Es bedarf einer klaren Vorbemerkung: Der junge Mann ist ein Idiot, er hat absolut dumm und unverantwortlich gehandelt, er wird seine Arbeit verlieren, man wird ihn wie einen Aussätzigen behandeln und er wird Zeit seines Lebens mit diesem Makel leben müssen.
Das dürfte die Höchststrafe sein, die man gegen den 24-jährigen Gadertaler Touristiker verhängen kann, der positiv auf Covid-19 getestet wurde und der tagelang gegen die Quarantäneauflagen verstoßen hat und demnach potentiell andere Menschen angesteckt haben könnte.
Die Affäre wird seit Tagen als Todesstoß für den Südtiroler Tourismus hochgespielt. Vor allem aber macht dieser Fall abseits der Chronik deutlich, wie das Coronavirus anscheinend den gesunden Menschenverstand vernebelt und über Nacht die Spielregeln einer Zivilgesellschaft außer Kraft setzt.
Unter dem Schutz des Gemeinwohls und der „Volksgesundheit“ werden hier niederste Instinkte entfesselt, alte Rechnungen beglichen und mediale Lynchjustiz betrieben. Der Fall wird zu einer Treibjagd, für die selbst grundlegende gesetzliche Bestimmungen kurzerhand außer Kraft gesetzt werden.
Der Fall wird zu einer Treibjagd, für die grundlegende gesetzliche
Bestimmungen kurzerhand außer Kraft gesetzt werden.
Was ich darunter meine, können Sie in der heutigen Ausgabe der Dolomiten auf Seite 5 bewundern. Unter dem Titel „Anzeige für Quarantänebrecher“ lesen Sie dort nicht nur den Namen des mutmaßlichen Gadertaler „Schwerverbrechers“, sondern Sie können auch das Foto des Tourismusfunktionärs bewundern.
Der nicht gezeichnete Artikel soll eine Chronik des Gadertaler Virenkrimis sein.
Dabei ist der Artikel selbst ein schwerwiegender Gesetzesverstoß.
Das Ergebnis eines medizinischen Tests gehört zu den sensiblen, unter Schutz stehenden persönlichen Gesundheitsdaten. Außer dem Betroffenen selbst darf nach geltendem Gesetz niemand diese Gesundheitsdaten öffentlich machen. Diese Bestimmungen gelten auch in Coronazeiten. Sowohl die Ermittlungsbehörden wie auch alle anderen Medien (mit Ausnahme von RAI-Südtirol,, die zuerst den Namen und dann nur mehr die Initialen veröffentlicht haben) haben sich bisher an diese eiserne Regel gehalten.
Dass man in der Dolomiten-Redaktion ohne Skrupel den Namen und das Foto des jungen Gadertaler Tourismusfunktionärs abdruckt, mag einerseits an den wirtschaftlichen Interessen des Athesia-Konzerns auf diesem Wirtschaftsektor liegen, anderseits ist es aber auch der Ausdruck für die Narrenfreiheit, die der mächtige Athesia-Konzern in diesem Land und in dieser Region genießt. Man darf gespannt sein, ob der Disziplinarrat der regionalen Journalistenkammer, der bei den „Kleinen“ umgehend tätig wird, hier einschreiten wird.
Wetten nicht?
Doch dem nicht genug. Unter dem Foto des Übeltäters findet sich im Tagblatt der Südtiroler noch ein zweites Konterfei. Es handelt sich um das Foto des Direktors des Tourismusvereines Corvara-Kolfuschg: Damiano Dapunt.
Laut Dolomiten-Bericht sei Dapunt eine Art „Mittäter“, weil er angeblich mit dem Gadertaler Kollegen unterwegs gewesen sei. Wenn man bedenkt, dass es keinerlei Indiz dafür gibt, dass Dapunt vom positiven Befund des jungen Gadertalers Kenntnis hatte und der junge Mann mit rund 40 Menschen in Kontakt war, verwundert es, dass man im Bozner Weinbergweg ausgerechnet den Direktor des Tourismusvereins Corvara herausgezogen hat.
In Wirklichkeit gibt es hier aber einen klaren Hintergrund. Es ist es ein infamer Schachzug, um eine alte Rechnung zu begleichen.
Denn Damiano Dapunt hat die Familie Ebner und den Athesia-Konzern vor rund einem Jahrzehnt arg in die Bredouille gebracht.
Es ist es ein infamer Schachzug, um eine alte Rechnung zu begleichen.
Dapunt und seine Geschwister waren Erben eines Athesia-Aktionärs. Als Michl Ebner die Anteile der Erben aufkaufen wollte, fühlten sich die Dapunts übers Ohr gehauen. Sie erstatteten Anzeige bei der Bozner Staatsanwaltschaft. Weil sich plötzlich auch andere Aktionär gegen die leise Übernahme der Athesia-Aktien durch die Familie Ebner zur Wehr setzten, geriet der bis dahin finanziell äußerst günstige Übernahmefeldzug urplötzlich ins Stocken. Die Kläger bekamen schließlich vor Gericht Recht und die Affäre kostet die Athesia und die Familie Ebner einige Millionen Euro.
Vor allem aber stand die Bozner Staatsanwaltschaft kurz davor, Anklage gegen Michl Ebner wegen erschwerten Betruges zu erheben. Es wäre das Ende der öffentlichen Karriere des amtierenden Handelskammerpräsidenten gewesen. Aber auch hier gab es noch ein Happy-End. Der Fall wurde am Landesgericht schließlich archiviert.
Dass man im Hause Ebner aber nichts vergibt und vergisst, wird jetzt deutlich. Die Heckenschützen aus dem Weinbergwerg dürstet es nach Revanche. Der Virus ist ein willkommener Aufhänger dafür.
Nur soll es niemand merken.
Welche Auswüchse die bewusst gesteuerte mediale Treibjagd inzwischen angenommen hat, zeigt sich auch in den Karikaturen und Fotomontagen, die in diesen Tagen im Gadertal und darüber hinaus kursieren. Da ist der Gadertaler Quarantäne-Brecher zusammen mit dem Hotelier Michil Costa zu sehen. Und dem Hinweis, dass diese beiden den Tourismus im Gadertal ruinieren.
Das Coronavirus scheint bei manchem wirklich das Hirn anzugreifen.