Ja, Mama opfert sich für alle
Ja, Mama opfert sich für alle auf, ich kenne das Narrativ von meinen Großmüttern. Zum Glück verfolgen Frauen heute andere Lebensentwürfe, in denen auch persönliche Freiheit vorgesehen ist.
„Verwöhnen Sie Ihre Queen of Quarantine zum Muttertag!“: So ähnlich warb ein Südtiroler Gastbetrieb vergangene Woche für sein Muttertags-Menu, und ich musste lange überlegen, wer mit dieser „Queen of Quarantine“ wohl gemeint sein könne. Eine Queen, so wie ich sie mir vorstelle, sitzt den ganzen Tag gepflegt rum, macht, was sie will, trägt eine Corona (he he) auf dem Kopf und Geschmeide am Körper, und ist umgeben von Lustknaben und Dienerschaft, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Wenn ich an die Zeit des lockdown denke, trifft diese Beschreibung am ehesten auf meine Katze zu: Wieso ich ihr aber zum Muttertag ein mehrgängiges Menu mit Spargeln und Filet spendieren sollte, blieb mir schleierhaft – bis sich der Schleier lüftete: Gemeint waren tatsächlich wir Mütter. Wir Mütter, die wir in den vergangenen Wochen noch mehr als sonst geputzt, gewaschen, gekocht haben, daneben noch home office und home schooling gestemmt haben, das alles garniert mit Sorgenfalten, frühzeitig ergrauten Haaren und Frustfress-Wampelen (das Geschmeide), zero Zeit für uns selbst hatten (außer auf dem WC vielleicht, und da auch nur eine Schonfrist von maximal zehn Sekunden), wir also sind die Queens of Quarantine. Chapeau für so viel Weltfremdheit, wer auch immer sich das ausgedacht hat. Wenn schon, dann mussten berufstätige Mütter kleiner Kinder in den letzten Wochen feststellen, dass sie vor allem eines sind: the fool, oder eben, auf gut südtirolerisch, der Lopp of Quarantine.
Wir Mütter könnten auch alles hinschmeißen. Dagegen wäre selbst Corona ein Kinderspiel.
Die Therme Meran war da schon realitätsnaher und schlug in ihrer Werbeanzeige Töne an, als wolle sie bei den nächsten Landtagswahlen antreten: „Zwischen Home Office und Home Schooling: Mütter haben zur Zeit einen anstrengenden Job. Oder besser gesagt: viele anstrengende Jobs. […]Wir haben auch gelernt, dass es ohne die Superkräfte vieler Mütter einfach nicht funktionieren würde.“ Yay, dachte ich mir, endlich Anerkennung mit gratis Wellness-Behandlung der müden Glieder, kostenlosem Aufenthalt im heiß ersehnten Ruheraum, unentgeltliche Massage der kopfschmerzgeplagten Schläfen! Aber nein: Die Wertschätzung der Mütter ging leider nur soweit, deren Familie dazu aufzurufen, einen Gutschein für Behandlungen zu kaufen, die auf absehbare Zeit nicht durchgeführt werden können. Hmm, blöd. Man könnte in der Zwischenzeit ja die Therm‘schen Grünanlagen beschlagnahmen und der Kinderbetreuung zuführen, da wäre den Mamis instantan mehr geholfen als mit einem vagen Versprechen von Entspannung. Und ihr Personal, erprobt und nervengestählt im Umgang mit renitenten Badegästen, eignete sich bestimmt auch ganz wunderbar als Nannys, sogar das Pfeifchen haben sie schon…Sie merken, die Not ist groß.
Auch wenn in vielen Familien Haushaltsarbeit und die nun anfallende 24/7 Kinderbetreuung partnerschaftlich aufgeteilt wurde, damit beide Eltern einigermaßen „ungestört“ ihrem Job nachgehen konnten, traue ich mich zu behaupten, dass das im Gros der Haushalte eben nicht so war. Die Erklärung dafür ist eine ganz pragmatische: Wenn Frau ohnehin schon „nur“ in Teilzeit gearbeitet hat (und die Teilzeitbeschäftigten im Jahr 2018 waren zu 83,3% weiblich, siehe ASTAT), dann ergibt sich aus ganz einfachen ökonomischen Überlegungen, dass jene in der Corona-Krise beruflich zurückstehen, damit der Hauptverdiener weiterhin von Kindergeschrei abgeschirmt sein Pensum erfüllen kann. Also waren es vorwiegend die Mütter, die Urlaub genommen haben oder sich freistellen ließen, und es sind die Mütter, für die es jetzt eng wird, da der Urlaub aufgebraucht ist, die Rückkehr an den Arbeitsplatz eingefordert wird, aber die angekündigten Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder sich nicht oder viel zu knapp (wenig Plätze, wenige Stunden) materialisieren.
