Ein Donut für die Zukunft
„Wirtschaft“ und „Management“, also auch Krisenmanagement, ist Männersache. Nie war das deutlicher als in diesen Corona-Wochen, in denen Frauen so gut wie völlig von der Bildfläche verschwunden sind, dort zumal, wo die „wichtigen“ Botschaften verteilt, und die „wichtigen“ Entscheidungen getroffen werden. An anderer Stelle, dort, wo Frauen – mal ganz nüchtern betrachtet – dem „klassischen“ Bild der „dienenden“ bis „sich aufopfernden“ Weiblichkeit entsprechen – im Dienst am Kranken, im Dienst am Käufer, ganz bestimmt aber „im Sozialen“ und jedenfalls meist in untergeordneter aber fast sicher unterbezahlter Position – werden sie beklatscht, und bejubelt. Ob wir, als Gesellschaft, darauf stolz sein sollten, ist eine andere Frage. Auch, ob die Beklatschten und Bejubelten sich damit begnügen sollten, oder ob sie nicht besser diese Chance nutzen sollten, um endlich die Karten auf dem Verhandlungstisch zu ihren Gunsten zu drehen. So schnell dürfte sich diese Chance nicht wieder bieten.
Und während ich also (reichlich deprimiert) beobachte, wie sich – und zwar trotz der Tatsache, dass von mehr als nur einer äußerst kompetenten Seite gefordert wird, diese Corona-Zäsur zu nutzen, um grundsätzliche Weichen neu zu stellen – nichts ändern wird, weil „die Wirtschaft“ (an der alles hängt, das mag gefallen, oder nicht, aber so ist es) längst wieder auf den alten Schienen aufgegleist wird, ja schon wieder aus den Remisen fährt, und zwar schnurstracks in die nächste Katastrophe (letzteres ist, zugegeben, nur eine Ahnung).
Dass es auch anders sein könnte, darüber berichten „The Guardian“, und „Quartz“ aus Amsterdam bzw. den Niederlanden, wo - als Folge der Corona-Krise - eine wirtschafliche = gesellschaftliche = grundlegende und vielleicht bahnbrechende Revolution auf den Weg gebracht wird, und zwar so:
The city of Amsterdam this week officially decided to embrace what has come to be known as “The Doughnut Model,” a framework for sustainable development created by Oxford University economist Kate Raworth. In adopting this model, which attempts to balance the needs of people without harming the environment, the city hopes to emerge from the cloud of Covid-19 elbows out, with new purpose. The Dutch capital is the first city in the world to commit to the model, making it an economic experiment of a sort. (Quartz)
Es ist wohl eher kein Zufall, dass das „Doughnut“-Modell, nach dessen Ebenbild das Leben „nach Corona“ in Amsterdam neu geschaffen werden soll, von einer Frau erdacht wurde; es ist wohl auch kein Zufall, dass zwei Frauen an entscheidender (!) Stelle sitzen und von dort aus die Macht und also die Möglichkeit haben, zu verändern (so viel zur Frage, „was anders wäre, wenn Frauen mehr Macht hätten").
Ich werde hier das Doughnut-Modell nicht weiter sezieren. Es gibt dazu vielfältige Lektüre im Netz, und natürlich, für alle, die’s genau wissen wollen, Raworth’s Bestseller Doughnut Economics: Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist.
Es sei hier lediglich festgehalten, dass das Modell ziemlich wahrscheinlich genau alles enthält, was wir – als Gesellschaft – brauchen, um uns gut, gesund und gesichert in die nahe und fernere Zukunft zu tragen, indem „ökonomische Maßnahmen sich darum drehen sollten, zentrale menschliche Bedürfnisse zu bedienen, jedoch innerhalb der Grenzen und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Planeten". Anhand des „Doughnut“ (ein süßes Gebäck, dessen charakteristische Kringelform alle kennen dürften, spätestens seit es bei Mc Donald’s im Angebot ist) erklärt Raworth, wie ihr Modell funktioniert, und wie es wirkt.
„When suddenly we have to care about climate, health, and jobs and housing and care and communities, is there a framework around that can help us with all of that?” Raworth says. “Yes there is, and it is ready to go.”
Die Doughnut-Theorie gibt in erster Linie keine Antworten, sondern ermöglicht und eröffnet neue Sichtwinkel und neue Blickpunkte – und damit neue Herangehensweisen – auf die alten Probleme. Denn genau das ist, was wir – als Gesellschaft – gerade jetzt dringender denn je brauchen: das Alte neu denken. Es sieht leider nicht so aus, als seien wir – als Gesellschaft – in dieser Hinsicht überhaupt „innovativ“, im Sinne neuer Weichen, die für eine andere Zukunft jetzt neu gestellt werden.
