Hinter den damastbespannten Wänden des Vatikans spielt sich in diesen Wochen ein Drama ab, das auf Machtkämpfe, Intrigen und viele Gesetzwidrigkeiten schliessen lässt. Der 83-jährige Papst Franziskus, dessen Ermüdungserscheinungen kaum übersehbar sind, hat den 72-jährigen Kardinal Giovanni Angelo Becciu seines Amtes enthoben. Der barocke Vatikan-Jargon kleidet den Rauswurf nach bewährter Tradition in milde Formulierungen: "Seine Heiligkeit hat das Rücktrittsgesuch angenommen und ihm die Rechte seines Kardinalstands aberkannt." Dass der Rücktritt nicht freiwillig passierte, ist offenkundig.
Das beschönigende Sündenregister übergeht freilich die wesentlichen Punkte der Anklage: Korruption, Amtsmissbrauch, Unterschlagung, Erpressung und Geldwäsche. Becciu sei in ein unlauteres Immobiliengeschäft in London verwickelt und habe aus den Kassen des Vatikans erhebliche Summen für seine drei Brüder Tonino, Francesco und Mario abgezweigt.
Die Untersuchungen um den Kauf einer schicken Immobilie in der Londoner Sloan Avenue begannen bereits im Sommer vergangenen Jahres - nach zwei Anzeigen der Vatikanbank IOR und der Rechnungsprüfer des Heiligen Stuhls. Der Finanzberater Raffaele Mincione, der das Londoner Geschäft einfädelte, wird nun vom Vatikan als "moralmente inadatto" angeprangert.
Das beschönigende Sündenregister übergeht freilich die wesentlichen Punkte der Anklage: Korruption, Amtsmissbrauch, Unterschlagung, Erpressung und Geldwäsche
Doch am Freitag wurden neue Unterlagen bekannt, die auf eine regelrechte Verleumdungskampagne Beccius gegen den australischen Kardinal George Pell schliessen lassen, der wegen Pädophilie verurteilt und inhaftiert, aber vom australischen Höchstgericht von der Anklage freigesprochen wurde. Pell, der über Jahre im Vatikan als "Finanzminister" amtierte, will nun nach Rom kommen und gegen Becciu aussagen. Dieser soll - wie nun bekannt wurde - insgesamt 700.000 Euro auf verschiedene australische Konten überwiesen haben - zur Bezahlung von Falschaussagen gegen Pell - Peinlichkeiten ohne Ende. Ermittelt wird auch über den Transfer einer halben Million Euro an die sardische Besitzerin eines Geschäfts für Luxusgüter mit erfundenem Firmensitz in Lubljana. Das Geld wurde in Nobelboutiqen ausgegeben.
Um den Wunsch nach Transparenz zu unterstreichen, hat sich der Vatikan nun zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen: zum ersten Mal wurde die Finanzgebarung der Kurie und des Kirchenstaats veröffentlicht.Überraschendes Ergebnis: ein Defizit von 11 Millionen Euro. Der für Wirtschaft zuständige Präfekt kommentierte die Verlautbarung mit der Erklärung: "La chiesa non funziona come un'azienda. Non cerchiamo profitti."
Doch auf den Vatikan kommt nun ein weiteres unangenehmes Kapitel zu: das Gerichtsverfahren gegen einen Priester aus dem engsten Gefolge des Papstes. Gabriele Martinelli gehörte bereits unter Benedikt XVI zu denen, die dem Papst bei seinen Messen am Petersplatz assistierten und sich devot vor ihm verbeugten. Nach Einbruch der Dunkelheit aber streifte er durch die Gänge des Ministrantenseminars Pio X im Palazzo San Carlo auf der Suche nach Opfern für seine homosexuellen Übergriffe. Einer der Präfekten des Seminars, Monsignor Martino Radice, wies alle Anschuldigungen entschieden zurück. Am 14. Oktober beginnt das Gerichtsverfahren gegen Radice und einen mitangeklagten Priester - ein vom Papst ausdrücklich befürwortetes Verfahren. Die Übergriffe wurden erst 2017 durch ein Enthüllungsbuch von Gianluigi Nuzzi bekannt. Es dürfte nicht der einzige Fall von systematischer Vertuschung bleiben.