Gesellschaft | BASF verbietet akademische Titel

Inflation der Doktortitel

Der Industriekoloss BASF hat innerhalb des Konzerns die Verwendung akademischer Titel verboten. Hochgradige Akademiker gibt es bei BASF sicher viele, aber im Umgang miteinander sollen ab jetzt Alle gleich sein... ich glaube eher nicht, dass bei BASF der Kommunismus ausgebrochen ist, weshalb wir uns in Südtirol da vielleicht doch beruhigt eine Scheibe abschneiden könnten...
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Beim Lesen dieser Tagesnotiz stößt man unweigerlich auf die n-te Anomalie Italiens und somit auch Südtirols (weil manchmal ist Südtirol doch sehr in Italien)...

Da gab es doch vor vielen Jahren mal das sogenannte "Bologna-Abkommen", nach dem der Gebrauch akademischer Titel in Europa harmonisiert werden sollte. Na ja, daraus ist nicht viel geworden. Wenn Jemand irgendein Studium hinter sich gebracht hat, dann ist er in Deutschland ein "Wirt", im  angelsächsischen Bereich ein Master, in Österreich ein Magister und in Italien - ein "dottore". Dottori sind in Italien alle, die irgendeinen universitären Abschluss haben. So sind z.B. in der Sanität alle Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Labortechniker genauso "dottori", wie natürlich die Ärzte, aber auch  alle Verwaltungsangestellten höheren Grades, vom Generaldirektor abwärts bis mindestens zum Amtsdirektor. Klar, dass auch fast alle Politiker dottori sind, weil irgendwas werden sie irgendwo schon studiert haben. Deutschsprachige Südtiroler haben gern in Österreich oder Deutschland studiert, sich die Studien flugs in Italien anerkennen lassen und werden so auch zu "dottori", was ja auch viel besser klingt als "Magister", nur halt a bisserl "walsch"... Deshalb und wegen der Autonomie, darf man den Titel in diesem Fall auch übersetzen - und schon ist man "Herr Doktor". Und das, obwohl das Studium vielleicht in Deutschland oder Österreich gemacht wurde, wo ein "Doktor" aber etwas ganz anderes ist, nämlich etwas, wozu man etliche Studienjahre und Forschung zusätzlich aufweisen muss. In der Tat wundern sich ausländische Besucher nicht schlecht über die akademischen Hochburgen in unseren Krankenhäusern, Gemeindeverwaltungen, usw... Wird man darauf angesprochen, so muss man peinliche langatmige Erklärungen über die italienischen und südtiroler Anomalien abgeben, wird dafür aber wieder zu einem normalen Menschen (se tacuisses...).

Nachdem sich Südtirol gerne als Angelpunkt zwischen Nord und Süd sieht, könnte man doch gerade hierzulande etwas frischen Wind in den Titel-Muff bringen. Längst schon benutzt die internationale wissenschaftliche Gemeinde keine Titel mehr vor den Namen. Nur bei Bedarf schreibt man - hinter den Namen - die international genormten Abkürzungen, wie BA, PhD, MA...

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Harald Knoflach Di., 02.04.2013 - 07:20

diese praxis ist einfach nur unlauter und widerspricht akademischer ethik. *fremdschäm*

mag. phil. harald knoflach

Di., 02.04.2013 - 07:20 Permalink
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Heinrich Tischler Di., 02.04.2013 - 10:46

Richtig! Auch ich wäre der Meinung dass z.B. auf den Namensschildern nur der Name stehen soll und darunter die Berufsbezeichnung (Arzt, Krankenpfleger, Physiotherapeut usw.), dass er dafür studiert hat, ist wohl klar. Der Titel allein kann oft recht irreführend sein, so gibt es Verwalter in Privatkrankenhäusern, die Biologie studiert haben und Amtsdirektoren im Gesundheitsassessorat, die DAMS ( Discipline delle Arti della Musica e dello Spettacolo) abgeschlossen haben.

Di., 02.04.2013 - 10:46 Permalink
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Sybille Tezzele Di., 02.04.2013 - 10:54

Antwort auf von Heinrich Tischler

bzw. "Ärztin, Krankenpflegerin, Physiotherapeutin, Amtsdirektorin", gell. ;)

Sorry aber mir fällt bei sehr vielen Beiträgen in Salto auf, dass immer noch zu häufig der "Frauen-sind-natürlich-mitgemeint"-Stil benutzt wird. Ist jetzt nur Zufall, dass ich ausgerechnet hier meckere.

Di., 02.04.2013 - 10:54 Permalink
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Heinrich Tischler Di., 02.04.2013 - 14:52

Antwort auf von Sybille Tezzele

ich habe ja nach den drei Beispielen "usw. " geschrieben, danach wären sicher die Frau-Bezeichnungen gekommen :O), Spaß beiseite, ich bin ein älteres Semester und habe mich noch nicht immer umgestellt, soll nie als Unterstellung angesehen werden. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa....

Di., 02.04.2013 - 14:52 Permalink
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Sybille Tezzele Di., 02.04.2013 - 15:04

Antwort auf von Heinrich Tischler

"noch nicht immer umgestellt", das klingt aber sehr gut und ermutigend! *freu*
Es war übrigens für mich auch eine Umstellung und bewusste Arbeit an meiner Sprache, die immer noch nicht ganz abgeschlossen ist (z. B. gerade im Italienischen happert es bei mir noch oft, aber ich bemühe mich...) :)

Di., 02.04.2013 - 15:04 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Di., 02.04.2013 - 15:50

Antwort auf von Sybille Tezzele

Ich verstehe dieses ganze Getue um -in und - innen sowieso nicht.
Jeder normale Mensch auf diesem Teil der Erde, wo man sich über dieses Sachen Gedanken macht, müsste doch mittlerweile wissen, dass auch Frauen studieren dürfen, auch ohne diese -innen, oder?
Es gab doch vor 30 Jahren auch nur Krankenschwestern, oder hat hier schon mal jemand von Krankenbrüdern gehört?

