Chronik | Fall Alfreider

Daniels Hüttenzauber

Die Staatsanwaltschaft fordert die Einleitung des Hauptverfahrens gegen Daniel Alfreider wegen Urkundenfälschung und mehrerer Bauvergehen. Es wird eng für den Landesrat.
Daniel Alfreider
Foto: LPA
Karl Zeller gibt sich zuversichtlich. „Ich bin überzeugt, dass nach der Verhandlung vor dem Voruntersuchungsrichter von diesen Vorwürfen nichts mehr übrig bleiben wird“, sagt der langjährige SVP-Parlamentarier und stellvertretende SVP-Obmann.
Zeller redet dabei nicht als Politiker, sondern diesmal als Anwalt. Zusammen mit dem Bozner Strafverteidiger Carlo Bertacchi verteidigt der Meraner Anwalt einen hochkarätigen Parteikollegen, dessen politische Karriere maßgeblich vom Ausgang dieses Verfahrens abhängen dürfte.
Daniel Alfreider, ebenso wie Zeller ehemaliger SVP-Parlamentarier und Obmann-Stellvertreter in der SVP, aber vor allem amtierender Landesrat für ladinische Bildung und Kultur, Infrastruktur und Mobilität, hat ein veritables Problem.
Wie RAI Südtirol am Donnerstag exklusiv meldete, haben die beiden stellvertretenden Staatsanwälte Federica Iovene und Igor Secco die Einleitung des Hauptverfahrens gegen den SVP-Politiker beantragt. Die Vorwürfe der Ankläger sind dabei schwerwiegend. Alfreider werden mehrere Bauvergehen und Urkundenfälschung vorgeworfen. Für einen Politiker und amtierenden Landesrat alles andere als ein Kavaliersdelikt.
 

Die Enthüllung

 
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein Artikel des FF-Journalisten Karl Hinterwaldner, der im Dezember 2018 detailliert nachrecherchiert hat, mit welcher urbanistischen Akrobatik und politischen Spitzbübigkeit Daniel Alfreider den Abbruch, die Kubaturverlegung und den Wiederaufbau von gleich vier Almhütten geplant und umgesetzt hat.
Es geht dabei um eine Kochhütte und einen Stadel unterhalb des Grödner Joches, die in die Nähe von Alfreiders Hof verlegt und dort, perfekt platziert am Rande einer bereits genehmigten Skipiste und eines in den Bauleitplan bereits eingetragenen neuen Skilifts, neu errichtet wurden. Und um ein zweites – noch kühneres – Bauvorhaben. Auch dieses Mal geht es um die Verlegung von zwei Almhütten. Sie sollen dabei gleich um 4,3 Kilometer Luftlinie verlegt werden. Die Hütten standen angeblich auf einem murengefährdeten Hang oberhalb von Corvara und sollen – wie kann es anders sein - zufällig ebenfalls am Rande einer bereits genehmigten neuen Skipiste neu aufgebaut werden.
Im FF-Artikel wurde dabei nicht nur aufgezeigt, wie der Bauingenieur und ehemalige Bauassessor der Gemeinde Corvara die Bestimmungen dehnte, sondern es wurden auch klare Indizien angeführt, dass es die inzwischen zusammengebrochenen und verschwundenen Hütten an den angegeben Standorten nie gegeben habe.
 

Daniel Alfreider konterte, klagte über seinen Anwalt und Parteikollegen Karl Zeller gegen die FF und verlangte von der Wochenzeitung eine breite Richtigstellung. „In dem Artikel stimmt nichts“, sagte Zeller vor knapp einem Jahr zu salto.bz.
Ein journalistischer Rohrkrepierer also?
Wie sich spätestens jetzt zeigt, keineswegs.
Bereits im vergangenen Jahr nahm die Bozner Staatsanwaltschaft Vorermittlungen zum Fall auf. Vor Monaten wurde Daniel Alfreider formell in das Ermittlungsregister eingetragen. Jetzt haben die beiden ermittelnden Staatsanwälte die Ermittlungen abgeschlossen. Sie sind dabei zum Schluss gekommen, dass die Vorhaltungen im FF-Artikel zum größten Teil zutreffen und dass Daniel Alfreider gleich gegen mehrere Gesetze und Bestimmungen verstoßen hat.
 