An diesem „Weiter wie bisher“ irritiert übrigens auch, dass sich offenbar "in der Politik", die jetzt großzügig Mittel verteilt, um „die Wirtschaft“ wieder zu beleben, niemand zu fragen scheint, ob überhaupt die Wirtschaft nach Corona weiter genau so funktionieren wird, wie sie vor Corona funktioniert hat? Sehr wahrscheinlich ist das nicht.
So, und jetzt schließe ich den Kreis meines lauten Nachdenkens an dem Punkt, an dem ich angefangen habe, nämlich bei der weiblichen Beteiligung an der Gestaltung unserer Gesellschaft/deren Zukunft, und unterstelle frisch und frei, dass dieses fast schon blinde „weiter wie bisher“ strukturell bedingt ist, weil die „entscheidenden Männer“ an den „entscheidenden Stellen“ nicht nur gewissermaßen betriebsblind sind, sondern auch weil sie in jeder Hinsicht viel zu verlieren haben und noch mehr zu verlieren hätten, falls sie das Ruder nachhaltig herumreißen wollten - die Netzwerke sind alt, eng, und fest verwoben! - , weshalb sie lieber alles so belassen, wie es ist, allenfalls hier ein bisschen flicken und dort ein bisschen schrauben, nach dem Motto des Tommasi di Lampedusa "Alles muss sich ändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist".
Frauen hingegen haben - als "Quereinsteigerinnen", die sie ja gewissermaßen sind -, weder uralte Netzwerke noch uralte Bruderschaften und überhaupt auch sonst nichts zu verlieren. Weshalb sie, die Frauen also, ganz einfach und ohne viel nach rechts oder links zu schauen, Neues denken, Neues zulassen und Neues wagen können.
As can be seen in Amsterdam.
Liebe Silvia, danke für den
Liebe Silvia, danke für den interessanten Artikel, aber so schwarz - weiss ist die Welt nun wirklich nicht und immer alles in das "Frau gut - Mann schlecht" Schema zu pressen wird langweilig und verwässert den Kampf um Gleichstellung dort war er wirklich nötig ist. Angela Merkel, Ursula van der Leyen, Christine Lagarde, Sanna Marin, Sophie Willems, Mette Frederiksen, Katrin Jakobsdottir, Erna Solberg, Simonetta Sommaruga und einige weitere weibliche Regierungschefinnen werden wohl auch ihren Job als Krisenmangerinnen in ihren Ländern machen und auf deren Bildfläche aufscheinen. Mag sein, dass das Donut Modell von einer Frau erdacht wurde, es gibt aber auch genug Männer, welche Beiträge zu einer nachhaltigen Wirtschaft geleistet haben: Hans Carl von Carlowitz "erfand" den Begriff Nachhaltigkeit; das Konzept Faktor 4 stammt von Ernst Ulrich von Weizäcker, Amory und Hunter Lovins; das Gaia Konzept von Ephraim Lovelock usw. Andererseits fallen mir auch einige Frauen ein "die weiter wie bisher" Vertreterinnen waren: Magret Thatcher als Pionierin des Neoliberalismus mit TINA (there is no alternative), Christina Kirchner, Dilma Roussef, Park Geun-hye u.a. waren tief in Korruption verstrickt, Indira Grandi, Golda Meir, ... zeigen, dass Politik nicht automatisch besser wäre "wenn Frauen mehr Macht hätten". Es gibt ja leider auch genug Beispiele revolutionärer Männer, welche wenn sie (länger) an der Macht waren, nicht besser als ihre konservativen Vorgänger waren (z.B. Daniel Ortega). Wo ich mit Dir übereinstimme ist die Notwendigkeit starre und ausschliessende Macht-Netzwerke aufzubrechen und alle zu ermutigen, sich in die Gestaltung unserer Gesellschaft einzubringen.
Antwort auf Liebe Silvia, danke für den von Michael Bockhorni
Ja Michael Bockhorni, da gebe
Ja Michael Bockhorni, da gebe ich Ihnen ganz recht. Es kann nur etwas Besseres gelingen, wenn man nicht einseitig argumentiert und kämpft. Zu etwas Besserem führt mE nur ein ausgewogener Mittelweg.
Antwort auf Liebe Silvia, danke für den von Michael Bockhorni
Lieber Michael, du brauchst
Lieber Michael, du brauchst dich gar nicht weiter bei "schwarz-weiß" aufzuhalten, und schon gar nicht musst du seitenlang dazu dozieren (anderenfalls ich womöglich ahnen könnte, einen Nerv getroffen zu haben). Trag' doch lieber was zum "interessanten Thema" bei!
