Grenzstein Brenner
Foto: STF
Politik | Brennergrenze

Die Unrechtsgrenze

In einer "aufsehenerregenden Aktion" hat die Südtiroler Freiheit einen Plastiksack über den Grenzstein am Brenner gestülpt – ein Akt patriotischer Volksverdummung.
Der blonde und urdeutsche Uniformträger der Südtiroler Freiheit hat eine neue Heldentat vollbracht, die er auf der Webseite seiner Partei als "aufsehenerregende Aktion" zelebriert. Im Schutz der Dunkelheit gelang es ihm, die schussbereiten Grenzer zu überlisten und einen  blauen Plastiksack über den Grenzstein aus dem Jahre 1919 zu stülpen. Dass Sven Knoll und seine Kampfgefährten bei dieser brandgefährlichen Aktion einige Fehler unterliefen, ist verständlich. So klebten sie etwa in der Hitze des Gefechts die Aufschrift "Sondermüll" auf den 100 Jahre alten Grenzstein aus weissem Marmor statt auf den mitgebrachten Plastiksack. "Weg mit den Unrechtsgrenzen im vereinten Europa",  lautet die Forderung. Gut möglich, dass die aufregende Nähe der Unrechtsgrenze einiges an Verwirrung verursacht.
 
Denn es ist über 20 Jahre her, seit die damaligen Aussenminister Giorgio Napolitano und Karl Schlögl am 1. April 1998 unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen die Grenzbalken am Brenner beseitigten und die Schengen-Ära einleiteten.  
 
 
Und keinem der Millionen Autofahrer, die über die Grenze reisen, fällt der Grenzstein am Strassenrand auf, den die Südtiroler Freiheit jetzt erneut zum Leben erweckt hat. Bei den selbsternannten Patrioten scheint einiges in Vergessenheit zu geraten. War es 2017 nicht das Vaterland Österreich, das zur Verblüffung der Sezessionisten damit drohte, Panzerfahrzeuge auf der Passhöhe auffahren zu lassen?
 
Erstaunlich genug, dass 100 Jahre nach Versailles der Brenner, über den jährlich 15 Millionen Autos rollen, noch immer kein ökologisches Thema ist, sondern eines, das patriotische Gemüter in Wallung bringt.
Gut möglich, dass  dieser Übereifer das klare Denken trübt. So geschehen beim jüngsten Plakat der Leiche eines Mannes, der als Opfer der mangelnden Zweisprachigkeit im Sanitätswesen präsentiert wurde. Ein Akt der Volksverhetzung, der von fast allen italienischen Zeitungen kommentiert wurde. Hier wurde eindeutig eine Grenze überschritten. Mit der Aktion werden sich nach Eingaben der nationalen und lokalen Ärztekammer nun die Gerichte befassen. 
 
Dennoch ist und bleibt Südtirol ein europäisches Modell des Zusammenlebens. Und es ist höchst an der Zeit, jenen rechten Brunnenvergiftern das Handwerk zu legen, deren Ziel es ist, den ethnischen Frieden in diesem Land zu stören und in Südtirol den überwundenen Dauerkonflikt zwischen den Sprachgruppen wieder aufleben zu lassen.
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Christian Peintner Di., 12.11.2019 - 10:21

Mir fehlt hier die journalistische Objektivität. Wühlt dieses Zeichen des Widerstandes den Autoren so auf?
Betrachtet er die Brennergrenze etwa nicht als Unrchtsgrenze? Dann hätte er einen anderen Titel für seine persönliche Meinung gegen die STF wählen sollen.

Di., 12.11.2019 - 10:21 Permalink
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Werner Fulterer Di., 12.11.2019 - 13:33

Antwort auf von Christian Peintner

Widerstand? Wogegen jetzt genau? Den Vertrag von Saint-Germain? Das Pariser Abkommen? Das erste oder das zweite Autonomiestatut? Die EU? Schengen? Dagegen dass Zeit linear abläuft und erlittenes Unrecht nicht ungeschehen gemacht werden kann? Dagegen dass inzwischen 100 Jahre vergangen sind und die Welt sich weitergedreht hat? Oder einfach gegen alles?

