Umwelt | Gastkommentar

SLAPP*) und die „Hintermänner“

Über den Pestizidprozess, die vertane Chance, die Ausweitung der Klage und die Zukunft der Südtiroler Obstwirtschaft.
Pestizidtirol-Plakat in München
Foto: Umweltinstitut München
Beim Prozessauftakt Mitte September am Landesgericht Bozen hatte ich als Beobachter den Eindruck, beide Prozessparteien würden an einer gütlichen Regelung des Konfliktes interessiert sein. Landesrat Arnold Schuler hatte am Tag zuvor angekündigt, die Klage gegen Alexander Schiebel und Karl Bär zurückziehen zu wollen. Wie es aber nun den Anschein hat, konnten sich die Streitparteien nicht einigen.
Karl Bär aus München und Alexander Schiebel aus Wien hatten sich in der Vergangenheit gegen den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden in der Landwirtschaft ausgesprochen. Herr Bär mittels einer Plakataktion in München, Herr Schiebel durch Veröffentlichung seines Buches „Das Wunder von Mals“. Beide Aktionen sind Landesrat Schuler und über 1300 Obstproduzenten dermaßen sauer aufgestoßen, dass sie Anzeige wegen übler Nachrede erstattet haben.
Den Einbringern der Anzeige reichte dieser erste Schritt nicht aus und so wurden zusätzlich noch die Vorstandsmitglieder des Umweltinstitutes München, wo Karl Bär als Angestellter arbeitet und der Geschäftsführer Jacob Radloff vom oekom-Verlag, welcher das Buch von Alexander Schiebel herausgegeben hatte, angezeigt. Dabei handelt es sich um Personen, die nicht direkt mit der Pestizidproblematik in Südtirol befasst, sondern in ihren jeweiligen Funktionen im Hintergrund tätig waren.
 
Vermutlich wird es bald nicht mehr um die Sache selbst gehen sondern darum, wer vor Gericht die bessere Show abzieht.
Am Donnerstag, 22.10.2020, findet am Landesgericht Bozen die Anhörung statt, ob gegen die Vorstandsmitglieder des Umweltinstitutes und gegen Jacob Radloff ebenfalls Anklage erhoben werden soll. Die ganze Geschichte rund um den anstehenden Prozess hat vor allem in Deutschland Kopfschütteln erzeugt: In persönlichen Gesprächen aber auch in vielen deutschen Medienberichten wurde Unverständnis über das gerichtliche Vorgehen in Südtirol bekundet. Die Aussagen der Herren Schiebel und Bär würden in Deutschland als freie Meinungsäußerung gewertet und SLAPP-Anzeigen würden es niemals vor den Kadi schaffen, denn nach deutschem Rechtsverständnis fehlt einer SLAPP die Vorausetzung für eine Klage. Diese wird somit vom Gericht als unzulässig abgewiesen.
 
 
Aus diesem Grund warnten die Grünen Bundestags-Abgeordneten Renate Künast und Harald Ebner in einem offenen Brief an Landesrat Schuler davor, dass sich Kritik an gesellschaftlichen Missständen nicht durch Klagen mundtot machen ließe und sie fordern die „Klageführer daher auf, alle Klagen gegen die genannten Personen zurückzuziehen.“
„Nun haben wir den Salat!“ war eine Aussage von mir nach der Pressekonferenz des Umweltinstitutes im Hotel Laurin in Bozen, wo ich als Beobachter anwesend war. Das war Anfang September und bereits damals zeichnete sich ab, dass unsere Südtiroler Pestizidfrage zum internationalen Medienhype mutieren könnte. Und so war es in der Folge dann auch, es erschienen etliche Berichte in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Jetzt mit dem Brief der Bundestags-Abgeordneten hat es das Thema sogar in die Parlamente unserer Nachbarländer geschafft.
Vermutlich wird es bald nicht mehr um die Sache selbst gehen, sondern darum, wer vor Gericht die bessere Show abzieht. Nationale und internationalen Medien werden berichten, bis irgendwann der Vorhang fällt. Wer am Ende als Sieger vom Platz geht, wird für die öffentliche Wahrnehmung völlig nebensächlich sein.
Was aber in den Köpfen hängen bleiben wird, sind die Begriffspaare „Südtirol und Pestizide“ sowie „Südtirol und SLAPP“. Egal wie stark wir uns in Zukunft bemühen möchten, viele Menschen werden in Zusammenhang mit Südtirol an Pestizide und SLAPP denken. Und das wird, wie es Renate Künast und Harald Ebner ausdrücken, „dem Image von Südtirol in Deutschland mehr schaden als die Kritik, gegen die sich die Klage richtet.“
 
