Politik | Wahlwerbung

Widmannsche Kreativität

Thomas Widmann weiß, wie man WählerInnen anspricht. Mit Kochbüchern, Abo-Plus Briefen und einer Wirtschaftspost. Gelder werden gekonnt eingesetzt, auf welche Kosten?

In Zeiten der knappen Parteikassen greifen die KandidatInnen zu listigen, kulinarischen und verkehrstechnischen Mitteln um attraktiv zu bleiben. Landesrat Widmanns 1. Streich nennt sich „Wirtschaftreport“. 24-Seiten stark das Blatt, zweisprachig, herausgegeben Mitte September von Thomas Widmann. Oder besser „seinem“ Ressort für Handwerk, Industrie, Handel, Dienstleistungen und Tourismus. Gekonnt führt der Noch-Landesrat durch seine Ära von 2009 bis 2013. Stolz zeigt er auf: „Welche Akzente für die Südtiroler Wirtschaft gesetzt wurden.“

Wahlkampfaktion vom Feinsten, eine „Übersicht umgesetzter Maßnahmen“ wird dargelegt, Widmann fischt im breiten Becken der Wirtschaftstreibenden und Touristiker. „Export Offensive trägt Früchte“ heißt es oder „wir müssen mit dem kostbaren Gut so sorgsam wie möglich umgehen“, lässt das Ressort schreiben und meint: „Knappe Ressource Südtirol“. Vergessen die vielen (von wem ausgewiesenen? und nie benutzten) leerstehenden Hallen in den Südtiroler Industriezonen.  „Jährlich fünf Millionen Euro, werden für die Filmförderung zur Verfügung gestellt werden“, denn Filmförderung heißt Standortförderung. Indes steigt die Altersarbeitslosigkeit im Land, Jugendliche blicken ihrer Zukunft besorgt entgegen, Frauen stehen immer noch im Abseits, arbeiten Teilzeit für weniger Lohn und weniger Rente.

Der Sonntag in Pflersch
Doch der Transportler mit „gutem Ballaufschlag“ wie Boris Becker vergangenes Wochenende verlauten ließ, hat auch andere Ideen. Senioren sind eine gute Wahlklientel, sie kochen gern und benützen öffentlichen Verkehrsmittel. Aufmarsch der SVP-KandidatInnen im Pflerscher Vereinshaus am Sonntag, 29. September. Unter anderem mit dabei, Landesrat Thomas Widmann. Sein reich mit Familienfotos bebildertes Wahlkochbuch verteilt er gerne: „Zu Tisch bei den Widmanns – Rezepte einer Südtiroler Familie“ weckt Nostalgie. Mama Widmann schreibt das Vorwort: „Meine lieben Kinder,“...so die Anrede, „Eure Mama“, die Unterschrift. Rezeptvorschläge finden sich reichlich - Spagetti mit Zucchini etwa, Apfelrisotto, oder ein überbackenes Schweinesfilet, als Dessert eine kalte Creme zu den Keksen. „Thomas war immer aktiv und hatte viele Freunde, zum essen aber wenig Zeit“, schreibt die alte Dame. Was tut frau nicht alles für ihre Kinder?

Mobile Senioren-WählerInnen

Mobil ist Widmann und beweist Werbeumtriebigkeit wie immer im Schienenbereich. Bürgerversammlung in Innichen zur Vorstellung des neuen Bahnhofs, Schischaukel Sexten flirtet mit Zugverbindung, und - „Freie Fahrt für Bus und Bahn für alle ab 70." Damit warb der Verkehrslandesrat schon Mitte September. Senioren, die im Jahr 2014 ihren 70. Geburtstag feiern, bekommen einen zweiseitigen Brief aus der Abteilung Mobilität. „Wir wünschen Ihnen viel Freude mit dem neuen Abonnement“, so schließt der Brief, „Thomas Widmann“, so unterzeichnet der Landesrat. Seine Pflichten nimmt er ernst, „Die Gültigkeit ihres Führerscheins läuft ab.“ Thomas Widmann erinnert nicht nur SeniorInnen an ihr Alter, sondern bittet jene SüdtirolerInnen, die dieses Jahr ihren Führerschein erneuern müssen. Bitte vergesst den Besuch beim „Hygiene Arzt ihres Sprengels“ nicht.  Der Landesrat für Mobilität lässt grüssen.

Bislang hatte Widmann Glück, keine Anklage während des Wahlkampfes. Formell wird gegen den Landesrat wegen "Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechung ermittelt", schreibt die Südtiroler Tageszeitung am 1. August 2013. Es geht um Immobiliengeschäfte und Weingüter. Freunde hatte Thomas Widmann schon immer viele, Mama Widmann weiß das. Sie haben ihm stets gern geholfen. Doch jemand ist abtrünnig geworden: Der HGV lässt Widmann im Regen stehen, Hansi Pichler heißt der neue Hit. Die HGV-Medien scheinen den Touristik-Landesrat vergessen zu haben, deshalb also, lässt er sich so viele wunderbare Aktionen einfallen. Widmann hält es mit Oscar Wilde: "Das einzige was schlimmer ist, als dass über einen geredet wird, ist, dass gar nicht über einen geredet wird."

"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt's sich völlig ungeniert." Wäre ja ok, wenn's nur nicht auf Kosten der Steuerzahler wäre, sehr geehrter Herr Landesrat!

Mo., 30.09.2013 - 16:39 Permalink