Di., 12.11.2019 - 13:33 Permalink
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Frei Erfunden Di., 12.11.2019 - 11:13

Der Versailler Vertrag ist in den Augen vieler ein Verbrechen und sollte als solches gehandhabt werden, soviel zu meinem Geschichtsverständnis.
Sveni und Kumpanen sollten trotzdem ihre Sticheleien unterlassen und gemeinsam mit den fratelli und CasaPound turtles ihre Herzensangelegenheiten auf einem Parkplatz unter sich regeln.
Wichtiger als diese Kleinkrämerei wäre doch heutzutage die Zügelung des Finanzkapitales , eine vernünftige Umweltpolitik , Nachhaltigkeit statt Tourismuswahn.

Di., 12.11.2019 - 11:13 Permalink
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19 amet Mi., 13.11.2019 - 11:25

Antwort auf von Frei Erfunden

Sie ärgern sich immer noch über den Vertrag von Versailles ? Darüber hat sich doch der Führer schon so aufgeregt, und ihn ein Verbrechen genannt, dass er Europa in Schutt und Asche gelegt hat, inclusive hunderte Millionen Tote.
Oder meinten Sie den Vertrag von Saint Germain ? Österreich hatte den Krieg haushoch verloren, und musste, wie in solchen Fällen seit jeher üblich, Tribut leisten. Was soll daran ein Verbrechen sein? Soll der Kleinstaat Österreich mit seinem halben Dutzend Panzern und 3 einsatzfähigen Flugzeugen Südtirol zurückerobern ?

Mi., 13.11.2019 - 11:25 Permalink
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Cristian Kollmann Di., 12.11.2019 - 11:27

Es geschah am hellichten Tag...
Als Journalist sollte Herr Mumelter ein bisschen besser recherchieren statt wirre Kommentare von sich zu geben.
1. Die Verhüllung des Grenzsteins geschah am hellichten Tag, genau gesagt um 15 Uhr nachmittags und nicht im Schutze der Dunkelheit.
2. Der Grenzstein stammt nicht aus dem Jahre 1919, sondern wurde am Brenner erst im Jahr 1921 eingeweiht.
3. Die wirre Aussage, dass der Aufkleber mit der Aufschrift "Sondermüll" angeblich "in der Hitze des Gefechts" aus Versehen "auf den 100 Jahre alten Grenzstein aus weissem Marmor statt auf den mitgebrachten Plastiksack" angebracht wurde, lässt an der Wahrnehmungsfähigkeit des Autors zweifeln, denn wer das Foto sinnerfassend betrachtet, wird feststellen, dass der Aufkleber sehr wohl auf dem Plastiksack angebracht ist.
4. Nachdem im vereinten Europa Grenzen angeblich nicht mehr existieren, wird es doch kein Problem darstellen, einem alten Grenzstein die Sichtbarkeit zu nehmen, es sei denn, man möchte an den Staatsgrenzen festhalten.

Di., 12.11.2019 - 11:27 Permalink
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Hans Hanser Di., 12.11.2019 - 12:04

Antwort auf von Cristian Kollmann

Schon lächerlich, was Ihre Randgruppe so an Aktionen von sich gibt, teilweise auch am Rande der Legalität oder darüber.
Ihre Landsleute sollten sich fragen, ob es sich um die Selbstdarstellung einzelner Wichtigtuer handelt oder ob dem gesamten Volk Südtirols damit geholfen wird.
Ich persönlich bin von Ersterem überzeugt, Ihre Resultate bei den letzten Wahlen sprechen dieselbe Sprache, aber Sie Herr K., sind herzlich eingeladen Ihren Landsleuten den Mehrwert solcher fragwürdigen Aktionen zu erläutern.

Di., 12.11.2019 - 12:04 Permalink
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Werner Fulterer Di., 12.11.2019 - 13:08

Antwort auf von Cristian Kollmann

Der Herr Mumelter wollte mit scherzhafter Überhöhung die Sinnhaftigkeit der „aufsehenerregenden Aktion“ unterstreichen (es wurden dabei ja wohl auch nicht sehr viele „schussbereite Grenzer“ überlistet). Aber wenn man die eigene politische Arbeit so ernst nimmt wie es die selbsternannten Patrioten tun, wird man wohl blind für die Feinheiten der deutschen Sprache.

Übrigens spannende Theorie, dass man mit dieser Aktion dem Grenzstein die Sichtbarkeit genommen haben will. Ist das schon dieser vielbeschworene „bad faith“-Diskussionshebel der neuen Rechten?

