Gesellschaft | Einwanderung

Grieser Sheriff

Alessandro Urzì beschreibt den Bozner Zeilerhof als Umschlagplatz für Drogen. Die Leiterin des Projekts, Karin Cirimbelli, hat den Rechtspolitiker jetzt angezeigt.
Die Anschuldigungen sind schwerwiegend und völlig aus der Luft gegriffen“, sagt Karin Cirimbelli. Die Vorsitzende des Freiwilligen-Vereins „SOS Bozen“ will sich das so nicht gefallen lassen. Am vergangenen Samstag hat Cirimbelli in der Bozner Quästur eine Strafanzeige gegen den Landtagsabgeordneten Alessandro Urzì wegen Diffamierung eingereicht. „Seine Aussagen sind rufschädigend und erniedrigend“, meint die Bozner Flüchtlingshelferin.
Im Mittelpunkt der Kontroverse steht ein privates Hilfsprojekt, das ohne öffentliche Zuschüsse, jenen hilft, die von Gemeinde, Land und Staat vergessen werden. Ein Projekt, das seit längerem ins Visier des Fratelli d’Italia-Landtagsabgeordneten Alessandro Urzì geraten ist, der jetzt mit einer Landtagsanfrage und einer öffentlichen Kampagne gegen die Struktur mobilmacht. „Maso Zeiler, quello che era un gioiello nel quartiere di Gries è stato trasformato in uno spazio che appare ingestibile e viene avvertito come pericoloso nel cuore di Bolzano“, schreibt der Rechtaußenpolitiker in einer Stellungnahme.


Projekt Zeilerhof

 
Ich bin glücklich, dass in diesem Haus Hilfe in Not geleistet wird“, erklärte Hellmuth Frasnelli vor fast vier Jahren als er das Projekt in Anwesenheit von Landeshauptmann Arno Kompatscher und der damaligen Soziallandesrätin Martha Stocker vorgestellt hat. Der Bozner Unternehmer (Eisackwerke GmbH, Investa) hat eines seiner Häuser, den Zeilerhof im Bozner Stadtteil Gries, auf eigene Kosten renoviert und ihn dem Land kostenlos für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Der Zeilerhof hat danach über drei Jahre lang, bis zu 40 Personen vorwiegend Familien ein Dach über den Kopf geboten.
 
 
Nachdem das Projekt auslief, legte Hellmuth Frasnelli im Spätsommer 2019 den Zeilerhof gleich doppelt in neue Hände. Zum einen übergab er familienintern die Verantwortung an seine Tochter Manuela und zum anderen zogen vor über einem Jahr neue Hausherren in den Zeilerhof ein.
Den ersten Stock des Zeilerhofs übernahm Paul Tschigg von der Vinzenzgemeinschaft und betreibt ihn als Winterhaus. Dort können obdachlose Familien und Frauen – insgesamt 10 Personen – schlafen und sich auch tagsüber aufhalten.
Im zweiten und dritten Stock betreuen Karin Cirimbelli und ihr Verein SOS Bozen das Wohnprojekt “Living in dignity” (zu deutsch: “Leben in Würde”). Dort gibt es 20 Schlafplätze für Asylsuchende und Migranten, die zwar einen Arbeitsvertrag haben, aber keine Wohnung in Bozen finden oder sich keine leisten können. Wer einziehen darf, wird nach einem Bewerbungsgespräch entschieden, wie es auf dem privaten Wohnungsmarkt auch üblich ist. Wer einen Platz erhält, muss an verpflichtenden Kursen teilnehmen, etwa, wie man in Südtirol wohnt. Zugleich erhalten die Bewohner Unterstützung bei der Wohnungssuche, etwa beim Gang zur Immobilienagentur. Miete im eigentlichen Sinne bezahlen sie für die Aufenthaltsdauer keine, sondern einen geringfügigen Beitrag und die Spesen.
Hellmuth und Manuela Frasnelli haben den Zeilerhof kostenlos den beiden Vereinen vertraglich bis zum Frühjahr 2021 übergeben.
 