Es gibt kein zweites Land in Europa, wo sich Intensiv-Obstbau, Wohnsiedlungen und Tourismuszonen so dicht ineinander verzahnen.
Was wäre in dieser verzwickten Lage zu tun? Südtirol könnte proaktiv agieren und die Ökowende in der Landwirtschaft angehen. Die negative Rolle der industriellen Landwirtschaft auf Gesundheit, Umwelt und Artenvielfalt ist mittlerweile Allgemeinwissen. Es gibt kein zweites Land in Europa, wo sich Intensiv-Obstbau, Wohnsiedlungen und Tourismuszonen so dicht ineinander verzahnen. Dass es Konflikte durch Abdrift von Pestiziden gibt, wissen die Menschen in Südtirol. Und sollte sich der Pestizid-Prozess über Jahre hinziehen, dann werden es noch viel mehr Menschen in Europa auch wissen.
 
Landesrat Schuler könnte mit dem Konzept der Ökowende 2030 einen für unser Land längst überfälligen Systemwechseln einleiten und somit auch dem Prozess Wind aus den Segeln nehmen. Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Burgenland haben die Weichen für die Ökowende bereits gestellt.
Ob sich die Landwirtschaftspolitik zu so einer visionären Lösung durchringt, darf bezweifelt werden. Eher wird am Alten festgehalten und der Pestizid-Prozess mit Hängen und Würgen durchgefochten. Zum Schaden für Land und Leute.
 
 
*) Wikipedia: SLAPP (engl. strategic lawsuit against public participation = Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung; engl. slap = Ohrfeige, Schlag ins Gesicht) ist ein Akronym für eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker einzuschüchtern und ihre öffentlich vorgebrachte Kritik zu unterbinden.
 
 
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Günther Mayr Mi., 21.10.2020 - 16:30

Am Titelbild dieses Arikels kann man das eigentlich Offensichtliche ablesen: selbst der bio-dynamische Anbau verwendet Pestizide (in diesem Fall: Stäubeschwefel) - aus gutem Grund.
Hier wäre zumindest ein bischen Realismus gefragt, statt beim Brandstiften tüchtig mit zu werkeln, den damit ist niemand geholfen - am Wenigsten der Wahrheit.
Die "Ökowende" ist bereits seit Längerem voll im Gange.
Kann mir leicht vorstellen, daß der Verfasser und sogar auch mancher Bio-Landwirt selbige mit offenen Augen verschläft.

Mi., 21.10.2020 - 16:30 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 21.10.2020 - 22:12

Ich esse keine gespritzten Äpfel aus Südtirol, weil ich sie nicht vertrage, und schon gar nicht die wesentlich mehr und giftiger gespritzten Äpfel aus Frankreich, Polen oder Deutschland. Anstatt geistiges Gift zu spritzen, wie es die Herrn Schiebel und Bär offentlich mit Zustimmung meines Namensvetters im gut bezahlten Landtagsjob getan haben, wäre es wohl sinnvoller, einfach auf diese Chemieäpfel zu verzichten. Aber das ist wohl zu viel verlangt.

