eine Zeitlang übrigens ein sehr an weiblichen Füßen interessierter Herr unterwegs, der dasselbe machte, bis ihn irgendwann die Bahnpolizei mitnahm. Just saying.
Jedenfalls scheint die Dolo großen Wert auf Stil und Anstand zu legen, sich selbst aber nur bedingt daran zu halten. Wie ließe sich sonst die „Der Wolf“-Beilage des Bauernbundes erklären, die den werten Lesern und Leserinnen ohne Vorwarnung an den Frühstückstisch geschmuggelt wurde? Da macht man arglos die Zeitung auf, „Wer ischn gstorbn?“ oder „Gib mir mol in Sport!“, der Junior angelt vielleicht nichtsahnend nach der Kinderseite – und im nächsten Moment ist sein Leben nicht mehr so, wie es vorher war. Danke, Dolomiten. Danke, Bauernbund. Wie viele zerstörte Kinderseelen und nur halb verzehrte Frühstücksbrötchen ihr seit dem 13. Juli auf dem Gewissen habt, ich will es nicht wissen.
Wie tief kann man sinken, auf eine derartig widerwärtige Weise Stimmung gegen ein Tier zu machen, wohl in der Hoffnung, dass solchermaßen aufgehetzte Nutztierfreunde sogleich nach der Büchs‘ greifen, um dem Monster Wolf eigenhändig den Garaus zu machen?
Meine Frau Mama brachte mir das Gruselblatt auf Nachfrage, verstohlen wie ein Kokslieferant kramte sie es aus ihrer Handtasche und legte es in einem unbeobachteten Moment ganz oben auf ein Regal, „Weg von die Kinder!“ zischend. Ich winkte ab. Sie unterschätzte die pragmatische Kaltblütigkeit meines Nachwuchses, der wohl bedauert, dass das Schweindl für die Wurst hat sterben müssen, aber dann doch beherzt hineinbeißen und dabei Bauernhofbücher anschauen kann. Bei einer genaueren Inspektion des Machwerks blieb mir dann aber tatsächlich die Spucke weg, beziehungsweise, selbige plus Mageninhalt wollten beinahe den Weg retour machen angesichts der zahlreichen, großformatig abgebildeten bluttriefenden Kadaver, die offenkundig nach dem Kriterium ihres Ekelfaktors ausgewählt worden waren (und nicht etwa nach ihrer Authentizität). Wer kommt auf so eine Idee? Wie tief kann man sinken, auf eine derartig widerwärtige Weise Stimmung gegen ein Tier zu machen, wohl in der Hoffnung, dass solchermaßen aufgehetzte Nutztierfreunde sogleich nach der Büchs‘ greifen, um dem Monster Wolf eigenhändig den Garaus zu machen? Es ist grässlich anzusehen, und die Tiere sind zu bedauern, aber das ist keine Informationskampagne, sondern eine Hetzkampagne auf unterstem Niveau. Mir kommen Berichte von aus der Haft entlassenen Straftätern in den Sinn, die ihre Wohnungen nicht verlassen können, weil sich davor der Mob mit Fackeln verschanzt hat und geifernd Flugzettel mit Gruselfotos austeilt, auf denen steht: Nicht in unserer Nachbarschaft! Nochmal: Das Problem „Wolf“ wird nicht damit gelöst, dass die Bevölkerung in Angst und Panik versetzt wird.
Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner, der die Beilage übrigens als „seriös“ bezeichnet (ohne Frage muss er die „BILD“-Zeitung folgerichtig für die seriöseste aller Publikationen halten), begründet das Abdrucken der Schockbilder folgendermaßen: „Das ist die Realität! Wir brauchen nichts schönzufärben.“ . Nein, blutrot zu färben aber auch nicht, Herr Rinner. Eine Aufzählung der nachweislich zuletzt vom Wolf gerissenen Nutztiere hätte es auch getan, ist aber freilich nicht so effektvoll. Ich vermisse ja den Starschnitt in der Heftmitte, „gerissenes Mutterschaf samt aus dem Leib gezerrten und zerfleischten Ungeborenem, mit Gedärmen garniert“, aber das war dann wohl drucktechnisch zu aufwändig. Nicht auszudenken, was man mit dem Geld, das diese Ekel-Beilage gekostet hat, sonst so finanzieren hätte können. Aber vielleicht sieht sich der Bauernbund jetzt ja ganz Wikileaks-mäßig einfach als Aufklärer und präsentiert dem verweichlichten Volk in Zukunft regelmäßig schonungslos und ohne Rücksicht auf Grenzen des guten Geschmacks „die Realität“. Was Spritzmittel so anrichten können, beispielsweise (großflächige farbenprächtige Bilder von Hautausschlägen und Tumoren kommen sicher gut), oder welche Gefahren die Arbeit in der Landwirtschaft birgt (zerquetschter Altbauer unterm Traktor in Nahaufnahme, zerfledderte Hand blutsprudelnd frisch aus der Häckselmaschine geborgen, usw.) Dient auch alles der Sicherheit der Bevölkerung. Pietätslos, abstoßend, reißerisch finden Sie? Sie haben recht. Genau wie dieses Wolf-Heftl.
