Gesellschaft | Kubaturverschiebung
Aktion Tränendrüse
Foto: Vinschger Wind
Kinder und alte Leute eignen sich am besten, um bei den Menschen Emotionen zu erzeugen.
Genau diese Waffe setzt man seit Jahren in Naturns ein.
Die Athesia-Bezirkszeitung „Der Vinschger“ hat erst vor wenigen Wochen unter dem Titel „...das ist mein letzter Wunsch“ eine rührselige Geschichte gebracht. Es geht dabei um die 78jährige Ottilia Ruatti, deren letzter Wunsch es ist, in ihrem Heimathaus zu bleiben. Ruatti wohnt im Naturnser „Saumoarhof“, der abgerissen werden soll. Die betagte Frau kämpft jetzt darum, am Hof bleiben zu können. In einem Brief an Arno Kompatscher hat Ruatti – laut Bezirkszeitung – ihrer ganzen Verzweiflung Ausdruck verliehen. „Bitte helfen sie mir, dass ein alter Mensch noch einen Wert hat“, fleht sie in dem Schreiben den Landeshauptmann an.
Doch was so dramatisch klingt, ist in Wirklichkeit ein Paradebeispiel, wie ungeniert in Südtirol Private versuchen, Bauspekulationen abseits der geltenden Landesgesetze umzusetzen.
Der Naturnser Fall zeigt aber auch, in welche Zwickmühle kommunale Verwalter kommen, wenn sie im Namen der Menschlichkeit gesetzliche Bestimmungen etwas weitmaschig auslegen.
Am Mittwochabend wird der Gemeinderat von Naturns darüber zu entscheiden haben, ob Gesetze für alle gelten oder manche – die es so schlau anstellen, wie die Familie Ruatti – am Ende belohnt werden.
„Es ist ein Thema das seit langem im Dorf immer wieder aufkocht“, sagt der Naturnser Bürgermeister Andreas Heidegger zu salto.bz. Heidegger möchte vor der Entscheidung im Gemeinderat den Fall nicht kommentieren. „Der Gemeinderat ist souverän und ich möchte dieser Entscheidung nicht vorgreifen“, sagt er freundlich.
Der Saumoarhof
Der Fall Ruatti beginnt vor über zehn Jahren. Am 26. Jänner 2009 sucht Florian Ruatti, der Besitzer des „Saumorhof“, eines alten Bauernhauses das unter dem Schloss Dornsberg liegt, um die Verlegung der Hofstelle an. Neun Wochen später gibt die dafür zuständige Sonderkommission des Landes ein positives Gutachten.
Am 26. Oktober 2010 erlässt die Gemeinde Naturns die Baukonzession für den Abbruch, die Verlegung und den Neubau der Hofstelle. Die gesetzlichen Vorgaben sind von Anfang an klar. Der Hof kann verlegt werden, am neuen Standort wird ein neue Hofstelle mit zusätzlicher Kubatur errichtet und der alte Hof muss – weil er weder unter Denkmal noch unter Ensembleschutz steht - abgerissen werden.
Im Herbst 2011 meldet Florian Ruatti den Baubeginn. Es entsteht ein neuer, moderner Bauernhof. Dabei wird an der neuen Hofstelle auch eine Kleinwohnung für die betagte Mutter verwirklicht. Das Gesetz verlangt es, dass der Bauherr erst dann von der Gemeinde die Benutzgenehmigung erhält, wenn die alte Hofstelle abgerissen ist. Doch das passiert nicht.
Die Familie hat den neuen Hof längst bezogen. Man wendet dabei einen Südtirolweit bewährten Trick an, um die Bestimmungen zu umgehen. Der Bauherr sucht mehrmals um Varianten an, um die Bauzeit künstlich zu verlängern. Die letzte Variante reicht Ruatti im August 2014 ein.
Dass es nur Staffage ist, wird deutlich, als die Baukommission das Varianteprojekt genehmigt, Florian Ruatti aber keine Baukonzession beantragt.
Die Kontrollen
In Naturns weiß man, dass die Familie Ruatti im neuen Hof längt wohnt, aber dafür keine Benutzungsgenehmigung hat. Im Februar 2015 teilt das Bauamt dem Bauherren mit, dass er die Unterlagen für die Benutzungsgenehmigung abgeben muss. Danach verstreicht ein weiteres Jahr ohne dass etwas passiert.