Di., 12.11.2019 - 13:08 Permalink
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19 amet Mi., 13.11.2019 - 11:09

Antwort auf von Cristian Kollmann

Wie schön dass es noch Menschen gibt, die die Falschmeldungen der bösen Presse zurechtrücken. Was freut es mich, dass die rechten Kameraden am Nachmittag, vielleicht sogar bei Sonnenschein, ihre brandgefährliche Aktion durchführen konnten.Und nicht bei Nacht und Nebel. Es ist aber auch ein Beweis dass dieser Grenzstein keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlockt, nicht einmal um das Bein zu heben. Dass er um 1921 anstatt 1919 aufgestellt wurde interessiert auch nur die üblichen paar Wichtigtuer. Dem Rest der Südtiroler ist das sowas von egal. Da oben hätte es wohl den Caramaschi gebraucht um die Aktion, so wie damals in seinem Büro, zurechtzurücken.

Mi., 13.11.2019 - 11:09 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 12.11.2019 - 21:49

"Dennoch ist und bleibt Südtirol ein europäisches Modell des Zusammenlebens." ??? Ich muss da einfach ein paar Fragezeichen setzen Gerhard Mumelter.
Ich würde sagen: zum großen Teil ein parallel-an-einander-vorbei-Leben. Oder? Und wie die STF betont, zumeist jeder in seiner Sprache. Das Interview mit meiner "paesana" Eva Klotz heute in einer Südtiroler Tageszeitung ist lesenswert!
Du erinnerst dich sicher noch an das Südtiroler Kulturzentrum, an das "Monopol"-Gebäude, die Südtiroler Volkszeitung, wie viele Italiener dabei waren, die sich bemüht haben auch deutsch zu sprechen. Man glaubte zu dieser Zeit wirklich noch an ein zukünftiges zweisprachiges Südtirol. Auch italienische Parteien und Gewerkschaften propagierten die "Passive Zweisprachigkeit". Und was ist daraus geworden? Ich weiß nicht wie viel Kontakt die Jugendlichen der drei Sprachgruppen mit einander pflegen? Sie werden wohl englisch miteinander reden. Wer hätte geglaubt, dass es so kommen würde, wie sich die Situation jetzt darstellt. Oder?

Di., 12.11.2019 - 21:49 Permalink
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Quo Vadis Südtirol Mi., 13.11.2019 - 09:00

Da bleibt nur noch Kopfschütteln übrig beim Lesen dieses Artikels von Gerhard Mumelter. Diese Aktion soll ein Akt der Volksverdummung sein? Kurios....

Mi., 13.11.2019 - 09:00 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Federspieler
Martin Federspieler Mi., 13.11.2019 - 09:21

Die Aktionen mit Leichen und Müllsäcken der STF dahingestellt. Wir werden noch allerhand erleben, was man tun kann (und wohl muss) um Aufmerksamkeit zu erregen, die Medien spielen das Spiel mit.
Herrn Mumelter, aus ihrem regelmäßigen Jammer beim RAI-Südtiroler Morgentelefon über die Zustände in Rom und dem Frust hier über patriotische Aktionen der STF folgere ich, dass Sie wie ich überzeugter Europäer sind. lg

Mi., 13.11.2019 - 09:21 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 13.11.2019 - 14:02

Ich habe nun ein bisschen nachgelesen, wer 1915 wem den Krieg erklärt hat. Mein bisheriges Wissen wird bestätigt, dass Italien als erster in diesen Krieg eingetreten ist! Wenn Österreich der italienischen Forderung, das Trentino und noch ein paar kleinere an Friaul angrenzende italienischsprachige Bezirke nachgegeben hätte, hätte Italien von einem Kriegseintritt abgesehen.

Mi., 13.11.2019 - 14:02 Permalink
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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Mi., 13.11.2019 - 15:19

Antwort auf von Sepp.Bacher

Wenn die Ukraine die östliche Region freiwillig an Russland abgetreten hätte, hätte Russland wohl auch von einem Krieg abgesehen. Die Türkei hätte nach Nordsyrien wohl auch keine Panzer geschickt, hätten Assad und die Kurden beim Landbesitz einfach mal so nachgegeben. Wenn jeder bei Säbelrassen Länder geschenkt bekommt, kommt wohl sofort der nächste Schritt: das nächste Land wird gefordert, um vom Kriegseintritt abzusehen. Hoffentlich tappen wir nicht in die Falle, 100 Jahre später das was-wäre-wenn Spiel mit moralischer Deutung zu spielen.

