Politik | Nach fünzig Jahren

Das Ende einer politischen Vision

Sechzig Jahre als Philatelist haben mir viel Positives gebracht, das ich heute in vollen Zügen genießen kann.
Fünfzig Jahre politische Aktivität eher das Gegenteil.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Ich wandle gerne auf den Spuren von Alexander Langer.  Seine Vorstellung von Südtirol ohne Sprachgruppenerklärung hat mir immer eingeleuchtet.  Auch die Tatsache, dass sich die Probleme in Südtirol nicht nach Sprachgruppen unterteilen lassen, sondern eher in aufgeschobene Probleme und ungelöste, war mir immer klar. Zwanzig Jahre in Bozen haben mir meine eigene Erfahrung machen lassen, wie Herr und Frau Südtiroler am ehesten überleben könnte, ohne sich dauernd von der Mehrheitspartei in den ethnischen Kampf verwickeln zu lassen. Daraus ist für mich die Erkenntnis gereift, dass Parteien interethnisch agieren sollten. Einige Parteien haben es probiert, die Grünen mit Erfolg, eben als Erben von Alexander Langer. Auch der Partito Democratico ist auf diesen Zug gesprungen, mit viel weniger Erfolg, weil nicht konsequent genug umgesetzt. Letzthin hat auch das Team K für ein interethnisches Wirken plädiert, wenn es auch kein Kandidat der italienischen Sprachgruppe in den Landtag geschafft hat.

Dieselbe Überlegung galt auch beim Aufbau einer Bürgerliste in Schlanders. Die Marktgemeinde hätte geradezu die besten Voraussetzungen dazu. Die italienische Bevölkerung ist gering, aber sie ist da, zum Unterschied von vielen anderen Gemeinden des Vinschgaus. Also ist sie zu berücksichtigen, ja mehr noch, sie kann einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens in der Gemeinde leisten. Nur muss sie dazu mit einbezogen werden in die politischen Gremien und in die Entscheidungen. Es ist übrigens auch auf Landesebene schon ein echtes Kuriosum, dass gewisse Kreise ganz überzeugt vom Freistaat, der Annexion an Österreich und vom Doppelpass reden, ohne nur einen Augenblick an die italienische Bevölkerung in Südtirol zu denken, ja sogar zu den strengen Hütern der Trennung gehören. Dieses Verhalten entbehrt jeder Logik.

Wir schreiben das Jahr 2020, also 25 Jahre nach dem Tode von Alexander Langer. Was hat sich in den Köpfen der Menschen in der Zwischenzeit getan?  Würde sagen, gar nichts. Ich habe in Schlanders die bittere Erfahrung gemacht, dass die deutschsprachige Bevölkerung eine politische Zusammenarbeit mit der italienischen Sprachgruppe selbst in einer freien Bürgerliste nicht will. Wenn es drauf ankommt, dann ziehen sich die Kandidaten lieber zurück. Und parallel dazu zeigt auch die italienischsprachige Bevölkerung kaum Interesse, sich mit der deutschsprachigen zusammenzutun und gemeinsam die Probleme in der Gemeinde Schlanders anzugehen.  Misstrauen, Egoismus und Nationalismus herrschen vor und verhindern eine fruchtbare Zusammenarbeit zum Wohle aller. Mit der Brechstange geht es nicht, sondern nur mit etwas gutem Willen,  Einsicht der Notwendigkeit und der gegenseitigen Achtung.  Es ist traurig, wenn Italiener, die seit vierzig und mehr Jahren in Südtirol leben, nicht nur kein deutsches Wort sprechen, sondern auch keines verstehen. Wobei ich bemerken muss, dass auch auf der deutschsprachigen Seite die Italienischkenntnisse nicht so sind, wie sie sein sollten und könnten, selbst bis in die Politikerkreise hinauf. Unter den derzeitigen Voraussetzungen macht es jedenfalls wenig Sinn, eine interethnische Bürgerliste zusammenzustellen. Für mich persönlich ist diese Vision gescheitert und ich werde keine Zeit und Energie mehr dafür investieren.

Eine leise Ahnung, wie schwierig es ist, den Auftrag des Team K vom April 2019 umzusetzen und in Schlanders eine Bürgerliste aufzubauen, bekommt man beim Lesen einer Facebook-Nachricht, die mich bereits im Mai 2019 erreichte und mir das Blut in den Adern stocken ließ. Sie schlägt auch in die Kerbe der ethnischen Trennung, nur ein gutes Stück tiefer, ziemlich unter die Gürtellinie. Diese Kritik hat mich jedoch in meinen Bemühungen   nur beflügelt, obwohl die beiden Herren, die diese Nachricht zur Kenntnis erhalten hatten, bis heute kein Wort dazu verlauten ließen. Hier der volle Wortlaut der Nachtricht von Gerhard Tumler vom Sonntag, den 5. Mai 2019 auf Facebook:

Werter Sebastian, zwar  habe ich Verständnis dafür, dass es terminliche Probleme in dieser heißen Wahlkampfphase gibt, trotzdem wäre ein klärendes Gespräch höchst an der Zeit gewesen. Leider habe ich noch nie verstanden, wer die in den Medien zitierte Führungsspitze des TK Schlanders ist und von wem ernannt oder beauftragt.  Den Weichen, die vorab gestellt wurden, zufolge bist Du, Sebastian der Kopf und „Alleinherrscher“. Spricht nichts dagegen, wenn im Zusammenhang mit Deinen, manchmal weit unter die Gürtellinie gehenden Wutausbrüchen, nicht auch andere Namen, unter anderem auch der Meine, genannt wird. Kein einziger   potentieller TK Wähler in Schlanders  ist bereit, eine derartig unsachliche politische Anfeindung mitzutragen. Wenn jemand eine alternative zur SVP oder anderen Parteien sucht und im TK findet, dann deshalb, weil der Kopf der Initiative Paul Köllensperger immer versucht ist,  sachlich zu bleiben. Über die Entscheidung des Schlanderser TK, als erste Maßnahme gleich eine italienische Richtung vorzugeben, gehe ich hier nicht ein. Das Feedback dafür, verständlicherweise mehr als bescheiden. Überhastete und nicht koordinierte Maßnahmen bringen selten den erwünschten Erfolg.  Es freut mich für Dich Sebastian, dass Du jetzt auch eine politische Plattform gefunden hast, um deinen Unmut freien Lauf zu lassen, ob das letztendlich zielführend für das TK ist, bleibt abzuwarten.  Ich habe jetzt einige Zeit Deine Kommentare in den verschiedenen Medien verfolgt, inakzeptabel (zumindest für mich) für eine Person, die sich anschickt, die Fäden für eine politische Vereinigung in einem Dorf zu ziehen und dabei schon von einem gelben Bürgermeister spricht. Dies vorausgeschickt, werde ich mich, auch zum Selbstschutz, aus diesem Dunstkreis im TK Schlanders, bis auf weiteres wieder verabschieden. Ich wünsche Dir aber, dass du es viel besser machst als diejenigen, die Du immer wieder nicht nur kritisierst, sondern auch persönlich beleidigst. Beweis erst  einmal, dass Du es besser machst, dann kannst du austeilen.

Gruß Gerhard

NB.: Ich persönlich habe im TK trotzdem eine politische Heimat gefunden. Muss nicht aktiv sein.

Zur Kenntnis an Paul Köllensperger und Josef Unterholzner.

Dem ist nichts hinzuzufügen.  Wer gelernt hat, zwischen den Zeilen zu lesen, der hat alles verstanden.

Sebastian Felderer - Schlanders

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Weiser Mann Do., 12.12.2019 - 20:55

"Das Ende einer politischen Vision" - Ist das, was Sie schreiben die endgültige Resignation oder nur ein Frust-"sfogo"? Ich verstehe es nicht ganz!
Wir Visionäre haben´s schwer. Die größte Gefahr, die wir laufen, ist, dass die anderen unsere Vision entweder nicht auf Anhieb verstehen, oder dass sie glauben, da ist für meine Ideen und Vorschläge kein Platz mehr. Könnte das passiert sein?
Ihr Vision war ein Modell der links, grün, alternativen Bürgerlisten auf die einer möglichen Liste des Team K übertragen zu wollen. Da gab es wohl Missverständnisse. Oder?
"Die italienische Bevölkerung ist gering, aber sie ist da, zum Unterschied von vielen anderen Gemeinden des Vinschgaus. Also ist sie zu berücksichtigen, ja mehr noch, sie kann einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens in der Gemeinde leisten." Es scheint so, als wären Sie dabei gewesen, die Italiener einzuplanen, ohne dass das ihr konkreter Wunsch war. Das ist der Fehler, den Idealisten dauernd machen. Die Italiener müssen sich selbst rühren und ihr Interesse zeigen. Und es wäre auch legitim, die einfachere Lösung zu wählen, denn eine solche Liste zusammen zu stellen und sich zu verstehen ist schon nur unter Südtirolern schwer genug. Man sieh es ja bei den sechs Landtagskandidaten!
"Auch die Tatsache, dass sich die Probleme in Südtirol nicht nach Sprachgruppen unterteilen lassen, sondern eher in aufgeschobene Probleme und ungelöste, war mir immer klar." Ich weis nicht, ob das Langer so gemeint hat, realistisch ist es jedenfalls nicht, speziell nicht in "größeren" Städten, wo ich die Erfahrung habe. Kann sein, dass es in kleineren Gemeinschaften wie in Schlanders anders ist.

Do., 12.12.2019 - 20:55 Permalink
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Sebastian Felderer Fr., 13.12.2019 - 06:38

Antwort auf von Weiser Mann

Geschätzter "Weiser Mann". Sie haben leider bei ihrer Interpretation Thema verfehlt und die Lage total falsch eingeschätzt. Klar, Sie können ja nur das wissen, was Sie lesen.
Es ist weder Resignation, noch Frust, sondern ganz einfach Konsequenz.
Visonäre haben das Problem, entweder der Zeit voraus zu sein oder anders zu denken als die Masse.
Das Team K stelt keine Listen in den kleinen Gemeinden auf, deshalb konnte ich auch keine übertragen, auch wenn Ihre Farbauswahl vielfältig wäre.
Nachdem die Gruppe PD im Vinschgau im Frühjahr aufgelöst wurde, habe ich daraus eine interethnische Bürgerliste aufgebaut und deutschsprachige Kandidaten gesucht. Also kein Fehler eines Idealisten.
Vielleicht kenne ich die Vision von Alexander Langer einwenig besser wie Sie. Jedenfalls hätte ein Südtirol ohne Sprachgruppen besser in sein Konzept gepasst, als das des Herrn Zelger. Und wenn meine "Problemanalyse" nicht realistisch ist, dann ist Ihnen nicht zu helfen. Und eines müssen Sie wissen: Schlanders ist anders.

Fr., 13.12.2019 - 06:38 Permalink