Di., 02.04.2013 - 15:50 Permalink
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Benno Kusstatscher Di., 02.04.2013 - 12:21

Antwort auf von Heinrich Tischler

will hier nicht klugscheissern, aber die gezeichnete Optik berücksichtigt ein paar Punkte nicht: in Deutschland ist meines Wissens amtlich gesehen der "Dr." Teil des Names, was auf die anderen Titel ja nicht zugrifft. Wie andere Firmen wird sich auch BASF dem nicht so einfach widersetzen können. Ich kann persönlich von einem konkreten Fall berichten, bei dem in Deutschland ein "Dr." auf wohlverdiente Betitelung bewusst verzichten wollte, der amerkanische (!) Arbeitgeber aber nicht bereit war, die deutsche Gesetzgebung entsprechend zu umgehen.

Mir liegt der vermutlich hier zitierte Orginalbericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nicht vor, aber so wie ich das verstanden habe, ging der Vorschlag nur soweit, den Titel in der persönlichen Anrede zu vermeiden, und den "Dr." auf Visitenkarten selbstredend weiterzuverwenden. Visitenkarte oder Türschild ist dann wohl einerlei.

Bevor der Aufruf an Unbekannt verhallt, würde ich ganz gezielt die öffentliche Verwaltung zu einem sauberen Umgang der akademischen Titel auffordern. Ein "Dot." ist kein "Dr." und ein "Mag." ist höchstens ein "Br.-Dr." (Brennerdoktor). Ob die Titel wie vorgeschlagen ganz zurückgenommen werden, ist die eine Diskussion. Warum bei uns aber Titel oft ganz bewusst fälschlich benutzt werden ist eine andere.

Di., 02.04.2013 - 12:21 Permalink
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Manfred Tuchin Mo., 20.07.2015 - 09:01

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Nein, der Doktor ist auch in Deutschland niemals "Teil des Namens". Diese Geschichte hält sich hartnäckig, hat aber absolut keine Rechtsgrundlage. Möglicherweise hat sie ihren Ursprung darin, dass man in Deutschland den Doktorgrad (und nur diesen) auf Wunsch in den Pass eintragen lassen kann. Das macht ihn aber auch nicht zum "Teil des Namens".

Mo., 20.07.2015 - 09:01 Permalink
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Harald Knoflach Do., 04.04.2013 - 09:55

@ oliver
meines wissens gibt es in österreich keine "titelpflicht". auch ist der titel nicht teil des namens sondern eine so genannte befügung.

rechtsgrundlagen dazu publiziert auf der webseite des bundesministeriums für wissenschaft und forschung:
http://www.bmwf.gv.at/fileadmin/user_upload/wissenschaft/naric/fuehrung…

zitat:
"Gemäß § 88 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002 – UG, BGBl. I Nr. 120/2002, in der
geltenden Fassung haben Personen, denen von einer anerkannten inländischen oder
ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung ein akademischer Grad verliehen
wurde, das Recht, diesen in der in der Verleihungsurkunde festgelegten Form zu führen."

zur beifügung die rechtsgrundlage aus dem personenstandsgesetz von 1983:
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Geset…

Do., 04.04.2013 - 09:55 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Tuchin
Manfred Tuchin Mo., 20.07.2015 - 09:05

Nein, das ist völlig unwahr. Es gibt keinerlei Pflicht zur Führung akademischer Grade - nur ein Recht darauf.

Als Akademiker dürfen Sie ihren Grad auf beliebigen Dokumenten verwenden, sie dürfen auch gegenüber österreichischen Behörden darauf bestehen dass er in Urkunden eingetragen wird (so auch in den Reisepass), aber das Fehlen des Grades macht ein Dokument nicht ungültig. Die Rechtslage macht hier übrigens auch keinen Unterschied zwischen den Graden, egal ob Bachelor oder Doktor (es hält sich ja gerade im deutschen Sprachraum gelegentlich der Mythos vom Doktorgrad, der "Teil des Namens" sei).

Mo., 20.07.2015 - 09:05 Permalink
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Profil für Benutzer Dr. Streiter
Dr. Streiter Mo., 20.07.2015 - 15:14

Entspricht eigentlich die Alte Laurea (vecchio ordinamento), als höchstrangige/einzige akademische Ausbildung, die es bis ca. 1990 in Italien gegeben hat rechtlich dem PhD?
Das wär nicht unlogisch da die Reform sonst ein Downgrading bedeutet hätte.
Wenn dem PhD so gibt es zumindestens für jene die nach alter Laurea in Italien studiert haben ein Nulla Osta in der Frage.

Mo., 20.07.2015 - 15:14 Permalink
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Profil für Benutzer Dr. Streiter
Dr. Streiter Mo., 20.07.2015 - 16:36

Antwort auf von Frank Blumtritt

Nein, es gibt 2 Reformen.
Bis in die 1980 gab es nur die Laurea als einziges Univ. Diplom.
Dott. ric. wurde damals eingeführt.
https://it.wikipedia.org/wiki/Dottorato_di_ricerca

Until the introduction of the Dottorato di ricerca (PhD-level education) in the mid-1980s, the laurea constituted the highest academic degree obtainable in Italy and allowed the holder to access the highest academic careers.
https://en.wikipedia.org/wiki/Laurea

Mo., 20.07.2015 - 16:36 Permalink