Mi., 13.11.2019 - 15:19 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Mi., 13.11.2019 - 19:27

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Benno, ich bin wirklich kein Geschichte-Experte - noch viel weniger interessiert mich Kriegsgeschichte. Deswegen kann ich da nicht wirklich mitdiskutieren.

Aber grundsätzlich: Ich bin für Selbstbestimmung! Wenn die
Mehrheit der Bevölkerung der Ost-Ukraine sich dafür entschieden hätte, warum nicht? Die Ukraine hätte eben die Bedingungen aushandeln müssen.
Dasselbe bzgl das Welschtirol: ich habe geglaubt, dass es im Trentino eine Mehrheit für Italien gegeben hätte. Die Ladinischen Täler hätten ebenso getrennt sich entscheiden müssen. Die K&K-Monarchie hätte ebenso klären müssen, was ihnen wichtig ist. Aus heutiger Sicht wäre das mE eine gute Lösung gewesen.

Mi., 13.11.2019 - 19:27 Permalink
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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Mi., 13.11.2019 - 16:13

Antwort auf von Sepp.Bacher

Eben, Österreich-Ungarn hatte Serbien den Krieg erklärt und nicht einen Weltkrieg ausgerufen. Folglich auch nicht den Krieg gegen Serbien verloren, oder von dem zerstückelt worden. Alles andere fällt in eine Dynamik, deren Komplexität wohl auch heute noch die wenigsten von uns vollumfänglich erfassen. Deshalb halte ich solche wertende Zusammenfassungen (Krieg erklärt, verloren, selber Schuld) für verkürzt, egal zu wessen Lasten sie formuliert sind.

Mi., 13.11.2019 - 16:13 Permalink
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Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Mi., 13.11.2019 - 17:54

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Halten wir uns an die Fakten. Die K+K Militärs und Politiker hatten Serbien den Krieg erklärt, nach dem Motto : Mit diesen Serben werden wir schnell fertig. Den Rest der folgte hatten sie nicht erahnt, nicht einmal, dass Italien endlich die besetzten italienischen Gebiete zurück wollte. Kapitaler Fehler.
Krieg haushoch verloren, da sogar die eigenen Soldaten aus Ungarn etc. genug hatten für die Herren in Wien zu hungern und zu sterben. Und dann kamdie Rechnung der Sieger. Wie sie seit jeher dem Verlierer präsentiert wird. Wer heute, nach 100 Jahren, dummes Zeug schwafelt von Unrechtsgrenze,vom Friedensvertrag als Verbrechen, sollte Geschichte lesen. Oder einmal nach Schlesien und ins Sudetenland fahren,wo man keine lebende deutsche Spur mehr findet. Wo die Bewohner, mit einem Koffer in der Hand, über die Grenze getrieben wurden, und wer nicht schnell genug laufen konnte wurde kurzerhand erschossen. Das war auch eine Rechnung der Sieger. Und wo waren denn die Österreicher und Südtiroler im 2. Weltkrieg ? Wieder schön eingereiht bei den grossdeutschen Verlierern. Italien musste, trotz aktiven Widerstands gegen die Nazis, grosse Gebiete abtreten. Zehntausende wurden vertrieben, und fanden auch hier eine neue Heimat. Niemand kräht heute noch danach. Es wäre Zeit ein Verbot der Volksverhetzung einzuführen.

Mi., 13.11.2019 - 17:54 Permalink
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Benno Kusstatscher Mi., 13.11.2019 - 18:22

Antwort auf von Benno Kusstatscher

@Amet: Fakten sind gut, aber auch kompliziert genug, um nicht noch auch den 2. WK so nebenbei abzuhaken. Ohne ansonsten groß widersprechen zu wollen, möchte ich mich beim "Kapitalen Fehler" etwas aufhalten. In den Wirren der damaligen Zeit war eine schnelle Kriegserklärung nichts Ungewöhnliches, die Vorstellungskraft eines Weltkrieges noch nicht vorhanden. Natürlich ist mit heutigem Wissen leicht zu attestieren, dass es sich um eine kapitale Fehleinschätzung handelte. Die moralische Schuldfrage muss man aber auch aus dem Blickwinkel des damaligen Wissenstandes bewerten. Damit möchte ich nichts relativieren, sondern nur von überheblich wirkenden Kurzurteilen abraten. Wir können darauf verzichten und trotzdem einer Meinung über Nylonsacklaktionen am Brenner sein.

Mi., 13.11.2019 - 18:22 Permalink