Gesellschaft | Interview

„Ich hoffe auf ein Wunder“

Der Musiker Herbert Pixner über die Absage seiner Jubiläumstour, die Schwierigkeiten der Künstler und sein Nein zu einem durch und durch faulen Fördersystem.
Pixner, Herbert
Foto: Sepp Pixner
Salto.bz: Herr Pixner, Sie haben vor sechs Tagen Ihre gesamte Jubiläumstour 2020 kurzerhand abgesagt. Eine drastische Entscheidung?
 
Herbert Pixner: Da wir unsere Konzerte nicht nur in Österreich sondern auch in Deutschland, der Schweiz, in Südtirol und in Italien spielen, mussten wir aufgrund der aktuellen Situation diese Entscheidungen treffen. Seit März 2020, also seit bald 4 Monaten warten wir auf konkrete Informationen seitens der Politik und der Behörden. Freilich sind wir nicht die Einzigen die betroffen sind.
 
Hier klingt Bitterkeit durch?
 
Ja. Wir haben größtes Verständnis für Maßnahmen, die zum Wohle der Gesundheit angestrengt werden. Dafür nehmen wir gerne Abstriche in Kauf. Da gehen wir gerne Kompromisse ein und tragen beim Einkaufen eine Maske. Halten Abstand und vermeiden Massenansammlungen von Menschen. Wenn es für die Eindämmung einer Pandemie hilfreich ist und man andere dadurch schützt – kein Problem.
 
Aber...?
 
Was unsere Konzerte betrifft, so haben bis heute – und werden auch in Zukunft – keine Kompromisse eingehen, bis wieder ein „normaler“ Konzertbetrieb möglich sein wird. Das Herbert Pixner Projekt ist eine Liveband – und für uns ist Musik in Form von einem Konzert etwas Besonderes - etwas Kostbares. Ein Konzert besucht man nicht wie ein Lebensmittelgeschäft, weil man sich sein täglich Brot einkaufen muss.
Ein Konzert besucht man nicht wie ein Lebensmittelgeschäft, weil man sich sein täglich Brot einkaufen muss.
Ein Konzert besucht man mit Freunden, mit der Familie oder für sich alleine um für ein paar Stunden den Alltag auszublenden und etwas Unwiederbringliches zu erleben. Ich sehe deshalb Musik nicht als Lebensmittel. Musik ist für mich persönlich ein pures Genussmittel. Wie das Zeitnehmen für einen guten Kaffee oder ein schönes Glas Wein. Schön, wenn man so etwas genießen kann. So wie ein Konzert. Ist aber eben nicht überlebenswichtig.
 
 
Ein Musiker lebt aber vom Publikum  und vom Adrenalin auf der Bühne?
 
Wir als Band haben immer wieder beteuert, dass wir auf der Stelle aufhören, wenn es uns keine Freude mehr bereiten sollte auf die Bühne gehen. Dieser Fall ist nun eingetroffen, denn genau unter solchen Voraussetzungen hat unser Tun schlicht und einfach nichts mit Genuss zu tun und somit seine Sinnhaftigkeit verloren. Also haben wir beschlossen die geplanten Konzerte im Sommer/Herbst 2020 komplett abzusagen.
 
Wäre eine Art Sparprogramm nicht eine Alternative gewesen?
 
Unsere Konzerte der Tour 2020 waren vor der Corona-Krise bereits großteils ausverkauft. Normalerweise behauptet man mit Stolz: zum Glück - doch durch die Abstandsregelungen dürfen bekanntlich nur mehr ca. ein Drittel der KonzertbesucherInnen ins Konzert. Die Frage ist nun: Wen lassen wir rein? Nur die 1. Kategorie? Oder die Tickets verlosen? Drei Konzerte an einen Tag spielen?
 
Wie früher die Beatles im Cavern oder in Hamburg?
 