Die Anfrage

 
Diese Struktur ist einigen Anwohnern im noblen Bozner Stadtviertel seit langem ein Dorn im Auge. Lange vor der Eröffnung hat man alles versucht, um das Hilfsprojekt zu verhindern. Jetzt tut man alles, um den Menschen dort das Leben noch schwerer zu machen.
Diese Anwohner haben jetzt in Alessandro Urzì einen politischen Fürsprecher gefunden. Der Rechtaußen-Abgeordnete reichte Ende April 2020 eine Anfrage im Landtag ein.  
Dort heißt es:
 
„Uno degli ultimi masi di Bolzano, un gioiello nel quartiere di Gries è stato trasformato in uno spazio ingestibile e che i vicini lamentano ogni giorno di più come pericoloso. In un filmato girato poche ore fa – allegato alla presente interrogazione - si vede un ospite della struttura lanciare violentemente dalla finestra una sedia di legno nel corso di un diverbio con altri inquilini della struttura, mentre nei frame successivi si sente distintamente una ragazza far riferimenti a furti e droga. Nella struttura che risulterebbe gestita da Sos Bolzano e dai volontari della San Vincenzo, ospita una trentina di migranti, la situazione è diventata insostenibile: la trentina di migranti ospitata si introdurrebbero nelle pertinenze dei vicini condomini, entrerebbero nei garage, abbandonerebbero rifiuti e, in tempi di emergenza Covid, girerebbero senza protezione sul viso.“
 
Urzì wollte von der Landesregierung wissen, wie man diese für die Anwohner untragbaren Situation beenden will.
 

Cirimbellis Brief

 
Karin Cirimbelli bestätigt den Vorfall vom 23. April 2020, den ein Nachbar auf Video festgehalten hat, das Urzì dann auf Facebook veröffentlichte. „Es war in der Zeit der Quarantäne, wo der Großteil der Buben die Arbeit verloren hat und wo bei einigen die Nerven blank lagen“, erklärt die SOS-Bozen-Vorsitzende.
 
 
 
Von der Landtagsanfrage informiert, wandte sich Cirimbelli mit einer schriftlichen Stellungnahme an Landeshauptmann Arno Kompatscher und die Soziallandesrätin Waltraud Deeg. Die freiwillige Helferin legte im Schreiben alle Hintergründe und Fakten rund um den Zeilerhof nochmals offen. Dabei stellt sie auch die Frage, was der Landtag mit einem Hilfsprojekt zu tun hat, das ausschließlich auf Privatinitiative fußt. „Ich habe vom beiden bis heute keine Antwort erhalten“, sagt Karin Cirimbelli sichtlich enttäuscht zu Salto.bz.
Dafür hat die zuständige Landesrätin vergangene Woche auf die Landtagsanfrage von Alessandro Urzì geantwortet. Es ist eine kurze Antwort. Waltraud Deeg schreibt: Es handle sich um eine Privatinitiative für die keinerlei öffentliche Beiträge fließen. Was „Aspekte der öffentlichen Sicherheit“ betreffe, so solle man sich an die Betreiber der Struktur oder an die zuständigen Polizeibehörden wenden.
 

Gefährlicher Drogensumpf

 
Nachdem die Bozner Gemeinderatswahlen vorbei sind, darf Alessandro Urzì wieder so auftreten, wie es ihm gefällt.
Der FdI-Politiker hat am vergangenen Samstag auf seiner Facebook-Seite nachgelegt:
 
„ Degrado, rischio di spaccio di droga, rifiuti abbandonati ovunque, nessun rispetto delle disposizioni anti-Covid-19: i migranti ospiti della struttura farebbero quello che vogliono di giorno e di notte, si introdurrebbero nei garage vicini turbando la quiete pubblica con litigi e diverbi che sfociano in episodi di violenza. […|…
 
 
 
A nulla sono valse le lamentele dei vicini preoccupati dall’escalation quotidiana di violenza che origina dalla struttura di accoglienza gestita dalla San Vincenzo e si estende nelle pertinenze dei condomini vicini: per la Svp e la Lega – quella dei porti chiusi e del “Prima gli Italiani” va tutto bene. E nessun intervento a riguardo è quindi previsto.“
 
Alessandro Urzì hat für seine Kampagne auch gleich ein Plakat entworfen und gepostet.
SOS Bozen“ will sich diesen Frontalangriff nicht gefallen lassen. Wenige Stunden nachdem der Urzì-Post online ging, erstattete Karin Cirimbelli Anzeige wegen Verleumdung gegen den Landtagsabgeordneten. „Das bin ich mir, unserem Verein und vor allem unseren Bewohnern schuldig“, sagt Cirimbelli.