Der Bruch ist vollzogen und erscheint unwiderruflich. Ausgerechnet am Tag des heiligen Franziskus, an dem die Fünf-Sterne-Bewegung ihren 11. Geburtstag feiert, spaltet sie sich in zwei gegnerische Lager. Auf der einen Seite Davide Casaleggio, der Sohn des Mitbegründers und Alessandro Di Battista, der Anführer der Rebellen gegen Anpassung und Regierungsbeteiligung, der im Koalitionspakt mit dem PD die "morte nera" sieht.  Auf der anderen die "Angepassten", von Luigi Di Maio bis zum  Interims-Vorsitzenden Vito Crimi – jene, die "der Versuchung der Macht nicht widerstehen".

Der Bruch zwischen den zwei Seelen der Bewegung hatte sich bereits abgezeichnet. In diesem Konflikt sitzt Davide Casaleggio zumindest vorerst am längeren Hebel. Denn er verfügt mit der Piattaforma Rousseau über das unverzichtbare System zur Kontrolle, Abstimmung  und Beitragsleistung aller Gewählten. Und er verfügt mit dem Blog delle stelle über das wichtigste Informationsnetz der 5 stelle. Bisher kassierte er dafür von jedem Parlamentarier einen Pflichtbeitrag von 300 Euro monatlich, der von  einer wachsenden Zahl von Abgeordneten und Senatoren verweigert wird.  Rousseau garantierte bisher auch die wichtige und kostspielige Rechtshilfe für alle M5S-Mandatare.

Casaleggio droht: "Se il M5S diventasse Partito, il nostro supporto non può certo durare."

"Apriremo il parlamento come una scatola di tonno", war eine der einprägsamsten Prognosen, mit denen Beppe Grillo auf seiner legendären Grosskundgebung in Rom Begeisterungsstürme auslöste. Womit der Gründer der Bewegung  nicht rechnen konnte: dass die Fische aus der einmal geöffneten Dose auch in die  Freiheit springen könnten. Die letzten zwei, die diese Gelegenheit nutzten, waren vor wenigen Tagen der ligurische M5S-Abgeordnete Marco Rizzone und seine sizilianische Kollegin Piera Aiello. Beide wechselten von der 5 Sterne-Fraktion in die gemischte. Damit ist die Zahl der Überläufer auf 37 gestiegen. Weitere werden nach dem Bruch folgen  und gefährden damit akut die Zukunft der Regierung Conte. Bei Gehältern von 13.000 Euro im Monat bröckeln offenbar die vor elf Jahren bejubelten Ideale.

Und wenn Beppe Grillo heute als Väter der Bewegung Dario Fo und Gianroberto Casaleggio preist, wirkt das eher wie eine pathetische Pflichtübung.  Niemand weiss, wie es nun weitergehen soll. Etwa mit der digitalen Plattform Rousseau, auf der alle  bisherigen Abstimmungen der Mitglieder durchgeführt wurden - zuletzt jene über die Möglichkeit  von Koalitionen mit herkömmlichen Parteien und jene, mit der die bisher gültige Mandatsbegrenzung  von zwei Legislaturen aufgehoben wurde - auch das eine heftig umstrittene Entscheidung, mit  der sich die Bewegung weiter von ihren ursprünglichen Idealen entfernte. Dahinter versteckt sich auch ein geografischer Konflikt: Rousseau hat den Sitz in der Industriemetropole Mailand, die M5S-Fraktionen  in Rom, wo Parlament und Regierung sitzen. 

Die eigentliche, dramatische  Abstimmung über die Zukunft des Movimento 5 stelle erfolgte freilich bei den jüngsten Regionalwahlen. Getroffen wurde sie von den Wählern. Die Bewegung, die bei der Parlamentswahl 2018 mit 33 Prozent ein Drittel der Stimmen erobert hatte,  stürzte etwa im Veneto und in Emilien auf drei Prozent ab. Alessandro Di Battista, der sich um den Vorsitz bewirbt: "È la più grande sconfitta nella storia del M5S." Zurückzuführen ist sie auf den politischen Schleuderkurs, die Unzulänglichkeit vieler Kandidaten, die fehlende politische Strategie,  die internen Konkurrenzkämpfe und die mangende Kompromissbereitschaft zu Koalitionen. Das konnte man nirgends so deutlich nachvollziehen wie in Bozen, wo die Bewegung im Gemeinderat gleich alle sechs Sitze einbüsste.