Antwort auf Lieber Michael, du brauchst von Sylvia Rier
Ich habe mir zwei Ted-Talks
Ich habe mir zwei Ted-Talks von Kate Raworth angehört und nirgens kommt Mannerbashing vor. Was würde sie wohl zu diesem Artikel sagen? Was glauben Sie, haben Sie damit zum Thema beigetragen?
Antwort auf Lieber Michael, du brauchst von Sylvia Rier
Liebe Silvia, mein Beitrag
Liebe Silvia, mein Beitrag zum Thema deines Artikels "Krisen- und Wirtschaftsmanagement aus der Genderperspektive" (so hab ich ihn verstanden) sind eben (ca. 1/4 A4 Seite) Hinweise, dass es auch Männer gibt die sich für ein nachhaltiges Wirtschaften einsetzen und Frauen, die eine konservative Politik betreiben. Ich glaube nicht an einen Automatismus (Frau gut - Mann schlecht), sehr wohl aber an die Notwendigkeit einer kritischen Analyse und Veränderung patriarchaler Herrschaftsstrukturen. Die Hinweise kommen aus der persönlichen Erfahrungen vieler Jahre in (umwelt- und gender)politischem Engagement - soviel zum "beitragen".
Antwort auf Liebe Silvia, mein Beitrag von Michael Bockhorni
Lieber Michael, dann hast du
Lieber Michael, dann hast du aber den Text VÖLLIG missverstanden (vermutlich missverstehen wollen, weil so viel Missverständnis ist gar nicht möglich!): Es geht um die Doughnut-Theorie! (gorgias hat's verstanden, immerhin hat er sich zwei TED-Talks zum Thema angehört, die er übrigens hätte einstellen können, anstatt wie üblich rumzumaulen). PS. Es gibt nachweislich noch andere, auch Männer, die auch völlig richtig verstanden haben, also nicht, was du verstanden hast. Magst noch einmal versuchen, unvoreingenommen zu lesen?
Antwort auf Lieber Michael, dann hast du von Sylvia Rier
Ihnen geht es doch nur
Ihnen geht es doch nur teilweise um die Doughnut-Theorie, benutzen Sie diese doch in einer unsachlichen Weise um wieder einmal Ihr Narrativ über die Geschlechter zu spinnen ungeachtet ob dies dann die Aufmerksamkeit auf das von Ihnen so gerne eindimensional behandelte Dauerthema lenkt.
Und wenn Sie mit Kritik nicht umgehen können und diese als Maulen abtun, dann zumindest beklagen Sie sich nicht dass die Ted-Talks nicht verlinkt wurden, denn das hätten Sie doch genau so gut selbst tun können, wenn Ihnen an diese Doughnuttheorie so liegt. Das Bild, das Sie benutzen stammt aus den Aufnahmen einer dieser beiden Videos .Genauso wie Sie mit etwas mehr die Theorie vertiefen hätten können, anstatt gleich auf Literatur zu verweisen, um mit Ihrem so geliebten Männerbashing fortzusetzen, das doch weit mehr Platz einnimmt als die Theorie selbst.
Ich würde bei Feminismus auch
Ich würde bei Feminismus auch unterscheiden: ich verstehe darunter viel mehr eine stark politisierte, ideologische, militante Richtung innerhalb der Frauenrechtsbewegung. (Diese Präzisierung beziehe ich nicht auf diesen Artikel).
"„Wirtschaft“ und „Management
"„Wirtschaft“ und „Management“, also auch Krisenmanagement, ist Männersache." Das ist aber auch nichts Besonderes, man kann es im Alltag beobachten - und es ist auch nichts Schlimmes daran.
Für die Hilfe, wo es Mut, schnelle Entscheidungen, Einsatz von Technik und rationales Handeln erfordert, dort finden wir ausschließlich oder vornehmlich Männer: Bergrettung, Feuerwehr, Rettungswesen und Zivilschutz!
Wo es hingegen einfühlsame und emotionale Hilfe benötigt: Kinder betreuen, erziehen, pflegen, empathisch und prozesshaft beraten, dort finden wir vornehmlich die Frauen. Und ich glaube, das ist nicht zufällig so, sondern hängt von geschlechtlich unterschiedlichen Neigungen und Fähigkeiten ab.
Deshalb sehen wir auch bei dieser großen gesellschaftlichen Krise die Männer voran und die Frauen dort, wo sie in Kollaboration auch mit Männern sehr wichtige Arbeit leisten, aber im Verhältnis z. B. Krankenschwestern zu wenig verdienen. Krankenpfleger aber auch nicht mehr.
Und da braucht es ein Umdenken und Umverteilen von Geldmitteln!
