In Aosta wird am 19. April ein neuer Regionalrat gewählt. Nicht etwa, weil die Legislaturperiode abläuft. Sondern weil die im Mai 2018 gewählte Regionalregierung wegen Unterwanderung durch die 'Ndrangheta abgesetzt worden war. Überraschen konnte das kaum. Seit Jahrzehnten gilt die autonome Region als Hochburg der kalabresischen Mafia.
Bereits vor zwei Jahren hatte die damalige Präsidentin der Antimafia-Kommission Rosy Bindi die Existenz einer seit drei Jahrzehnten anhaltenden "pax valdostaine" angeprangert – "un'alleanza fondata sulla compiacenza di operatori economici, classe dirigente e mafia." In einem Bericht der Ermittler wird die enge Zusammenarbeit zwischen lokalen Behörden und Mafia geschildert: "Lo stato dell` infiltrazione 'ndranghetista nel tessuto politico, amministrativo e istituzionale è sempre più inquietante".
Der Bürgermeister von Aosta Fulvio Centoz ist offenbar der einzige Vertreter der Lokalpolitik, der in die Affäre nicht verwickelt ist. Für Franco Mirabelli, PD-Sprecher in der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission, ist die Affäre ein gefährliches Warnsignal: "Se fossero dimostrate le ipotesi investigative, saremmo di fronte ad un salto di qualità senza precedenti nella capicità delle mafie di condizionare il governo regionale e le istituzioni." Der Präsident der Region Antonio Fosson ist nach dem Erhalt eines Ermittlungsbescheids ebenso zurückgetreten wie seine Assessoren Laurent Vieren, Stefano Borrello und Luca Bianchi. Die Skandale in der Region reichen weit zurück in die Jahre des mittlerweile geschlossenen Spielcasinos, das einen enormen Schuldenberg angehäuft hatte.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Staatsanwälte im Prozess über die letzte Mafia-Affäre in Aosta hohe Haftstrafen gefordert: 20 Jahre für den 'Ndrangheta-Drahtzieher Bruno Nirta, 9 Jahre für den Turiner Anwalt Carlo Maria Romeo, 4 Jahre für den Handwerker Fabrizio De Donato. Lakonischer Kommentar des unbeteiligten Bürgermeister von Aosta, Fulvio Centoz: "Spero che tanti miei colleghi capiscano che è possibile denunciare – senza voltarsi come hanno fatto in troppi."