E-Mountainbike-Verkehr regeln
Vermutlich streben SBB, Gemeinden und Tourismusvereine Projekte nach dem Modell der Tiroler Lösung MTB 2.0 an. Mit dem Mit dem "Mountainbike Modell 2.0" hat das Bundesland Tirol ein Konzept erarbeitet, um MTB trotz bestehendem Bundes-Forstgesetz punktuell zu legalisieren. Dort übernehmen Gemeinden mit finanzieller Unterstützung des Landes und einzelne Tourismusverbände die Haftung für Unfälle und die Wegehalter (Grundbesitzer, Bauern) werden für die Nutzung vergütet. Grundbesitzer bekommen eine Entschädigung für die Freigabe von MTB-Routen und Singletrails – bis zu 25 Cent pro Jahr und Meter. Heute schon fließt in Tirol über diese Regelung 350.000 Euro jährlich vom Tourismus an die Landwirtschaft. Die Pisten werden nach zentralen Richtlinien beschildert, erfasst und beworben. Das kanalisiert die Biker-Ströme. Gleichzeitig profitiert der Tourismus vom wachsenden Streckenangebot. Das Modell ist ein Erfolg und wird in ähnlicher Form auch anderswo in Österreich angewandt.
Doch der große Unterschied zwischen Nord- und Südtirol ist das in ganz Österreich geltende grundsätzliche Verbot der freien Nutzung von Wanderwegen durch MTB, überhaupt von Radfahren im Wald. Die für MTB erlaubten Strecken werden ausgewiesen und gekennzeichnet und die Haftung geregelt. Das Fahren außerhalb der ausgewiesenen Strecken ist illegal. In Südtirol ist das Radfahren auf Wanderwegen hingegen grundsätzlich frei. Darin steckt ein wachsendes Problem. Denn MTB und vor allem Elektromountainbikes (E-MTB) ist die neue Trendsportart schlechthin in den Alpen. 720.000 E-Bikes (davon 21,5% E-MTB) sind im Vorjahr in Deutschland verkauft worden. Für heuer schätzt man den Umsatz auf 800.000 bis 900.000 E-Bikes. Während es in Nordtirol und im Trentino schon spezielle Regeln für die Wegenutzung durch MTB gibt, ist man in Südtirol liberal: auf den allermeisten Wegen ist die gemischte Nutzung durch Mountainbiker und Wanderer erlaubt, zum Leidwesen der Letzteren.
In Südtirol wird dieses Phänomen zusätzlich potenziert durch den schon überentwickelten Tourismus. Da unsere Nachbarregionen Trentino und das Bundesland Tirol (sowie Österreich insgesamt) das Mountainbiken rechtzeitig reguliert haben, wird Südtirol von unzähligen Mountainbikern mit und ohne Strom als Ausweich-Eldorado betrachtet. Verschiedene Gebiete Südtirols bewerben sich dem Trend entsprechend aggressiv als MTB- und E-MTB-Destinationen auch in Verbindung mit neuen Dienstleistungen (Shuttlebusse, Seilbahnen usw.), zum Nachteil jener Gäste, die Südtirol als Wanderparadies schätzen. Dabei steht unser Berggebiet heute schon unter einem hohen Nutzungsdruck durch Freizeitsport, Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Verkehrswege, Jagd.
Das wird nicht lange gut gehen. Man muss nicht schon mal als Wanderer neben einer Gruppe von 20 E-MTB die Romantik der Stoanernen Mandln genossen haben oder vor der Payerhütte E-MTB über den Weg gelaufen sein oder auf einem anderen Weg fast überfahren worden sein, um zu ahnen: bloße Appelle zum rücksichtsvollen Miteinander von Wanderern und Radfahrers auf engen Bergwegen sind zu wenig. Die ungeregelte Mehrfachnutzung der Wanderwege ist spätestens seit Einsetzen der E-MTB-Welle eine Illusion. Die Bürgermeister können zwar für bestimmte Wege ein MTB-Fahrverbot aussprechen, doch unter dem Druck der Tourismuswirtschaft werden sie das selten tun. Man braucht nur in MTB-Führer aus deutschen Sportverlagen oder in Fachzeitschriften zu blättern, wo Südtirol immer wieder angepriesen wird, um abzuschätzen: es wird bald ungemütlich eng werden auf unseren Wanderwegen.