Bewegung in die Sache kommt erst als die „Liste Zukunft Naturns“ eine Anfrage im Gemeinderat zum Fall Ruatti stellt. Am 27. Juni 2016 erfolgt eine Baukontrolle durch die Gemeindepolizei und die Feststellung der widerrechtlichen Benutzung der neuen Hofstelle. Drei Monate später erhält Florian Ruatti deshalb einen Strafbescheid von 4.146,63 Euro, die der Bauherr bezahlt.
Gleichzeitig verlangt die Gemeinde eine Bankgarantie über 10.000 Euro für den Abbruch der alten Hofstelle. Die Garantie verfällt Ende 2017 ohne dass sie von der Gemeinde eingelöst wird.
Florian Ruatti spielt weiterhin auf Zeit. Er reicht das Varianteprojekt, das bereits zwei Jahre zuvor genehmigt worden war, erneut ein und erhält eine neue Baukonzession. Am 15. September 2016 meldet er den Baubeginn. Damit hat er weitere drei Jahre Zeit bis zum September 2019. Es ist der geglückte Versuch den Abbruch der alten Hofstelle weitere drei Jahre hinauszuschieben.
Gemeinde schaut weg
Allein aus dieser Chronik wird klar, dass die Gemeinde Naturns in Fall Ruatti jahrelang weggeschaut hat. „Man hat immer wieder gehofft, dass die Familie für die Mutter eine Lösung findet“, begründet Bürgermeister Andreas Heidegger die Gangart.
In Wirklichkeit schwebt aber seit Jahren über den Naturnser Bürgermeister ein Damoklesschwert. Denn in diesem Fall dürfte die Rechtslage klar sein. Man kann hier die Strafbestände einer Amtsunterlassung oder gar von Amtsmissbrauch geltend machen. Das weiß man auch im Naturnser Rathaus.
Doch die Familie Ruatti scheint besondere Schutzengel zu haben. Denn inzwischen hat man eine neue Lösung angedacht.
Auf der Tagesordnung des Gemeinderates steht am Mittwochabend der Punkt: „Ensembleschutzantrag Hofstelle Saumoar".
Obwohl die Gemeinde Naturns einen genehmigten Ensembleschutzplan hat und darin der „Saumoarhof“ nicht aufschient, soll die Gemeinde die alte Hofstelle jetzt als schützenswert ausweisen. Dann könnte der alte Hof nicht nur stehen bleiben, sondern sogar saniert werden.
Das Denkmalamt hat bereits in einem Gutachten erklärt, dass der Hof nicht schützenswert ist.
Es wird sich auf der Sitzung zeigen, ob die Aktion Tränendrüse mit dem Vorschieben der alten Mutter aufgeht.
Und man nur beharrlich genug gegen die Gesetze verstoßen muss, um am Ende nicht einen Hof zu haben, sondern gleich zwei.
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....auch ich würde
....auch ich würde kontaktiert um für die Mutter, die vom Hof vertrieben werden sollte, bei zuständigen Stellen zu intervenieren. Habe nichts unternommen und nach diesem Artikel bin ich auch froh.
Bauernschlauheit pur ...
Bauernschlauheit pur ...
Wird der neue Hof, bzw. die
Da zirkulierte doch noch vor Monaten ein Video über der "tragischen" Situation der armen Bäuerin auf Facebook, hab mir schon damals gedacht, dass da wieder einmal jemand schlauer sein wollte als das Gesetz. Einfach nur schäbig eine alte Frau für so etwas zu benutzen.
Wie so oft .... politisch
Wie so oft .... politisch ermutigte bäuerliche Subventionsabgreifer und Sozialschmarotzer und keiner getraut sich ... und schon gar kein Naturnser Bürgermeister.
Mich würde interessieren, ob die Geschichte zu den freiwilligen Arbeitseinsätzen am Bergbauernhof, die ein Nutzer vor ca 3 Monaten veröffentlicht hat (https://www.salto.bz/de/article/02072019/die-sozialschmarotzer), munter weitergeht, oder ob sich jemand getraut hat.
Antwort auf Wie so oft .... politisch von Meister Haus
ach wie spannend wäre es eine
ach wie spannend wäre es eine Liste zu haben von denjenigen die vor Jahren um 6:00 Uhr früh im Landhaus mit dem alten Traktor vorgefahren sind und jetzt in Lusxusvillen oder jetzt über 5 Star deluxe plus Hotels herrschen