Politik | Nach den Landtagswahlen 2013

Passeier: Von falschen SVP-lern und echten Denkzetteln

Warum verliert die SVP bei den Landtagswahlen in Hochburgen wie St. Martin zehn Prozent der Stimmen? Ein Fallbeispiel aus dem schönen Passeiertal.

Im Grunde kann sich die Südtiroler Volkspartei in St. Martin in Passeier nach den Landtagswahlen 2013 sagen: Es war schon mal schlimmer. Ein Abrutschen von 61,1 auf 50,1 Prozent mag zwar als herber Verlust gesehen werden. Doch 2003 war`s mit einem Minus von 16 Prozentpunkten noch um ein Stück herber. Obwohl man bei der Sammelpartei schon wusste, wie sich der Sturz vom hohen Ross anfühlt: Der geschah bereits 1998, mit einem Minus von 87 auf 77 Prozent. Damals wählten in St. Martin gerade einmal 1,4 Prozent der WählerInnen die Freiheitlichen, 2013 waren es fast 28 Prozent. Die Union konnte dagegen im Heimattal von Eva Klotz schon vor 15 Jahren punkten: Waren es damals 8,5 Prozent, fielen für ihre Nachfolge-Bewegung Südtiroler Freiheit heute gar satte 15 Prozent ab.

Ein Minus von 37 Prozentpunkten in 15 Jahren – und nur mehr sieben Prozentpunkte Abstand zu rechtspopulistischen Konkurrenz: Erfolgsgeschichten sehen anderes aus. Das fand nicht nur SVP-Bezirkspräsident Karl Zeller in seiner Nachwahlanalyse, das bekam die zurückgetretene SVP-Frauenchefin Angelika Margesin bereits vor den Wahlen  zu spüren, als ihr Auto mit SVP-Logo in Passeier mit Öl beschmiert wurde. Umso erstaunlicher? Dieselbe Partei, die in Passeier auf der Beliebtheitsskala in den tiefroten Bereich gerutscht zu sein scheint, erzielt bei den letzten Gemeinderatswahlen sage und schreibe 100 Prozent der Stimmen.

Es ist nicht überall SVP drinnen, wo SVP drauf steht

Wie also geht das zusammen, die Hochburg und der steile Fall? Indem zuerst  einmal die Hochburg relativiert wird. Da seit einem Beschluss des SVP-Ortsauschusses im Jahr 2005 in St. Martin auch KandidatInnen ohne SVP-Mitgliedsausweis für die Sammelpartei antreten können, ist nicht überall SVP drinnen wo SVP draufsteht. „Nachdem bei uns die Schützen und die Südtiroler Freiheit traditionell sehr stark sind, haben wir in ganz Passeier viele Vertreter aus ihren Reihen in den Gemeinderäten und teils auch in den Ausschüssen sitzen“, sagt Bürgermeisterin Rosmarie Pamer. Während die Passeirer bei den Gemeinderatswahlen also ihre volkstumspolitischen Vertreter auf der SVP-Liste fanden, gab es diesbezüglich auf der Landtagsliste nicht viel zu holen. Eine offene Flanke, von der vor allem die Südtiroler Freiheit profitierte.

Die Stimmen für die Freiheitlichen interpretiert Pamer dagegen als Denkzettel für ihre Partei. Für die Skandale in der Energiepolitik und die Enttäuschung über Michl Laimer, für das ungelöste Verkehrsproblem und das ewige Versprechen Küchelbergtunnel, für die parteiinterne Behandlung Arnold Schulers bei der Nachbesetzung der Landesregierung. „Das hat vielen Leute hier gestunken“, sagt Pamer, Gewissermaßen als Entschädigung haben der der Zweitgewählte der SVP-Liste auch die meisten der SVP-Stimmen im Tal erhalten. Verkehrslandesrat Mussner oder Wirtschaftslandesrat Widmann wurde dagegen auch von den Passeirern kräftig abgestraft. „Die kleinen Wirtschaftstreibenden waren sicher die unzufriedenste Gruppe, die denke ich massiv zur Opposition abgewandert ist“, schätzt die Bürgermeisterin.

"Ich will in einer Demokratie leben"

Einer der aus eigener Erfahrung weiß, wovon er spricht, ist Florian Kofler. Der Passeirer Gemeindearbeiter hat seinen SVP-Mitgliedsausweis schon vor zehn Jahren zurückgelegt und nun schon zum zweiten Mal freiheitlich gewählt. „Wie der Durnwalder getan hat, das war ja wie in einer Diktatur“, meint er. Großprojekte, bei denen Steuergelder ohne Bürgerbefragung verschleudert wurden, der SEL-Skandal  oder Sexten – überall derselbe Mechanismus „Ich will in einer Demokratie leben, und das heißt, dass der Bürger entscheidet“. Doch denkt Kofler tatsächlich, dass es die Freiheitlichen besser machen würden? „Wenn sie so viel Macht hätten wie die SVP, wäre auch wieder das Gleiche“, antwortet er. „Doch so können sie den anderen ein bissl auf die Finger schauen und eine gesunde Konkurrenz ist immer gut“. An der mangelt es in St. Martin nun wahrlich nicht mehr – zumindest laut den Ergebnislisten der Landtagswahlen.

 

 

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Harald Knoflach Fr., 08.11.2013 - 08:27

die svp hat nicht 10 prozent ihrer stimmen verloren (sondern viel viel mehr). vielmehr hat sich ihr stimmenanteil um 10 prozentpunkte verringert. das ist ein großer unterschied.

Fr., 08.11.2013 - 08:27 Permalink