Heute unmöglich machbar! Das geht sich rein wirtschaftlich nicht aus! Die Saalmieten liegen preislich zwischen 5.000 und 30.000 Euro. Ohne Personal wohlgemerkt. Bei einem Konzert mit 1.000 KonzertbesucherInnen arbeiten im Hintergrund bis zu 60 Personen mit. Diese sind selbstverständlich zu entlohnen. Die Ticketcenter schneiden mit jedem verkauften Ticket mit - viele Gemeinden verlangen Vergnügungssteuer und das nicht zu knapp, der Veranstalter bekommt seinen Anteil und schlussendlich bekommt der Staat nochmal die Hälfte von dem was übrig bleibt. Von den eigenen Kosten mal abgesehen - die sind da gar nicht mit eingerechnet. Es geht sich, wenn man als MusikerIn nicht grad im Mainstreambereich unterwegs ist oder von Sponsoren und staatlichen Förderungen großzügig unterstützt wird eh schon nur knapp aus.
 
Viele denken, diese Musiker klimpern ein bisschen herum und werden mit ihrem Hobby steinreich?
 
Wenn alle Konzerte ausverkauft sind und man gute Vorarbeit geleistet hat, bleibt selbstverständlich etwas übrig - das man dann wieder in die nächste Konzertreise investiert. Viele stellen sich so eine Tournee recht romantisch vor. Man packt am Abend sein Instrumentenköfferchen ins Auto, spielt ein paar Stunden, feiert nachher bis in die frühen Morgenstunden und verdient sich dabei noch eine schöne Gage. Diejenigen, die solche Aussagen treffen, lade ich gerne ein, auf der nächsten Tour mitzukommen und mitzuarbeiten. Die Bewerbung per Email bitte gerne an unser Büro.
 
 
Diejenigen, die solche Aussagen treffen, lade ich gerne ein, auf der nächsten Tour mitzukommen und mitzuarbeiten. Die Bewerbung per Email bitte gerne an unser Büro.
 
Aber darum geht es jetzt nicht: Wir machen unsere Arbeit auf und hinter der Bühne für unser Leben gerne – wir brennen für unsere Leidenschaft als BühnenmusikerInnen und haben uns mit harter Arbeit, viel Ehrgeiz, Energie und Disziplin einen Traum erfüllt und haben es geschafft, nun in den schönsten und besten Häusern im gesamten deutschsprachigen Raum spielen zu dürfen. Leider ist unter den aktuellen Veranstaltungs-Bestimmungen und der gesundheitlichen Bedenken ist in nächster Zeit nicht daran zu denken, wieder auf die Bühne zu gehen.
 
Das heißt, die geplante Jubiläumstour wird um ein Jahr verschoben?
 
Wir haben unsere „15 Jahre Jubiläumstour“ mit neuer Besetzung zu Fünft und mit neuem Programm geplant. Katrin Unterlercher wäre mit Harfe und Hackbrett mit dabei gewesen und dafür haben wir das komplette Programm auf das heurige Jubiläum abgestimmt. Leider ist das Programm zu Fünft 2021 weder logistisch noch von der Besetzung her und so wie es unseren eigenen Ansprüchen genügt nicht machbar. Somit werden die Konzerte 2020 zwar verschoben, aber nachgeholt werden die Termine in der gewohnten Besetzung zu Viert - sofern die Bedingungen passen.
 
In Ihren Worten schwingt auch Enttäuschung mit?
 
Es tut uns sehr leid für alle, die sich darauf gefreut haben - so wie wir auch - aber unsere Konzerte müssen einfach hundertprozentig stimmig sein und da gehen wir – wie gesagt – keine Kompromisse ein. Das sind wir uns und unserem Publikum einfach schuldig. Die Enttäuschung darüber, die Tour absagen zu müssen, ist bei selbstverständlich groß.
Ich hätte mir sinnvolle Richtlinien und keine halbherzigen Wischi-Waschi-Verordnungen erwartet.
Wir haben uns lange besprochen und uns diesen Schritt gut überlegt. Sollten aber die Maßnahmen wider Erwarten im Herbst aufgehoben werden, was wir zwar bezweifeln, so kann es sein, dass wir eventuell im November spontan für 2-3 Wochen auf Tour gehen.
 
 
Wie haben die Fans auf diese Entscheidung reagiert?
 
