Nur Bäume pflanzen genügt nicht!
Inzwischen wird allgemein anerkannt, dass es den (auch) von Menschen gemachten Klimawandel gibt. In der Bewertung des Phänomens gibt es sehr verschiedene Meinungen, z. B. Björn Lomborg (CO2 steht für Wohlstand, hat uns aus der Armut geholt). Auch in der Frage, welche Maßnahmen die wirkungsvollsten sind, gehen die Meinungen sehr auseinander: Die jungen Klimaschützer wollen kein Fleisch mehr essen und nicht mehr fliegen. Andere glauben, es genügt viele neue Bäume zu anzupflanzen und zwar in Afrika, denn bei uns gibt es keinen Platz mehr!
Ich habe Marc Zebisch, Sachverständiger in Sachen Auswirkungen des Klimawandels, Institutsleiter bei Eurac Research in Bozen, um seine Einschätzung und seine Vorschläge gefragt bezüglich, was in Südtirol zu tun wäre und was möglich ist? (Schriftliches Interview)
Marc Zebisch: Vielleicht erst mal die wichtigste Information, was zu tun ist, und warum es zu tun ist:
Im Dezember 2015 haben über 190 Staaten die völkerrechtsverbindlichen Pariser Klimaverträgen unterschrieben. Darin verpflichten sie sich, die Erderwärmung deutlich unter 2°C, besser unter 1,5° zu halten. Nur so können potentielle massive Schäden für die Menschheit und die Ökosysteme vermieden werden. Die Referenz sind dabei die vorindustriellen Temperaturen. Da sich die Erde in den letzten 150 Jahren schon um 1,1°C erwärmt hat blieben uns also nur noch 0.4°C.
Wie können wir dieses Ziel erreichen?
Nach Berechnungen des UN-Klimarats können wir die Erwärmung nur unter 1,5°C halten, wenn wir spätestens bis 2050, besser aber bereits bis 2030 die Treibhausgasemissionen auf Netto Null reduzieren.
Das heißt also, wir müssen in den nächsten 10 – 20 Jahren überall auf der Welt und in allen Sektoren die Emissionen auf Null senken, also „klimaneutral“ werden! Das ist mehr als eine Jahrhundertaufgabe.
Entsprechend lautet die Aufgabe auch für Südtirol: Klimaneutralität in den nächsten 10-20 Jahren in allen Bereichen. Entsprechend müssen wir einfach alle Möglichkeiten zur Senkung der Emissionen angehen: Reduktion der Emissionen, Senkung des Energiebedarfs, Kohlenstoffspeicherung. Die Maßnahmen werden technische, innovative Lösungen (z.B. Solarzellen) genauso umfassen müssen wie eine Reduktion des Konsums (z.B. Fleisch, Individualverkehr, Import, …)
Die frühere Greenpeace-Aktivistin/-Chefin und Umweltministerin in Niedersachsen Monika Griefahn sieht mittlerweile im Kreuzfahrt- und Flugverkehr kein großes Problem: es genüge viele Bäume zu pflanzen. Dabei hat sie auch Anhänger bei den Südtiroler Politikern. Ist es so einfach?
Nein, so einfach ist es leider überhaupt nicht. Es gab dieses Jahr eine Studie die errechnet hat, dass wenn man alle Flächen, die weltweit für Aufforstungen zur Verfügung stehen auch tatsächlich aufforsten würde, die Treibhausgaskonzentration fast wieder auf das vorindustrielle Maß senken könnte. Erstmal gibt auch diese Studie zu bedenken, dass eine Aufforstung in einem solchen Maß (betroffen wäre eine Fläche ungefähr so groß wie die USA) in so kurzer Zeit weder durchführbar noch finanzierbar wäre. Außerdem macht diese Studie einige Fehlannahmen, die das Potential für eine CO2 Speicherung übertreibt. Hinzu kommt, dass Bäume per se leider keine „Pumpe“ sind, die ständig der Atmosphäre CO2 entziehen. Sie können der Atmosphäre nur in ihrer Wachstumsphase CO2 entziehen, dass sie dann in Form von Holz und anderer Biomasse einlagern. Ist der Baum, oder ein ganzer Wald „erwachsen“ entzieht er der Atmosphäre kein weiteres CO2. Sobald der Baum stirbt und verrottet wird dieses CO2 wieder freigegeben.
