Dass in der Fünf-Sterne-Bewegung der Haussegen schief hängt, lässt sich nicht nur an den täglichen Auseinandersetzungen ablesen, sondern auch an nüchternen Zahlen: 26 Parlamentarier haben dem M5S bisher den Rücken gekehrt. Ein weiteres Dutzend zögert – trotz Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation. In den Regionalräten ist die Zahl noch höher. Für den spektakulärsten Abgang freilich sorgte vor wenigen Wochen Luigi Di Maio mit seinem Rücktritt. Der scheidende Parteichef nahm sich dabei kein Blatt vor den Mund: "Bisogna rifondarsi. I peggiori nemici sono al nostro interno. Il fuoco amico grida vendetta. Basta con le pugnalate alle spalle." Ein Kriegsjargon.
Ende März sollten die stati generali der Bewegung stattfinden, eine Art Parteitag, auf der eine Klärung herbeigeführt werden sollte. Doch die Lage scheint so verworren, dass auch dieser Termin verschoben wurde. Unter dem Vorwand der für 29. März anberaumten Volksabstimmung über die Kürzung der Parlamentarier wurde die Klärung nun plötzlich auf unbestimmte Zeit vertagt: "Gli stati generali ci saranno dopo il referendum che vedrà la nostra comunità impegnata per informare a votare sì."
Doch die bevorstehenden Regionalwahlen Ende Mai in der Toskana, Ligurien, Veneto, Apulien, Kalabrien und den Marken sorgen für neue Zerwürfnisse.
Interims-Chef Vito Crimi spricht sich entschieden gegen jedes Bündnis mit dem Partito Democratico aus. Gesundheitsminister Roberto Speranza (LeU) hält diese Strategie für politischen Selbstmord: "Se si è alleati nel governo nazionale e insieme si fanno scelte che riguardano milioni di italiani, è naturale cercare convergenze nelle regioni che vanno al voto."
Vor wenigen Tagen wurde in Pesaro die M5S-Gemeinderätin Francesca Frenquellucci ausgeschlossen, weil sie Mitglied des Stadtrates von PD-Bürgermeister Matteo Ricci geworden war. "Ma non ho cambiato partito, porto avanti i valori del Movimento", erregt sich Frenquellucci. "Con il PD si può lavorare bene, mantenendo la nostra identità."
Doch Di Maio und sein Nachfolger Crimi versuchen, jeder Annäherung einen Riegel vorzuschieben. In Apulien wurde der Kandidat für den Regionalrat Mario Conca von der Liste gestrichen. Auf die Proteste der Basis reagiert Crimi mit surrealen Argumenten: "Viene contestato a Conca un atteggiamento che avrebbe potuto danneggiare il M5S in futuro." Auch in Ligurien versuchen Crimi und Di Maio, bei der bevorstehenden Regionalwahl jede Einigung mit dem Partito Democratico zu unterbinden. Eine von der Basis geforderte Abstimmung auf der piattaforma Rousseau wurde von Crimi abgelehnt.
Angesichts der sinkenden Umfragewerte eine unverständliche Haltung. Seit der letzten Parlamentswahl hat die Bewegung mehr als die Hälfte ihrer Stimmen verloren – von 32,7 auf 14,2 Prozent. Kaum ein Tag, an dem in Gemeinden und Regionen kein Parteiwechsel stattfindet. Die vorläufig letzten sind Neapels Gemeinderäte Nunzio Angiola und Gianluca Rospi.
Auch um die neue Parteiführung wird vorwiegend hinter den Kulissen gekämpft. Ursprünglich war die Wahl bei den stati generali geplant. Nach deren Verschiebung fordert Crimi nun eine Wahl in zwei Phasen: zuerst in den Regionen, dann auf nationaler Ebene.
Im Gespräch ist ein zukünftige Doppelführung für die Bewegung: Alessandro Di Battista und die Turiner Bürgermeisterin Chiara Appendino, die in der eigenen Fraktion seit Monaten grosse Schwierigkeiten hat. Di Battista dagegen musste sich heftige Kritik aus der Basis gefallen lassen, weil er sich viele Wochen im Iran aufgehalten hatte, ohne sich zu Wort zu melden. Die kämpferische Senatorin Paola Taverna vom linken Flügel will bei der Wahl ebenso wie ihre linke Kollegin Roberto Lombardi ein wichtiges Wort mitreden. Und Vito Crimi versucht weiterhin, die Wahl auf die lange Bank zu schieben.
Derweil berichten Italiens Medien fast täglich über "dissapori, accuse reciproche, cali di consenso, gestione sbagliata, problemi con l'organizzazione interna".
Auf dem Fünf-Sterne-Blog wurden potentielle Kandidaten für di regionarie mittlerweile aufgefordert, sich zu melden. Für eine Wahl, bei der den zerrissenen Cinque Stelle ein neues, folgenschweres Debakel droht.