Die Ermittlungen

 
Die Ermittler haben in den vergangenen 11 Monaten alle Akten in der Gemeinde Corvara und in den zuständigen Landesämtern sichergestellt. Die Beamten der Finanzwache Bruneck und des Polizeikommissariats Innichen haben auch über ein Dutzend Personen zum Fall angehört. Zudem wurde bei einem der Beschuldigten Datenmaterial auf dem Computer sichergestellt.
Die Staatsanwaltschaft hat aber auch einen Sachverständigen ernannt. Der Trentiner Ingenieur und Dozent an der Universität Pisa Andrea Eccher hat in einem Gutachten die urbanistischen und baurechtlichen Aspekte des Falles analysiert. Das detaillierte Gutachten spricht eindeutig gegen Daniel Alfreider.
 
 
Denn der Gutachter weist nach, dass der Landesrat gleich gegen mehrere urbanistische Bestimmungen verstoßen habe. Vor allem aber gehen die Ermittler von einer vorsätzlichen Fälschung aus, mit der die Verlegung der Hütten erst ermöglicht wurde. Damit verschlechtert sich die Situation von Daniel Alfreider deutlich. „Mein Mandant war weder Bauherr noch Bauleiter, deshalb kann man ihm diese Vorwürfe auch nicht machen“, zeigt Karl Zeller gegenüber salto.bz eine der Verteidigungslinien auf.
Dass es aber nicht leicht werden wird, damit vor Gericht durchzukommen, zeigen die Fakten, die die Ermittler zusammengetragen haben.
 

Die Kochhütte

 
Offizieller Bauherr bei der Verlegung der Kochhütte und des Wirtschaftsgebäudes im Jahr 2013 vom Grödnerjoch war Alfreiders Vater, Riccardo Alfreider. Daniel Alfrieder hat als Bauingenieur das Projekt erstellt. Als Bauleiter fungierte der Brunecker Ingenieur Alessandro Melchiori. Die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, nachweisen zu können, dass der „eigentliche Bauherr“ (comittente di fatto) Daniel Alfreider war. Deshalb klagt die Staatsanwaltschaft den SVP-Landesrat jetzt auch zusammen mit dem Bauleiter Melchiori an.
Der Vorwurf: Alfreider habe im Projekt die Grundstücksgrenzen falsch angegeben, damit der Stadel auf seinem Grund steht. Laut dem Gutachter der Staatsanwaltschaft sei das aber nicht der Fall gewesen. Demnach habe zumindest ein Teil des Wirtschaftsgebäudes auf dem Nachbarsgrund von Ernst Pitscheider gestanden.
 
 
Das Gutachten der Staatsanwaltschaft kommt aber auch zum Schluss, dass es beim Neu- und Wiederaufbau der zwei Baukörper in der Nähe des Alfreider Hofes eine ganze Reihe von gesetzlichen Unregelmäßigkeiten gegeben habe.
So seien die Bauarbeiten ohne die dafür gesetzlich notwendige Ermächtigung des Landschaftsschutzes durchgeführt worden. Die Staatsanwaltschaft beanstandet auch die Erweiterung der Kochhütte von 35,4 Kubikmetern auf 136,5 Kubikmeter. Weil die Stadelverlegung nicht rechtens sei, habe man – laut Staatsanwaltschaft - nicht existierende Kubatur von insgesamt 263,2 Kubikmeter verlegt und wiederaufgebaut.
 

Fenster & Höhe

 
Der Gutachter der Staatsanwaltschaft Andrea Eccher hat aber auch die beiden neuen Hütten mit dem genehmigten Projekt verglichen und dabei eine ganze Reihe von Abweichungen festgestellt.
So gibt es im genehmigten Projekt auf der Südseite der Kochhütte anstatt eines Fensters gleich zwei. Auf der Ostseite wird ein im genehmigten Projekt eingetragenes Fenster von einer zur anderen Wandseite versetzt und in dreieinhalb Metern Höhe ein weiteres Fenster eingebaut, das im Projekt nicht vorgesehen ist. Ebenso wird ein zusätzliches Fenster an der Westseite der Kochhütte gebaut.
Dieselbe Gangart wiederholt sich beim Wirtschaftsgebäude. Auch dort wurden auf einer Seite ein Fenster und auf der anderen Seite ein Tür gemacht, die im genehmigten Projekt nicht vorgesehen sind. Zudem hat man um mindestens zehn Kubikmeter mehr gebaut, als in der Baukonzession genehmigt und auch die Gebäudehöhe von sechs Metern deutlich überschritten.
 
 
Sollte die Gemeinde Corvara – wie vorgesehen - hier eine Bauabnahme gemacht haben, so muss der Techniker in der Nacht gekommen sein. Denn sonst hätte er die Abweichungen vom Projekt bemerken müssen.
 