Aufforstungen können als flankierende Maßnahmen zum Klimaschutz beitragen, in dem sie uns Zeit schenken uns um das Wesentlich zu kümmern: Die Treibhausgasemissionen auf Null zu senken.
Dazu müssen alle Sektoren beitragen. In Südtirol sind die Sektoren, die am meisten zu Treibhausgasemissionen beitragen der Verkehr, der Gebäudebereich (Heizen) und die Landwirtschaft. In diese Bereiche muss entsprechend die größte Anstrengung zur vollständigen Reduktion der Emissionen gesteckt werden.
Ich habe bezüglich Südtirol eine verrückte und provokative Idee: Man sollte die alten Etsch-Möser und Sümpfe wieder renaturieren. Man müsste nur die Gräben, welche die Feuchtgebiete entwässern, zuschütten, Auwald-Bäume pflanzen und der Etsch die Möglichkeit geben, die Gebiete bei Hochwasser zu überfluten. Dadurch würde man eine Monokultur in wertvolle Natur umwandeln mit vielen Insekten, Vögeln, Rotwild, usw.
Das ist erstmal eine interessante Idee. Ich habe diese Frage mit meinem Kollegen Georg Niedrist besprochen, der bei uns Experte für Landwirtschaft und Klimawandel ist. Wahr ist, dass gesunde Moore eine der wenigen natürlichen Kohlenstoffsenken sind, die tatsächlich konstant Kohlenstoff speichern. So sind ja vor Millionen von Jahren die Kohle- und Erdöl- und Erdgasvorkommen entstanden. Darum ist prinzipiell die Renaturierung von Mooren ein Beitrag zum Klimaschutz.
Wie hoch das Potential für eine Renaturierung in Südtirol ist, kann ich nicht einschätzen. Zum einen sind diese Flächen schon sehr lange entwässert und die Böden mineralisiert, was eine Renaturierung fast unmöglich macht, zum anderen ist natürlich mit dem Apfelanbau eine hohe Wertschöpfung verbunden. Aber es wäre sicher interessant, in Südtirol Flächen ausfindig zu machen, die sich für ein Renaturierung eigenen. Der Kompensationseffekt wird sich allerdings in Grenzen halten und kann bestenfalls ergänzen, stellt aber keine Alternative zur Senkung der Emissionen dar.
In den höheren alpinen Zonen könnte man auf jenem Gelände, die sich für die Beweidung schlecht eignen, Latschenkiefern, Zirben, Lärchen, vielleicht auch Laubbäume (Ahorn, Eberesche, hochalpine Busch-Erlen) pflanzen und in der Anfangsphase pflegen.
Der Wald holt sich sein Terrain in den höheren Lagen ja schon selber zurück. Vor allem füllt der Wald von alleine die Lücken die durch Aufgabe von Weideland entstanden sind. Auch ein Waldumbau findet schon statt. Das Amt für Forstplanung ist hier sehr engagiert nur noch Baumarten zu fördern, die fit für das zukünftige Klima sind.
Was bringt konkret, wenn man kein Fleisch mehr isst? Muß sich auch die Hotelerie und Gastronomie auf Alternativen zu Fleisch umstellen. Die Milchkühe brauchen Kraftfutter, das auch viel Soja enthält, das man ersetzen müsste um indirekt wie beim Fleischkonsum die Abholzung des Regenwaldes zu stoppen?
