Politik | Demokratie

Ungewohnte Sitzung

Der Landtag muss die gesetzliche Basis für bestimmte Maßnahmen in der Corona-Krise schaffen. Der Landeshauptmann bittet um das Ok für eine “unorthodoxe Vorgehensweise”.
Videochat Fraktionssprecher
Foto: Südtiroler Landtag

Es war eine Premiere, die am Mittwoch Nachmittag stattgefunden hat. Seit genau zwei Wochen ist der Südtiroler Landtag wegen der Corona-Krise geschlossen. Alle Sitzungen sind bis auf Weiteres abgesagt. Auch die für kommende Woche anstehende Landtagssession. Doch Demokratie kann nicht in Quarantäne. Erstmals seit Beginn des Shutdown des Landtags fand gestern ein Austausch zwischen Mehrheit und Minderheit statt. Bei einer Videokonferenz mit allen Fraktionssprechern und dem Landtagspräsidium berichtete Landeshauptmann Arno Kompatscher über den Stand der Dinge.
Nach dem informellen Austausch muss nun beschlossen werden, wie es mit dem Parlamentarismus in Südtirol weitergeht.

 

Keine uneingeschränkten Alleingänge

 

Es werde, schätzte Kompatscher, für die Unterstützungsmaßnahmen eine weitere Milliarde Euro brauchen. Dafür muss sich Südtirol verschulden. “Wir werden Geld in die Hand nehmen müssen, und es wird nicht ohne Schmerzen gehen.” Eine Kreditaufnahme dürfte für das Land mit seinem AAA-Rating aber kein Problem sein, so Kompatscher.
Um die heimische Wirtschaft zu unterstützen will das Land unter anderem Direktgarantien bei den Banken hinterlegen, damit diese Unternehmen Geld leihen. “Das Land will für die Kredite bürgen, besteht dafür aber auf einen niedrigen Zinssatz”, so Kompatscher. Außerdem bestätigte er, dass die Fälligkeit der Gemeindeimmobiliensteuer GIS auf Dezember verschoben werden soll. Diese beiden Maßnahmen aber kann der Landeshauptmann bzw. die Landesregierung nicht im Alleingang beschließen. Ebensowenig die Haushaltsänderungen, die notwendig sind, damit zum Beispiel Umbuchungen zugunsten des Sanitätsbetriebs gemacht werden können – etwa zum Ankauf von notwendigem medizinischen Material.

 

Zur Terminverschiebung der GIS muss das entsprechende Landesgesetz geändert werden. Die muss der Landtag beschließen. Genauso die Kreditgarantien und die Haushaltsänderungen. Der Vorschlag von Landeshauptmann Kompatscher: Die Landesregierung soll in dieser Krisenzeit eigenständig die notwendigen gesetzlichen Interventionen vornehmen können. Um schnell reagieren zu können. “Das ist verfassungsrechtlich nicht möglich”, weiß nicht nur SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz. Der Landeshauptmann aber berichtete von einem Vorstoß der Regionen in Rom.

Zugleich bat der die Fraktionssprecher um Zustimmung für diese unorthodoxe Vorgehensweise.
Und die würde so ausschauen: Landeshauptmann bzw. Landesregierung erlassen per Dekret Gesetzentwürfe oder -änderungen, die unmittelbar in Kraft treten. Den Fraktionssprechern werden vorab die entsprechenden Unterlagen zugeschickt. Der Landtag soll die Dekrete dann innerhalb einer bestimmten Frist ratifizieren. Mit einem verkürzten Iter, der von der Geschäftsordnung abweicht und unter anderem die Behandlung in den Gesetzgebungskommissionen überspringt.

 

Physisch oder virtuell?

 

Darüber, dass es in der aktuellen Situation eine Ausnahmeregelung mit einer vereinfachten Gesetzgebungsprozedur braucht, damit das Land handlungsfähig bleibt, ist man sich unter den Fraktionssprechern einig. Über das Wie die Ratifizierung durch den Landtag zustande kommen soll, gehen die Meinungen auseinander.