Die Reaktionen sind durchwegs positiv. Und ohne unser treues Publikum würde es uns auch nicht geben. Schlussendlich ist es die KonzertbesucherInnen, die jedes einzelne Konzert und alle, die vor und hinter der Bühne - alle die im Vorfeld und im Nachhinein daran arbeiten – mit dem Kauf eines Tickets finanziert. Niemand anderer. Unsere Gagen finanzieren sich rein aus den Einnahmen der Ticketverkäufe.
Wir haben das Glück gesund zu sein, trotzdem arbeiten zu können – wenn auch nicht auf der Bühne – und werden die Zeit in der Zwischenzeit zu nutzen wissen
Wie jeder halbwegs logisch denkende Mensch sich vorstellen kann, sind Konzerte oder in unserem Fall eine komplette Tournee mit viel Vorarbeit und großen finanziellen Aufwand verbunden. Im Normalfall beginnt man 2 Jahre vorher mit der Terminplanung, mit dem Ausarbeiten und Proben des neuen Programms - mit den Vorarbeiten an einem neuen Album und die dazugehörigen Bewerbung einer Konzert-Tournee. Das ist ziemlich viel Arbeit.
 
Das Jahr 2020 schaut damit ziemlich düster aus?
 
Wir haben das Glück gesund zu sein, trotzdem arbeiten zu können – wenn auch nicht auf der Bühne – und werden die Zeit in der Zwischenzeit zu nutzen wissen. Ich arbeite seit Februar sehr intensiv am neuen Live-Album mit dem Herbert Pixner Projekt und den Berliner Symphonikern - und im Herbst ist ein Best-of-Album inklusive DVD vom Konzert 2019 auf dem Flecknersee geplant. Weiters werden wir die aufgrund der Reisebeschränkungen aufgeschobenen Arbeiten für das neue Studio-Album im Herbst wieder aufnehmen. Es gibt also genug zu tun und wir werden uns damit hoffentlich ein Jahr lang über Wasser halten können.
 
Sie haben mit „Three Saints Records“ ein eigenes Plattenlabel. Auch dort wird die Coronakrise spürbar sein?
 
Ob ich meine fünf Mitarbeiter im Büro und im Plattenlabel ein Jahr lang ohne die geplanten Konzerteinnahmen und nur mit den CD-Verkäufen halten kann, wird sich zeigen. Der CD-Verkauf im Handel ist seit Jahren massiv rückgängig und ohne Konzertverkauf bleibt man normalerweise auf den gepressten CDs und Platten sitzen. Ich hoffe auf ein Wunder.
 
Die Hoffnung auf Vater Staat oder üppige Landesförderungen scheint für Sie keine Option zu sein?
 
Im Vergleich zu vielen anderen KünstlerInnen und Künstlern oder MusikerInnen und Musikern sind wir organisatorisch seit jeher auf uns alleine gestellt, das heißt: wir haben weder einen Tourveranstalter, noch eine Promotionfirma, geschweige denn eine Plattenfirma mit einem fetten Buget. Bis dato haben wir nie auch nur einen einzigen Cent an staatlichen Förderungen oder Beihilfen von Land oder Bund erhalten. Auch nicht von den versprochenen laschen - pardon – raschen „Koste-es-was-es-wolle-Soforthilfen“. Aber das sind wir seit 15 Jahren auf der Bühne bereits gewohnt und haben uns längst damit abgefunden, auf uns alleine gestellt zu sein und auch die Konsequenzen daraus zu tragen.
 
 
Für eine Politik, die ein System aufrechterhält, das sich nur für Großkonzerne, großzügigen Parteispendern, laut schreienden Lobbyisten und Steuertricksern im großen Stil einsetzt? Für so ein System möchte ich nicht relevant sein. Nein, Danke!
 
Sie kritisieren offen die Politik dies- und jenseits des Brenners?
 
Ich hätte mir sinnvolle Richtlinien und keine halbherzigen Wischi-Waschi-Verordnungen erwartet. Es braucht klare Vorgaben um planen zu können und die Worte „rasch und unbürokratisch“ kann ich nicht mehr hören. Ich erinnere mich an die großmundigen Milliarden-Versprechungen zu Beginn der Krise. Wo sind denn diese Milliarden? Wenn mir klipp und klar gesagt wird: Tut uns leid, wir haben nur Geld für die wichtigen systemrelevanten Dinge wie zum Beispiel für Fluglinien oder Automobilkonzerne und für die anderen gibt es nichts, dann weiß ich wenigstens wie ich dran bin und weiß, was ich zu tun habe.
 
