Politik | Ein Blick nach vorne

Eine Wirtschaftslandesrätin für Südtirol?

Arno Kompatscher will Erneuerung für Südtirol. Und während sich Thomas Widmann mit seinen Werbegags weiter ins Abseits manövriert, beziehen Heidi Felderer und Dieter Steger Position zur wirtschaftlichen Neuausrichtung des Landes.

Sie steht mitten im Leben, 33-jährig, Bauunternehmerin „ja, ich bin Praktikerin, wie es bei den Klein- und Mittelbetrieben in Südtirol ausschaut, das weiß ich genau.“ Ein Beispiel hat Heidi Felderer griffbereit: die Bäckerlehrlinge. „Momentan können keine Lehrlinge ausgebildet werden, da Jugendliche in der Nacht nicht arbeiten dürfen, auch, dass Jugendliche im Sommer erst ab 15 Jahren arbeiten dürfen, ist ein Problem. Hier müssen wir rasche Anpassungen machen, denn keine Lehrlinge jetzt, heißt in ein paar Jahren keine qualifizierten Arbeiter, das versteht eigentlich jedes Kind.“

Ein sozialer Funken

11 Mitarbeiter führt Felderer in Ihrem Betrieb, „die Wirtschaft ist mein tägliches Brot“, sagt sie, „was mir fehlt ist die politische Erfahrung.“ Falsche Bescheidenheit, ihren Beitrag als Frau im wirtschaftspolitischen Kontext mit zu leben, möchte die Eppanerin auf jeden Fall unterstreichen. „Die gelebte Sozialpartnerschaft ist mir ein großes Anliegen. Und ja, ich glaube, dass man als Frau schon einen Ausgleich rein bringen kann, einen Funken mehr soziales Gespür.“ Ein Thesenpapier gespickt mit wirtschaftlichen und sozialen Vorschlägen überreichten Felderer, Angelika Margesin und Waltraud Deeg am 30. September. In die Hand von Thomas Widmann legten sie es, konkret wollen die Frauen werden, klare Forderungen reichen sie ein. „Die Wirtschaft kann mit einigen Maßnahmen auf jeden Fall angekurbelt werden“, ist Felderer überzeugt. Handeln nicht lang reden. Die Vorschläge der Frauen reichen von einer IRAP-Senkung auch für Kleinbetriebe, über eine Sonderförderung für die Sanierung von Altbauten, bis hin zur „Anpassung der technischen Anlagen in den öffentlichen Gebäuden an die gesetzlichen Bestimmungen.“ All das um die Bauwirtschaft in Schwung zu bringen, „und natürlich geht es um den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Peripherie“, sagt die Fachfrau. "Sie ist eine von uns", sagen die Leute, "eine mit Verstand, die weiß, wo anpacken."

Erneuerung ist das Schlagwort der SVP-Stunde, Landeshauptmann Durnwalder räumt seinen Stuhl, Sabina Kasslatter Mur übergibt die Kultur. Offen bleibt, welche Dagewesenen die WählerInnen abstrafen. Für zu viel mobilen Übermut, für zu wenig wirtschaftliche Weitsicht, für zu wenig wohnbaupolitische Akzente und Diskussionen um die "sharm Woche", für zu viel energetisches Desaster.

Ohne Wertewechsel geht es nicht

Bereit für Veränderungen? Fragt Dieter Steger auf seinem Blog. Als Stadtobmann der SVP sowie als Präsident des Südtiroler Landtags von 2008 bis 2011 kennt er an der Politik „das Positive sowie das Negative.“ Als Präsident des Handels- und Dienstleistungsverbands (hds) liebäugelt Steger mit dem eventuell frei werdenden Wirtschaftsressort im Land. Steger formuliert neutral: „Die Stimmung mit Herrn Widmann ist unproblematisch, da gibt es gar kein Problem. Wir sind beide Kandidaten der SVP, alles in Ordnung.“ Keine Pferde scheu machen, Steger formuliert seine Bestrebungen anders, denkt über Werte nach, die in Südtirol künftig anders aus sehen müssen: „Der Wachstumsgedanke ist an eine Decke gestoßen, den Wohlstand können wir nicht weiter halten“ und weiter „wir müssen uns von der materiellen Seite völlig neu aufstellen.“ Krise heißt für Steger Herausforderung, „wir werden nicht ärmer, aber wir müssen andere Dinge als das Materielle in den Vordergrund stellen. Wohlstand ist nicht gleichbedeutend mit Glück und Zufriedenheit. Da muss sich die Wirtschaft endlich ändern.“