Der Verzicht auf Fleisch, oder zumindest die drastische Reduzierung kann durchaus unsere Emissionen um ca. 10-15% senken. Die Fleischwirtschaft, und in abgeschwächter Form auch die Milchwirtschaft tragen über mehrere Effekte zum Klimawandel bei. Zum einen erzeugen Kühe als Wiederkäuer durch die Verdauung Methan, dass pro Molekül eine mehr als 20 mal stärkere Treibhauswirkung hat als CO2. Dann werden Kühe in der Regel mit Kraftfutter zugefüttert. Vor allem für den Anbau von Soja werden im Amazonsgebiet Wälder gerodet, dadurch entstehen Emissionen. Die Felder werden gedüngt, dadurch entsteht Lachgas, ein weiteres Treibhausgas, die Futtermittel werden mit dem Schiff zu uns verschifft, dabei entstehen weitere Treibhausgase. Also ja, ein Verzicht auf Fleisch oder zumindest eine deutliche Reduktion würden zum Klimaschutz beitragen. Aber eben auch hier gilt: Das sollte eine Maßnahme sein, aber ein Langstreckenflug trägt mehr zu meinen Emissionen bei, als ein ganze Jahr Verzicht auf Fleisch einspart.
Besten Dank Marc Zebisch für diese ausführlichen Antworten und Hernn Georg Niedrist für die Mitarbeit!
Ich hätte einen Vorschlag:
Ich hätte einen Vorschlag: Keine neuen Bauzonen mehr ausschreiben und einen Bettenstop einführen. Die Baubranche ist einer der großen CO2-Emittenten. Den sog. "Baustrom" abschaffen, der zu reduzierten Preisen zur Verfügung gestellt wird.
Als weitere Möglichkeit wäre es den Autoverkehr in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck zu reduzieren und den öffentlichen Verkehr weiter ausbauen, so dass man auch abends überall hinkommt und zurück.
Die Kosten der
Gratuliere zu deiner Initiative, Sepp! Einverstanden, dass Bäume nicht automatisch eine CO2-Pumpe sind, die diese Emissionen aus der Luft fressen, einverstanden auch dass Moore funktionierende CO2- Senken sind. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass jegliche Wald- wie- Wiesen – Ackerböden durch eine gesunde Humusschicht ein gewaltiges Potential hätten als CO2-Senken. Hätten! Wenn sie nicht permanent auch durch die Pflanzenschutzmittel degradiert würden. Siehe dazu https://www.weltagrarbericht.de/index.php?id=3209&L=0 sowie im selben Artikel das geschätzte Ausmaß der jährlichen Schäden:
Die Kosten der Bodendegradation belaufen sich weltweit auf 6,3 bis 10,6 Billionen US-Dollar jährlich - etwa 10 bis 17% der Weltwirtschaftsleistung. Denn die Bodenzerstörung verursacht Verluste an Ökosystemleistungen durch Landressourcen, z.B. für die Lebensmittelproduktion, Nährstoffkreisläufe und Wasserfiltration oder für das Klima aufgrund der Bedeutung von Böden als Kohlenstoffsenke.
(http://www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Weltagr…)
Antwort auf Die Kosten der von Klaus Griesser
Ich habe einige mündliche
Ich habe einige mündliche Stellungnahmen erhalten, die der Meinung sind, dass es in Südtirol eigentlich schon viel Wald gibt, oder dass die Etschmöser schon so verseucht sind, dass es nicht so leicht wäre, sie wieder zu nachhaltigen Auwäldern zurück zu führen.
Ein großes Problem sei aber, dass Südtirols Wald durch stückchenweises Roden und Kultivieren z. B. für Rebflächen, für touristische Zonen (Wald- oder Baumhotels, Pisten usw.), Gewerbezonen, Infrastrukturen, dauernd reduziert wird. Aktuelles Beispiel Auwaldrodung im Pustertal!
Was mir aber noch niemand erklären konnte ist, wo die Millionen Bäume in Afrika gepflanzt werden sollten? Dort wo sich die Wüste ausbreitet? Auf bereits genutzten Flächen werden die Betroffenen wohl auch etwas dagegen haben! Oder wollen die Europäer wieder als Kolonial-Mächte oder wie aktuell die Chinesen in Afrika auftreten?