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Ennio Morricone: Ein Nachruf

Der italienische Komponist Ennio Morricone ist am heutigen 6. Juli gestorben. Es folgt der Nachruf eines Bewunderers.
Ennio Morricone
Foto: Morricone

Die Filmmusik kennt viele große Namen. John Williams, Max Steiner, Bernhard Herrmann, Jerry Goldsmith... Doch einer überragte sie alle. Ennio Morricone, ein kleiner, unscheinbarer Herr aus Rom, dort geboren im fernen Jahr 1928, und nun auch dort gestorben. Zugegeben, ich selbst, ein großer Freund seiner Musik, der mit ihr aufgewachsen ist und als Cineast und Filmemacher stets große Bewunderung für das Schaffen Morricones hegte, hatte Angst vor diesem Tag, und doch wusste ich, dass er kommen würde. Irgendwann, und ja, der Himmel hat sich Zeit gelassen. Morricone wurde 91 Jahre alt. Ein stolzes Alter, in dem er noch immer Konzerte gab. Der Autor dieser Zeilen hatte das Glück, den Maestro im Jahr 2016 in München live zu erleben.

 

Dies hier soll keine Aufzählung von Morricones Lebensabschnitten sein. Das machen andere am heutigen Tag zur Genüge, und ich hätte dem nichts hinzuzufügen. Vielmehr möchte ich auf die Musik als solche eingehen. Natürlich wird und wurde Morricone in erster Linie als Filmkomponist bezeichnet. Doch auch abseits dessen war er aktiv, und man kann mit Sicherheit behaupten, dass seine Kompositionen den herkömmlichen Rahmen der Filmmusik regelmäßig sprengten. Man könnte gar glauben, sie wären zu groß für die Kinoleinwand, deren Maße klar festgelegt sind. Es gilt neidlos anzuerkennen, dass Morricones Musik einen Film zu einem besseren gemacht hat. Regisseure wie Sergio Leone, Giuseppe Tornatore, Sergio Corbucci, oder selbst Quentin Tarantino, der die Musik des Meisters regelmäßig in seinen Filmen verwendet, können ein Lied davon singen. Nicht unbedingt ein Lied vom Tod, aber eines, das den Filmen opernhafte Qualitäten verleiht, eine Epik, die selten ist, da sehr pointiert, also nie über die Stränge schlägt, so wie bei gewissen anderen zeitgenössischen Komponisten. Aber Morricone beherrschte auch die leisen Töne. Die Musik zu Leones „Es war einmal in Amerika“ zählt zweifelsohne zu einer seiner besten. Die Größe der Geschichte, und die Sentimentalität, die ihr innewohnt, hervorgerufen durch drei komplexe Erzählstränge, verteilt auf drei Zeitlinien, erhalten durch die Melodien, die mal zart romantisch, mal tragisch beklemmend klingen, eine zusätzliche Note, auf die man nie wieder verzichten möchte. Populär ist Morricone bis heute für seine Italo-Western, doch die machen nur einen kleinen Teil seines Schaffens aus. Es lohnt sich, seine unbekannteren Werke zu hören, so etwa seine Kompositionen für den zweiten Teil des „Exorzisten“, die kaum Beachtung findet. Oder aber, und die ist sicherlich wesentlich bekannter, die Musik zu Tornatores „Cinema Paradiso“.

 

Es war der Traum vieler Filmemacher, einmal mit Ennio Morricone arbeiten zu dürfen. So auch der von Quentin Tarantino, der zwar schon früh Musik des Meisters verwendete, jedoch handelte es sich stets um Kompositionen aus anderen Filmen. Für „Django Unchained“ steuerte Morricone eine Komposition bei, doch erst mit „The Hateful Eight“ entstand ein kompletter Soundtrack, der einer der letzten Morricones, und gleichzeitig auch einer seiner besten ist. Tarantino bezeichnete den Komponisten im Zuge der Zusammenarbeit als den Mozart unserer Zeit. Und er sprach von ihm, und dies ist sicher wichtig, als einen Komponisten, nicht als einen FILMkomponisten. Denn diese Bezeichnung wurde Morricone, wie oben bereits angedeutet, nicht gerecht.

 

Das klassische Orchester war für ihn nur ein Teil seiner Werkzeuge. Morricone war ein experimenteller Komponist. So finden sich in seinen bekannten Westernscores etwa E-Gitarren wieder, Pfiffe und Maultrommeln, Geschrei, ja vieles, das gar nicht üblich war, und das den typischen Morricone-Sound erst definierte. Seine Musik ist unverkennbar. Viele versuchten, ihn zu imitieren, doch niemand erreichte das Niveau des Maestros.

 

 

Sergio Leone sagte einst über seinen Freund aus Kindertagen (die beiden besuchten diesselbe Schulklasse), er wäre mehr Drehbuchautor als Komponist. Morricones Melodien würden Dinge erzählen, die normalerweise die Kamera zeigen müsste. Nicht selten war die Musik für die Filme bereits geschrieben und aufgenommen, noch bevor eine Szene gedreht wurde. So wurden bei „Es war einmal in Amerika“ oder „Spiel mir das Lied vom Tod“ die Melodien live am Set abgespielt. Ennio Morricone darüber: „´Spiel mir das Lied vom Tod´ haben wir den Schauspielern beim Dreh in Orchesterlautstärke vorgespielt. Das erklärt auch, warum Charles Bronson manchmal wie hypnotisiert durch die Szenerie wandelt. Er war betört, fast zugedröhnt von meiner Musik, diesem absichtlich etwas schiefen Mundharmonikaspiel und der sägenden E-Gitarre.“

 

Ich möchte zum Ende kommen. Es wäre ohnehin viel sinnvoller, Morricones Musik zu hören, anstatt diese Zeilen zu lesen. Also möchte ich jeden, der dies gerade tut, dazu einladen, den PC oder das Handy auszuschalten, sich irgendeinen schönen Ort zu suchen und einer der zahlreichen Kompositionen zu lauschen. Ich werde dies tun.

Ich möchte mich bei Ennio Morricone bedanken. Für all die schönen Stunden mit seiner Musik, für die Erinnerungen, die Erfahrungen, die Gefühle, die Erkenntnisse, die Magie. Grazie, Maestro.

 

Ennio Morricone - L'estasi dell'Oro (In Concerto - Venezia 10.11.07)
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Profil für Benutzer Hanspeter Holzer
Hanspeter Holzer Di., 07.07.2020 - 21:25

"Es wäre ohnehin viel sinnvoller, Morricones Musik zu hören, anstatt diese Zeilen zu lesen. Also möchte ich jeden, der dies gerade tut, dazu einladen, den PC oder das Handy auszuschalten, sich irgendeinen schönen Ort zu suchen und einer der zahlreichen Kompositionen zu lauschen. Ich werde dies tun."
So wie wir das tun werden. Danke für den schönen Nachruf!

Di., 07.07.2020 - 21:25 Permalink