"Die Milch ist schon vergossen"

Steger meint konkret „Entscheidungsfingung bei Großprojekten wie dem Technologiepark braucht andere Beteiligungsprozesse, „man hat die Bevölkerung wieder einmal vor vollendete Tatsachen gestellt.“ „Zur Kritik, das Land solle nicht Millionen in Mauern investieren: Diese Kritik teile ich zu 100%.“, schreibt Steger. Und sagt: „Wenn die Milch schon vergossen ist, müssen wir versuchen, das Beste draus zu machen. Hier brauchen wir einen neuen Stil, des miteinander Umgehens.“ Auf Augenhöhe miteinander sprechen, „meine Generation wünscht sich eine Diskussion, eine Auseinandersetzung. Zu sagen Vogel friss und stirb, das funktioniert nicht mehr.“ Auch das Innovationsfestival mit "guten Referenten" sei eindeutig überteuert gewesen, so Steger. Die Mehrwertsteuer sei einmal mehr ein negatives Zeichen für die Wirtschaft, Steger postet: „In einem Land, das tief in der Rezession steckt, hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer negative Folgen für den Konsum und folglich für die Unternehmen und somit ganz unmittelbar auf die Beschäftigung.“

Rücken stärken

Wer stärkt wem den Rücken? hds für Steger, LVH für Felderer, HGV ohne Widmann. Bei Werten will Felderer nicht stehen bleiben, konkrete Taten sollen endlich umgesetzt werden: „Ein Beispiel noch", sagt die Unternehmerin, "für kleine Unternehmen ist es derzeit fast unmöglich sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, hier kann ein Landesgesetz einen klaren Rahmen schaffen. Und es allen leichter machen.“ Ein Beispiel aus der Praxis, das Beispiel einer Frau.

Wenn Dieter Steger eine Neuausrichtung ökonomischen Denkens einfordert und davon spricht, dass wir "andere Dinge als das Materielle in den Vordergrund stellen müssen", gleichzeitig aber die Erhöhung der Mehrwertsteuer als Fehler, weil "negative Folgen für den Konsum und die Beschäftigung" wertet, dann passt da etwas nicht zusammen. Wenn wir nicht aufhören, Wirtschaft ausschließlich im Sinne eines quantitativen Wachstums zu begreifen, das über kurz oder lang durch ständige Überproduktion von Wegwerfwaren einen ausbeuterischen und sklavenartigen Arbeitsplatzmarkt befeuert und sämtlich Recourcen verbrauch, steuern wir unweigerlich in den Abgrund. Qualitatives Wachstum im ökonomichen Sinne bedeutet Abkoppelung der Arbeit vom Lebensunterhalt. Ich sehe im Ansatz des bedingungslosen Grundeinkommens eine echte Chance, diesem Teufelskreis zu entgehen.

Di., 01.10.2013 - 12:40 Permalink

Ich finde schon, dass es passt. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist deshalb falsch, weil der Staat schon jetzt vom Bürger übermäßig abverlangt. Immer mehr Menschen tun sich schwer, ihre Grundbedürfnisse (!) finanziell zu stemmen. Es geht mir also nicht um grenzenloses Konsumwachstum, sondern um die Ausgaben, die die Leute brauchen, und die den Wirtschaftskreislauf stützen. Nicht als Widerspruch dazu, sondern als notwendige Ergänzung gilt für mich das Ziel, die materiellen Dinge in Zukunft weniger im Vordergrund zu haben.

Di., 01.10.2013 - 17:17 Permalink

Kompliment an Frau Lüfter für die "professionelle" und "unabhängige" Berichterstattung... ist in meinen Augen schon heftig einseitig... Wie Sie wirklich schön formulierte Absichtserklärungen als "konkret werden" bezeichnen, dann sollten Sie zumindest die politischen Programme und Realisierungen der anderen Seite erwähnen... so klingt es in meinen Augen stark nach entweder nach einer persönlichen Animosität in die eine Richtung oder nach einem, sagen wir freundschaftlichen, Näheverhältnis in die andere Richtung. Die Salto-Redaktion sollte vom Niveau her doch etwas darüberstehen... oder hab ich das falsch verstanden?

Do., 03.10.2013 - 15:18 Permalink