“Für kleinere Umbuchungen braucht es den Landtag zwar formell, aber inhaltlich nicht”, findet Gert Lanz. “Für größere Beträge und Investitionen aber braucht es sicher einen Austausch auf politischer Ebene.” Landtagspräsident Sepp Noggler hat die Mitarbeiter und Techniker im Landtag beauftragt, zu prüfen, ob es möglich ist, eine digitale Landtagssitzung abzuhalten.

Im Trentino hingegen ist der Landtag vergangenen Donnerstag im Landtagsgebäude zusammengetreten, um in einer Dringlichkeitssitzung die Unterstützungsmaßnahmen der Landesregierung für die Wirtschaft auf eine gesetzliche Basis zu stellen. Darauf verweist Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore). Denn auch in der Südtiroler Opposition gibt es den Wunsch nach einer physischen statt einer virtuellen Sitzung – unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen.

 

Der Grund? Abgesehen von den technischen Herausforderungen, um 35 Landtagsabgeordnete per Video oder in einem Chat zusammenzuschalten, stellt sich die Frage, wie in einer digitalen Sitzung die Geschäftsordnung eingehalten werden kann. Zum Beispiel die Durchführung einer geheimen Abstimmung. Zudem müssen Landtagssitzungen öffentlich zugänglich sein. “Auch der Informationsfluss und Austausch untereinander kann nicht stattfinden”, gibt die Grüne Fraktionssprecherin Brigitte Foppa zu bedenken. Für sie gelte es zu prüfen, ob der Plenarsaal des Landtags die sanitären Voraussetzungen erfülle – etwa, ob die Einhaltung eines Mindestabstandes zwischen den einzelnen Abgeordneten möglich ist –, um dort eine Landtagssitzung durchzuführen. “Andernfalls könnte man ins nahegelegene Waltherhaus ausweichen”, schlägt Foppa vor.

“Auch Paul Köllensperger pocht auf die Durchführung einer physischen Sitzung des Landtags”, berichtet Landtagspräsident Noggler. Er sieht eine digitale Sitzung zwar problematisch – “nicht alle Abgeordneten, darunter auch ich, sind mit ihrer Ausrüstung auf dem neuesten Stand der Technik” –, aber eine Sitzung im Landtagsgebäude in Bozen genauso. “Welche Botschaft senden wir aus, wenn wir die Leute ständig aufrufen, daheim zu bleiben und dann die Abgeordneten aus allen Landesteilen zusammenkommen?” Auch SVP-Fraktionssprecher Lanz hat Bedenken: “Ist es sinnvoll, wenn die Menschen daheim bleiben sollen und wir alle nach Bozen pilgern?”

In der Opposition sieht man die Sache anders. Zum einen seien Landtagssitzungen Teil des parlamentarischen Betriebs – und den gelte es auch in Krisenzeiten aufrecht zu erhalten. “Die Mehrheit muss von der Minderheit kritisch begleitet und beobachtet werden, ansonsten steigt die Fehleranfälligkeit”, sagt etwa Brigitte Foppa. Zum anderen wünscht man sich auch eine politische Debatte über die Zukunft. “Wie soll es weitergehen, welche längerfristigen Maßnahmen braucht es, um die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Folgen dieser Krise abzufedern?”, fragt man sich im Team K.

“Wir werden jetzt einen Moment überlegen, die Entwicklungen bis Montag abwarten und dann eine Entscheidung treffen”, kündigt Landtagspräsident Noggler an. Fest steht für ihn aber: “Es braucht zeitnah eine Sitzung. Sie wird in irgendeiner Form stattfinden, aber nicht in der gewohnten Weise.”

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Michael Bockhorni Fr., 27.03.2020 - 08:06

also wenn die Lebensmittelversorgung systemrelevant ist, dann sind es wohl Landtagssitzung, in denen die Krisenbewältigung diskutiert und entschieden werden soll, ohne Frage.

Fr., 27.03.2020 - 08:06 Permalink
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Simon Gufler Mo., 30.03.2020 - 14:33

Die infizierten der zahlen wird noch dramatisch abnehmen. Man ist erst am ende. Wer glaubt, das essen wäre in ein paar sachen schon gegessen, der wird sich gewältigen. Mach sein, dass die ansteckung der quote etwas zunimmt. Doch es wird weiterhin zig von tausenden geben.

Mo., 30.03.2020 - 14:33 Permalink