Chronik | Protest

Staatsgefährdendes Rumstehen

Mehrere Bozner und Boznerinnen erhielten am Samstag Besuch der politischen Polizei. Ihr angebliches Vergehen: Sie hatten eine Flashmob-Nachricht weitergeleitet.
coronavirus
Foto: upi
Früher kam zu Ostern der Osterhase.
In Zeiten von Corona kommt die Polizei.
So jedenfalls haben es rund ein halbes Dutzend Südtiroler und Südtirolerinnen am vergangenen Samstag erlebt. „Ich war total eingeschüchtert“, sagt eine junge Südtirolerin „und auch heute noch, kommt mir die ganze Geschichte völlig absurd vor.
Giorgio Porroni, Kabinettschef des Bozner Quästors sieht das naturgemäß anders. „Es waren freundliche Gespräche, bei denen wir uns ein Bild der Lage machen wollten“, sagt der Mann der jahrelang auch der Abteilung „Allgemeine Ermittlungen und Sondereinsätze“ (DIGOS) vorstand. Einer Polizeieinheit, die im Volksmund als „politische Polizei“ bekannt ist.
Dabei macht diese Geschichte deutlich, wie fragil das Pflänzchen Meinungsfreiheit in Notzeiten sein kann. Aber auch, wie schnell in Zeiten von Corona bürgerliche Grundrechte eingeschränkt werden können.


Der Flashmob

 
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein spontan organisierter Flashmob. Am vergangenen Samstag kursierte eine Nachricht auf Whatsapp und als SMS. In der Nachricht wird zu einer friedlichen Protestaktion gegen die Ausgangssperren in Sachen Corona aufgerufen.
Der Text:
 

"FLASHMOB für die Eigenverantwortung. Ich hab großen Respekt für die Opfer des Corona und finde, dass die Verbreitung des Virus unbedingt eingeschränkt werden muss, nur an der Art und Weise, WIE es vom Staat und Land gemacht wird, überzeugt mich nicht mehr. Ich bin nicht Überzeugt an der Entmündigung der Bürger durch Ministerpräsident, Landeshauptmann und Bürgermeister, an der Einschüchterung der Menschen durch die Polizeiapparate, an der ganzen Zettelwirtschaft und notwendigen Rechtfertigung; dass wir uns in engen Gassen tummeln müssen, während die Parks geschlossen sind, dass die Kinder draußen nicht spielen dürfen und dass ich bei frühlingshaften Temperaturen statt frischer Luft zu atmen einen Mundschutz/Halstuch tragen muss. Das alles unter Androhung saftiger Strafen. Im Namen der Eigenverantwortung für die Bürger rufe ich zum FLASHMOB am SAMSTAG 11. APRIL um 18 Uhr auf: Geht alle auf die Straße, oder bis zum nächsten Platz und zeigt euch!
 
 
Der Flashmob muss innerhalb des gesetzlichen Rahmens stattfinden.
Der Flashmob muss innerhalb des gesetzlichen Rahmens stattfinden, also haltet die 200 m von eurem Wohnort ein, haltet 3 m Abstand zu euren Mitmenschen, und legt das Halstuch/Mundschutz an. Leite die Nachricht bitte weiter und komm auch DU! Um ein Zeichen zu setzen, denn das nächste Dekret wartet schon in der Schublade ... SAMSTAG 11. APRIL 18 Uhr."

Diese SMS ging am Samstag viral durch Südtirols Gesellschaft. So erreichte sie am Samstagnachmittag zum Beispiel auch den Autor dieser Zeilen. „Ich habe diese Nachricht bekommen“, sagt die junge Frau, „und an eine Handvoll Freunde und Freundinnen weitergeleitet. Mehr habe ich nicht getan“.
 

Die Polizei

 
Am Samstag gegen 16 Uhr stehen bei der jungen Südtirolerin plötzlich aber vier Polizeibeamte vor der Tür. „Wie man auf mich gekommen ist, verstehe ich heute noch nich“, sagt die Frau zu Salto.bz. Sie sei weder die Organisatorin des Flashmobs, noch kenne sie die Initiatoren.
Die Polizeibeamten sind nach der Schilderung der Beteiligten freundlich aber bestimmt. So verhören sie die Frau nicht nur zum Flashmob, sie fordern sie auch auf, ihnen ihr Handy auszuhändigen. Erst als eine Mitbewohnerin darauf hinweist, dass sie dazu eine richterliche Verfügung haben müssen, lässt man dieses Ansinnen fallen.
 
 
Tatsache ist, dass die Beamten am Ende der Frau ein Protokoll vorlegen, das diese unterschreiben muss. „Ich habe ersucht eine Kopie davon zu bekommen“, sagt die Frau. Ihr wurde aber erklärt, dass das nicht möglich sei. Diese Vorgangsweise macht deutlich, dass der Polizeibesuch zwei Stunden vor Beginn des Flashmobs eine offizielle Amtshandlung war.
Wir haben an ein paar Türen geklingelt“, bestätigt auch Kabinettschef Giorgio Porroni gegenüber Salto.bz die Polizeiaktion. Man sei von offizieller Seite auf die geplante Protestaktion aufmerksam gemacht worden. „Unsere Aufgabe ist es zu verstehen, was da geplant war“, sagt der Polizist. Gerade in diesen schwierigen Zeiten sei es wichtig, dass die Polizeikräfte besonders aufmerksam sind. Zudem seien in dieser Zeit Protestveranstaltungen grundsätzlich verboten.
Die Tatsache, dass in der Nachricht zwar politische und gesellschaftliche Kritik geübt wird, aber explizit auf die Einhaltung der Bestimmungen gepocht wird, habe den anfänglichen Alarmzustand bei den Behörden deutlich abgekühlt.
Eine unrechtmäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit oder der Grundrechte durch diese Aktion, sieht der ehemalige DIGOS-Chef nicht. „Wir wollten nur Klarheit haben und nicht jemand wegen dieser Sache verfolgen“, sagt Porroni.
Nach der Darstellung des Kabinettschefs der Bozner Quästur gebe es weder ein Ermittlung noch Anzeigen zum Flashmob.
Demnach war die Polizeiaktion also nur ein typisches Osterei?