Und es braucht auch ein Umdenken bei Menschen im fünften Lebensabschnitt. Das habe ich Hubert Egger, den Südtiroler Erfinder der fühlenden Prothese. Zitat: "Aber im hohen Alter, also im letzten Fünftel des durchschnittlichen Lebens, würde ich das ( einen sehr teure und technisch aufwendige Prothese) nicht mehr machen lassen." Und so sehe ich es auch bei anderen gesundheitlichen Problemen und Entscheidungen: keine sündteure Krebstherapien mehr, weniger Langzeit-Pflege und weniger langes Leben in Demenz - wo die Person selber und ihre Bezugspersonen nichts mehr von der künstlichen Lebensverlängerung haben. Deswegen der Aufruf, rechtzeitige eine Patientenverfügung zu machen! Durch selbst-gewählte Einschränkung der langen Pflege-Zeit, kann viel Geld eingespart und die Pflegerinnen dafür besser bezahlt werden.
ok dritter Versuch. Beim
ok dritter Versuch. Beim nochmaligen durchlesen finde ich ca. die Hälfte Geschlechteraspekte und zur andern Hälfte das Donut Modell. Ich hab also im Netz ein wenig dazu gelesen und zugehört. Es ist eine Weiterentwicklung des Konzepts der ökosozialen Marktwirtschaft, des nachhaltigen Wirtschaftens (im ursprünglichen Sinn mit den drei Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft) und auch der Postwachstumsdiskussion. Für mich neu und interessant ist die Einbeziehung von Untergrenzen (Innenkreis "Gesellschaftliches Fundament" der Bedürfnisbefriedigung) und Obergrenzen (Außenkreis "Ökologische Decke - Belastbarkeitsgrenzen des Ökosystems). Spannend ist auch der Ansatz das bisherige Verteilungskonzept zu hinterfragen. Corporate Citizenship, Mitarbeiter_innenbeteiligung und Genossenschaften sind allerdings keine neuen Antworten (und keine Garantie für dauerhafte Veränderung der Gesellschaft - ich denke da z.B. an Giebelkreuz). Und die Kardinalfrage ist ja nicht ob oder wohin Veränderung sondern wie wird Veränderung initiiert und gemanagt bzw. politisch gestaltet. Die Geschichte zeigt und einen Teil davon habe ich persönlich aktiv miterlebt, dass gute Ansätze, engagierte Menschen nicht davor gefeit sind , gerade dann zu versagen, wenn die Minderheit zur Mehrheit wird und an der Macht und im Mainstream angekommen sind.
Antwort auf ok dritter Versuch. Beim von Michael Bockhorni
dazu ein Literaturtipp "Warum
dazu ein Literaturtipp "Warum Feminismus gut für Männer ist" von Jens van der Tricht https://www.deutschlandfunkkultur.de/jens-van-tricht-ueber-warum-femini… mit Interview im sehr empfehlenswerten ERNST das Gesellschaftsmagazin für den Mann https://www.ernstmagazin.com
Antwort auf dazu ein Literaturtipp "Warum von Michael Bockhorni
Einiges davon, was ich in
Einiges davon, was ich in diesem Link lesen kann, habe ich ganz anders erfahren. Nicht die Männer verlangen, dass Frauen wie Männer sind, sondern umgekehrt. Viele sogenannte emanzipierte Frauen, wollen so werden wie Männer: kämpfen gleich, vielleicht ein bisschen raffinierter und emotionaler, sind gleich, wie die Männer bereit "Über Leichen zu gehen", um ihre Karriereziele zu erreichen, usw..
Viele typische Männerberufe haben sie erobert und bilden oft schon die Mehrheit; sie sind auch schon Polizistinnen, Soldatinnen, Feuerwehrfrauen - ich verstehe z. B. nicht, warum man sich emanzipiert fühlt, wenn man die gleichen Dummheiten bereit ist zu machen, wie die Männer: z. B. Soldatin, Offizierin, usw.
Als Berufsberater a.D. weiß ich, dass die Mädchen und Frauen andere Neigungen, Bedürfnisse und auch Fähigkeiten und Kompetenzen haben. M.E. ist eine Frau emanzipiert, wenn sie dieses wahrnimmt akzeptiert und daraus etwas macht, worauf sie stolz ist. Und wenn sie aus der Reihe tanzt mit ihren Neigungen und Fähigkeiten, dann ist das auch gut. Man muss aber nicht immer 50:50 machen! Die Berufsleistungen müssen aber gleich bewertete werden, wobei meine Erfahrung ist, dass Frauen bei der Berufswahl, weniger als die Männer, auf den Verdienst und die Karriere achten!
Aber auch die Männer müssen sich nicht von den Frauen sagen lassen, wie sie sich emanzipieren sollen! Deswegen müssen Männer meines Erachtens auch nicht feministischer werden - außer sie möchten es!