Jedenfalls hat „Frei.Wild“-„Sänger“ Philipp Burger den Jungbauern und –bäuerinnen ein Lied zum 50jährigen Bestehen "komponiert". Bestimmt trifft es ganz genau den Gusto der Jungbauern, sonst hätte man ja auch Opas Diandl oder Max von Milland oder andere weniger umstrittene und talentiertere Musiker fragen können, und bestätigt somit leider die allerschlimmsten Vorurteile, die man über die Bauernjugend haben kann.
Mit dem Wolf hat’s ja auch die Bauernjugend, genauer mit dem im Schafspelz (oder ist’s doch das Schaf im Wolfspelz?) Jedenfalls hat „Frei.Wild“-„Sänger“ Philipp Burger den Jungbauern und –bäuerinnen ein Lied zum 50jährigen Bestehen „komponiert“ und der Effekt ist nicht ganz so heftig wie der der oben genannten Beilage, aber doch bemerkenswert. „Wir wir wir san die Bauernjugend“ beginnt das Oeuvre schon mal unentschlossen im Dialekt/Hochdeutsch-Mischmasch um dann in der Schriftsprache fortzufahren, wenn diese auch nur schwerlich als die Sprache Goethes auszumachen ist, und Perlen des Songwritings wie „Bauernschaft ist eine Leidenschaftskultur“ enthält (aus der SBJ-Broschüre abgekupfert?). Leiden schaffen dann auch kreative Burgersche Wortneuschöpfungen wie „Landschaftsschönherrichter“ oder Zeilen wie „weil unser Herzschlag dafür schlägt“ (Ja, was soll er auch sonst machen, der Herzschlag). Wie gewohnt knödelt und gröhlt Maestro Burger passenderweise, als wäre er im Begriff in der Mistlege zu versinken oder hätte den Speck in den falschen Schlund bekommen – aber was soll diese Gehässigkeit, mir muss es ja nicht gefallen. Bestimmt trifft es ganz genau den Gusto der Jungbauern, sonst hätte man ja auch Opas Diandl oder Max von Milland oder andere weniger umstrittene (und talentiertere, sorry ) Musiker fragen können, und bestätigt somit leider die allerschlimmsten Vorurteile, die man über die Bauernjugend haben kann. Im Video dazu wird ein bissl gearbeitet, recht viel gepippelt, und dann rocken Jungbäuerinnen (?) im Dirndl dazu ab, von denen ich mich frage: Merkt ihr, dass ihr im Lied höchstens mitgemeint seid, weil explizit die Rede ist von euch Frauen nie? Wisst ihr, dass im „Frei.Wild“-Song „Südtirol“ (aka „Ja unser Heimatland, es ist so wunderschön/Das kann man auch an unsren Bergen sehn“) sehr wohl von „Söhnen“, „Brüdern“, „Vätern“ die Rede ist, aber Frau gibt‘s dort offenbar keine? Für euch auch okay, dass ihr als Bandmitglied bei „Frei.Wild“ „niemals“ eine Chance hättet, weil „Da Regelbeschwerden, da eine Schwangerschaft."
Das macht man bei cooler Musik. Nicht bei etwas, das klingt wie ein b‘soffenes Jungscharlied.
Aber stört euch wahrscheinlich eh nicht. Hauptsache laut und man kann gut mitgrölen. Dem jungen Herrn, der im Video dann allerdings ungelenk einen Tanzmove aus „Pulp Fiction“ einsetzt, ihn möchte man behutsam an der Hand nehmen und sagen: Nein. Das macht man bei cooler Musik. Nicht bei etwas, das klingt wie ein b‘soffenes Jungscharlied.
Dass diese herrliche, an Tarantino erinnernde Abhandlung (um ehrlich zu sein, anfangs an Coens Fargo) mit einem Zitat ebendesselben schließt - konsequent genial!