Falsches Foto

 
Noch brisanter wird es bei der geplanten Verlegung der anderen beiden Hütten zwei Jahre später. 2014/15 will Alfreider - auch hier ist offiziell Vater Riccardo der Antragsteller - eine weitere Kochhütte samt Wirtschaftsgebäude verlegen. Doch diese Hütte und der Stadel existieren nicht mehr. Sie sollen schon vor Jahrzehnten von einer Mure weggerissen worden sein. Alfreider legt die Zeugenaussage eines Försters vor, wonach es diese beiden Hütten gegeben haben soll.
Zum Jahreswechsel 2014/15 mailt Daniel Alfreider dem Geologen Michael Jesacher und dem Architekten Andreas Vallazza dann ein Foto, auf dem die Reste eines Holzgebäudes zu sehen sind. Der heutige Landesrat erklärt, dass es sich dabei um die Reste des von der Mure weggerissenen Stadels handle. Das Foto wird so auch offiziell in die Bauakten der Gemeinde aufgenommen.
Denn Michael Jesacher schreibt daraufhin ein geologisches Gutachten und Andreas Vallazza entwirft ein Projekt für die Verlegung und den Neubau der beiden Hütten. Am 5. Mai 2015 stellt die Baukommission der Gemeinde Corvara die Baukonzession für die Verlegung der beiden Hütten aus.
Die Ermittler können jetzt aber nachweisen, dass das Foto zwar die Reste einer Holzhütte zeigt, diese aber nicht auf dem Alfreider Grund liegen. Laut Staatsanwaltschaft lagen die Bretter auf dem Grund des Nachbarn Pietro Planatscher.
Die Staatsanwälte Federica Iovene und Igor Secco gehen davon aus, dass es sich hier nicht um ein Versehen handelt, sondern um eine bewusste und orchestrierte Irreführung. Deshalb erheben sie gegen Daniel Alfreider auch Anklage wegen Urkundenfälschung.
 

Die Verteidigung

 
Karl Zeller hat auch hier eine Antwort. „Daniel war als Kind das letzte Mal dort oben“, sagt der Alfreider Anwalt, „er hat das Foto von seinem Vater bekommen“. Demnach habe Daniel Alfreider im guten Glauben und nicht in betrügerischer Absicht gehandelt.
Auch hier ist die Verteidigungslinie kohärent: Man schiebt eine mögliche Schuld auf den Vater. Riccardo Alfreider kann nichts mehr passieren. Der Vater des SVP-Landesrates kam im April 2019 bei einem tragischen Unfall ums Leben.
 
 
Vor allem aber wurden diese beiden Hütten nie verlegt und neu gebaut“, führt Karl Zeller ein weiteres, seiner Meinung nach schlagendes Argument an. Auch hier ist man in der Staatsanwaltschaft aber grundsätzlich anderer Meinung.
Denn am 15. April 2016 meldete Alfreider den Beginn der Arbeiten an. Es wurden zwei Plattformen aus Zement für die neuen Hütten gegossen. Für die Ermittler ist es der Beginn der Bauarbeiten. Auch wenn danach nichts mehr weitergegangen ist, sieht die Staatsanwaltschaft hier einen eindeutigen Gesetzverstoß.
Im Antrag zur Eröffnung des Hauptverfahrens heißt es: „Es handelt sich hier um eine unrechtmäßig erschlichene Baukonzession, zumal auf der angegeben Bauparzelle vor dem 1.10.1997 keinerlei Kubatur bestand, die verlegt werden könnte“.
Spätestens Ende Jänner 2020 werden sich Anklage und Verteidigung vor dem Voruntersuchungsrichter treffen. Dann wird die Entscheidung fallen, ob Daniel Alfreider seine politische Karriere in einem öffentlichen Strafprozess retten muss.

 

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Herta Abram Fr., 15.11.2019 - 09:38

Mein Eindruck dazu: Der unternehmerische Alfreider und der Anwalt Zeller sind entschlossen sehr kreativ mit den Wertebegriffen Eigenverantwortung, Unrechtsbewusstsein und Verantwortungsübernahme, umzugehen.

Fr., 15.11.2019 - 09:38 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Fr., 15.11.2019 - 22:09

Mein Nachbar hat Strafe zahlen müssen, weil er eine Dachgaube um einen Kubikmeter zu groß gebaut hat. Aber er heißt halt nicht Alfreider.

Fr., 15.11.2019 - 22:09 Permalink
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Salto User
Günther Alois … So., 17.11.2019 - 15:33

Hoffentlich wird dieser "Sumpf",wenn es einer ist,was ich nicht bezweilfle aufgedeckt.Ich vertraue auf die Staatsanwälte und wünsche denen einen Sieg auf ganzer Linie! Vieleicht verbrennt sich der Herr Zeller endlich einmal die Finger in dieser CAUSA,wer weiss????

So., 17.11.2019 - 15:33 Permalink