Wenn schon, dann mussten berufstätige Mütter kleiner Kinder in den letzten Wochen feststellen, dass sie vor allem eines sind: the fool, oder eben, auf gut südtirolerisch, der Lopp of Quarantine.
Wie schön, wenn frau dann noch von Geschlechtsgenossinnen aus dem Hinterhalt gepflegt eine reingewürgt bekommt: „Was hätten die Frauen da früher gemacht?“, einer der Killersätze, gleich gefolgt von „Die armen Kinder! Wieso habt ihr denn überhaupt welche?“, süffisant abgefeuert, sobald eine Frau sich erdreistet, ihre Überforderung zu beklagen (und damit gegen das erste Gebot der Super-Mamis verstieß: Keine Schwäche zeigen, denn nur wenn jede so tut, als habe sie alles hundert Pro im Griff und backe nebenher noch duftend Brot, unterstützen sich Frauen optimal gegenseitig. Nicht.).
Dabei sind die Antworten darauf easy: Früher gab es a) die Großfamilie b) wenig, was heute als kindgerechte Erziehung durchgehen würde, c) keine Ausgangssperre und d) links und rechts uane zu die Loschn, wenn’s net tuat. Und zum „Arme Kinder“-Vorwurf, der besonders gern von Kinderlosen oder Großmüttern geäußert wird, deren Erinnerung naturgemäß sehr rosy gefärbt ist: Ja, in dieser Ausnahmesituation sind die Kinder arm dran. Genauso wie die Mütter und die Väter, von denen im Moment die Quadratur des Kreises verlangt wird. Job und Kinderbetreuung gleichzeitig hinzukriegen, es funktioniert schlichtweg nicht, ohne dass zumindest ein Elternteil massiven Raubbau an sich selbst begeht. Abends geschafft mit einem Glasl Wein auf die Couch zu fallen, ist die Luxusvariante. Abends geschafft den PC hochzufahren, um nach einem endlos langen Tag mit Haushalt und Kindern noch das home office in Angriff zu nehmen, die Normalversion. Wie Alleinerziehende das alles schaffen, ist mir ein Rätsel. Wobei, sie schaffen es wahrscheinlich eh nicht; sie funktionieren nur noch. Lange habe ich mich gefragt, wo denn der Aufschrei der Mütter bleibt in der Krise, warum sie so lange still hielten. Jetzt weiß ich, dass sie schlicht keine Zeit und auch keine Kraft dafür hatten.
Deshalb wünsche ich uns Müttern zum Muttertag kein Festtagsmenu und keine Wellness-Behandlung, sondern dass wir den Weg wieder hinausfinden aus diesem untragbaren Zustand, der nur deshalb so lange funktionieren konnte, weil die Mama eben macht, weil Mütter eh schon gewohnt sind, am Limit zu navigieren. Wir brauchen jetzt eine Politik, die uns hört und mit uns Lösungen ausarbeitet. Wir brauchen Arbeitgeber, die uns unterstützen und Flexibilität zulassen. Wir brauchen Partner, die kompromissbereit sind und uns den Rücken stärken. Denn wir Mütter könnten auch alles hinschmeißen. Und dagegen wäre selbst Corona ein Kinderspiel.
Ja, Mama opfert sich für alle auf, ich kenne das Narrativ von meinen Großmüttern. Zum Glück verfolgen Frauen heute andere Lebensentwürfe, in denen auch persönliche Freiheit vorgesehen ist.
Bravo, Alexandra Kienzl! Alle Ihre Kolumnen begeistern mich - und diese ganz besonders!
Gar nicht abschätzig. Diese Frauen haben Großartiges geleistet und sich selbst stets hintenan gestellt. Nachahmen möchte ich sie trotzdem nicht.
Wie jetzt? Frauen sind am Ende gar nicht Multitasking-fähig? Seit fast drei Jahrzehnten versuche ich verzweifelt, diesen Narrativ zu widerlegen.
Meine bisherige Argumentation, entweder man erledige eine Sache in Ruhe und konzentriert zu 100% oder mache drei Dinge oberflächlich in Hektik und leider nur leidlich halbherzig, hat bei den Damen der Schöpfung meist nur ein mitleidiges Lächeln hervorgerufen. (So ähnlich, wie Frauen sich über eine angebliche Männergrippe herablassen. Gab's eigentlich CoVid19 nicht etwa schon viel früher?)
Jedenfalls wäre JETZT der allerbeste Zeitpunkt, die weibliche Überlegenheit voll auszuspielen: Da viel mehr Männer an Corona erkranken als Frauen, diese darüber hinaus auch noch Multitasking-fähig sind, wäre es jetzt an der Zeit, den Mythos final zu belegen: Frauen können einfach ALLES und das dazu noch simultan! Worauf wartet Ihr? Meckern war gestern! It‘s your turn.