Eine landesweite Regelung über punktuelle Vereinbarungen zwischen Seilbahnbetreibern, Tourismusvereinen und Bauern hinaus wird somit auf der Agenda des neuen Landtags stehen müssen. Und wenn dabei das Konzept MTB 2.0 der Tiroler Landesregierung Pate stehen sollte, dann müssten auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Dazu gehört eine Grundsatzregelung. Außerdem: wenn Tourismuswirtschaft und Bauern Nutzungsvereinbarungen für MTB treffen, dann hätten zumindest für den hochalpinen Raum, ein öffentliches Gut, auch das Land, die Umweltverbände und der AVS mitzureden. Dafür wäre es nicht schlecht, wenn sich die noch schweigende Mehrheit der Wanderer zu Wort meldete und die Wanderwege für die naturverträgliche, nicht motorisierte Nutzung zurückforderte, für die sie eigentlich angelegt wurden und geeignet sind: fürs Wandern.
Wie meistens bei Thomas
Wie meistens bei Thomas Benedikter: sachlich, klar strukturiert und dokumentiert. Besser kann man das Thema nicht auf den Punkt bringen. Mein volles Einverständnis.
Ich bin bekennender
Ich bin bekennender Bergradler. Meine Grundregel lautet, die Wanderer haben Vorfahrt. Meine Radfreude fahren auch so und ich muss sagen, dass ich meistens von den Wanderern nur Komplimente bekomme. Aber es gibt einzelne Wanderer, die sofort Drauflosschimpfen, wenn sie einen Radfahrer sehen und das ist schade. Nur für die Chronik: Noch vor 200 Jahren ging kein Mensch auf die Berge, erst im 19.Jh hat sich das Bergsteigen als Sport entwickelt und es wurden auch neue Wege angelegt, aber wieso die Wege für immer nur für Wanderer reserviert sein sollen, wenn im 20. Jh eine zweite Sportart dazugekommen ist, sehe ich ehrlich gesagt nicht ein.
Wieso bringen die Seilbahnen Räder nach oben, wenn man die Radler nicht auf den Wegen haben will? Wieso bewirbt man Südtirol als MTB Paradies, wenn die Radfahrer nicht auf die Berge sollen? Sollte man nicht auch den Tourismus reglementieren?
Ich halte Toleranz immer noch für die beste Lösung.
Antwort auf Ich bin bekennender von elmar gobbi
Die (Berg)-Wanderer gingen
Die (Berg)-Wanderer gingen/gehen entweder auf Wegen und Steigen, die von Bauern, Jägern oder auch von Tieren ausgetrampelt worden waren. In Grenzgebieten hat auch das Militär Wege und "mulatiere" angelegt. Mit dem Beginn des Bergtourismus haben der deutsche und der österreichische Alpenverein sogenannte Touristenwege von Hütte zu Hütte oder ins Tal gebaut. Seit hundert Jahren machen das die hiesigen Alpenvereinssektionen.
Die Bergradler müssen sich halt auch organisieren und sich ihre Strukturen schaffen, wenn ihnen die Forstwege nicht ausreichen. Man darf nicht immer nur von den anderen erwarten!
Antwort auf Ich bin bekennender von elmar gobbi
Auch im Strassenverkehr
Auch im Strassenverkehr reichte Toleranz irgendwann nicht mehr aus, und es brauchte Regeln, Gebote, Verbote. Zudem ist es heutzutage mit der Toleranz unter den Menschen zu oft nicht mehr weit her, als dass man sich auf diese wirklich verlassen könnte.
Antwort auf Auch im Strassenverkehr von Peter Gasser
Seit immer mehr Mountain
Seit immer mehr Mountain-Biker sogar wurzelige Waldwege befahren (grossteils das Gefaehrt schieben müssen, aber halt doch ihre Geschicklichkeit testen wollen?) u. telefonierende 'Naturgeniesser' in der heilsamen Natur gehend oder sitzend an zu treffen sind (geschweige denn motorisierte!) ist mir die Wanderlust gründlich vergangen. Nur so eine Feststellung. Aus meinem Kommentar ergibt sich, dass ich für eine sehr intolerante Regelung wäre...