Ist nicht auch Kultur systemrelevant?
 
Für welches System? Für eine Politik, die ein System aufrechterhält, das sich nur für Großkonzerne, großzügigen Parteispendern, laut schreienden Lobbyisten und Steuertricksern im großen Stil einsetzt und alle anderen nur mit leeren Floskeln und Versprechungen abspeist - für so ein System möchte ich nicht relevant sein. Nein, Danke!
 
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Profil für Benutzer Renate Holzeisen
Renate Holzeisen Fr., 05.06.2020 - 13:48

Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele (Pablo Picasso) ... leider fehlt den meisten politisch Verantwortlichen die nötige Sensibilität dafür, die Wichtigkeit der Kultur, in all ihren Ausdrucksformen, für unsere Gesellschaft zu erfassen ... leider. Denn hätten sie diese Sensibilität wären ihre Entscheidungen auch in all den anderen Bereichen wohl grundlegend besser.

Fr., 05.06.2020 - 13:48 Permalink
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Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler Fr., 05.06.2020 - 17:42

Das ist ein Finale Furioso ... alla Herbert Pixner:
"C.F: Ist nicht auch Kultur systemrelevant?
H.P: Für welches System? Für eine Politik, die ein System aufrechterhält, das sich nur für Großkonzerne, großzügigen Parteispendern, laut schreienden Lobbyisten und Steuertricksern im großen Stil einsetzt und alle anderen nur mit leeren Floskeln und Versprechungen abspeist - für so ein System möchte ich nicht relevant sein. Nein, Danke!"

Nein, Danke auch meinerseits !

Fr., 05.06.2020 - 17:42 Permalink
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Profil für Benutzer Stereo Typ
Stereo Typ Fr., 05.06.2020 - 20:37

Sie haben Recht, Herr Knoflach. Interview ist das keines. Im Statement auf Facebook ist eigentlich alles gesagt. Daraus ein Interview zu schneidern bringt keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.

Fr., 05.06.2020 - 20:37 Permalink
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Profil für Benutzer Christoph Franceschini
Christoph Fran… Sa., 06.06.2020 - 09:34

Antwort auf von Stereo Typ

Sehr geehrte Stereotypen,
1. danke, dass Sie alles besser wissen.
2. vielleicht gibt es Menschen, die kein Facebook haben.
3. Anscheinend reicht ihre Phantasie nicht sehr weit: Was wäre wenn zuerst das Interview war und danach erst der Facebook-Eintrag?
Ich jedenfalls bin vom Erkenntnisgewinn Ihrer Kommentare überwältigt.

Sa., 06.06.2020 - 09:34 Permalink
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Profil für Benutzer Gregor Marini
Gregor Marini Sa., 06.06.2020 - 10:39

Dem, was Herr Pixner hier äußert, kann ich nur voll und ganz zustimmen und möchte noch etwas hinzufügen:
Als erstes seien wir uns bewußt, daß hier einer der erfolgreichten Exponenten der Musikkultur unseres Landes spricht. Es gibt aber auch Musiker, Komponisten und Kulturschaffende, welche genauso von ihren Fähigkeiten (ob Kunst oder nicht, lasse ich mal dahingestellt) leben möchten oder müssen, die nicht so etabliert sind! Übertragen wir dieses Bild, welches Herr Pixner hier zeichnet, auf sie, kann man sich mit etwas Fantasie vielleicht vorstellen, wie es um die Ökonomie und die Möglichkeiten dieser Leute bestellt ist !
In Zeiten wie diesen kommt der verdorbene Charakter eines gesellschafliches Systems wie unseres immer besonders gut zum Vorschein! Wie ein Fettauge schwimmt er auf dem Wasser der Unzulänglichkeit. Ich hoffe nur, daß sich die Leute bei den nächsten Wahlen noch daran erinnern.

Sa., 06.06.2020 - 10:39 Permalink