Mi., 21.10.2020 - 22:12 Permalink
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Stefan Dissertori Do., 22.10.2020 - 07:23

Solchen Ökofundamentalisten wie Schieben und Bär darf man nicht alles durchgehen lassen. Denn die Welt ist etwas komplizierter und komplexer, reines schwarz-weiß denken sollte es nicht geben. Hier ein gutes Video aus dem öffentlich rechtlichen Fernsehen, dass auch Sie Herr Staffler sich mal ansehen sollten:
https://youtu.be/YW2yfiGAH3M

Do., 22.10.2020 - 07:23 Permalink
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Stefan S Do., 22.10.2020 - 09:03

"bio-dynamische Anbau verwendet Pestizide"
Der bio dynamische Anbau ist ein Kind der konventionellen Landwirtschaft und verfolgt das Ziel die chemischen Pflanzenschutzmittel auf ein Minimum zu reduzieren und diese durch natürliche Pflanzenschutzmittel zu ersetzen.
Ein guter Ansatz wie ich finde da er die Errungenschaft der letzten Jahrzehnte aus der konventionellen Landwirtschaft mit den Erkenntnissen aus der Biolandwirtschaft verbindet und dadurch Böden und Umwelt nachhaltiger schont. Erfolgreich wird diese Methodik vor allem im Weinbau eingesetzt.

Do., 22.10.2020 - 09:03 Permalink
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Klemens Kössler Do., 22.10.2020 - 09:24

Südtirol und Pestizide das wird in den Köpfen bleiben da gebe ich Herrn Staffler vollkommen recht. Was aber sollte dieses Plakat in München anders bewirken?
Mit dieser Aktion eine Umstellung zu Bio zu forcieren wohl kaum. Das Plakat ist eine einzige Negativaussage zu Südtirol und sonst gar nichts. Die Anklage zur Rufschädigung war die Folge und meiner Meinung ist das Verbrechen der Rufschädigung voll gegeben.
Gewinnen wird wer die bessere Show aufführt da ist Canestrini mit Schiebel und Bär klar im Vorteil die Gerechtigkeit sicher nicht.

Do., 22.10.2020 - 09:24 Permalink
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Klemens Kössler Do., 22.10.2020 - 09:40

"Die Pestiziddebatte hat es bis ins Ausland geschafft"
Das ist doch klar, immerhin gingen die Presseaussendungen der Umweltkrieger immer dorthin, ein Kompliment zu dieser Vorgangsweise, diese hat Erfolg die Wahrheit interessiert keinen sondern Geschichten wie "David gegen Goliath", Asterix und Obelix gegen Rom" oder böse Chemie vergiftet wehrlose Bevölkerung"
Während in Südtirol ein Weg der Aufklärung zu PSM oder eben spektakulärer zu Pestiziden gesucht wurde hatten die Experten der Angst mit Populismus gewaltigen Erfolg in der Presse, wer will schon die Wahrheit schreiben die Auflagen schafft man mit reißerischen Artikeln gemäß der Parole "Bild dir deine Meinung"
Umweltschutz oder Ökologisierung, mit Dialog und Weiterentwicklung wurde damit geradezu verhindert.
Herr Staffler und die Partei der Grünen (besetzt von tendenziell linksorientierten 68ern) schaffen es Europaweit die Landwirtschaft zum Buhmann zu machen und eine Verbesserung zu blockieren, Nutznießer sind riesige Handelskonzerne welche Lebensmittel außerhalb Europas herstellen mit dem Geld der Rentenfonds und die Europäer glauben machen Brasilien sei am roden des Regenwaldes schuld. Europa kann sich nicht mehr ernähren und saugt den Rest der Welt aus, dies alles geschieht mit Hilfe europäischer NGOs, Grünen Populisten und Bürokraten welche mit Vorschriften die Umweltprobleme der Zukunft zu einem Gesetzeswirrwarr machen.

Do., 22.10.2020 - 09:40 Permalink
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Klemens Kössler Do., 22.10.2020 - 09:46

Herr Staffler , Sie wissen sicher dass Frau Künast eine persönliche Bekannte von Herrn Bär ist. Die Welt ist klein.
Klein ist auch die Gruppe der lauten Schreier, aber diese Gruppe wird gehört wie damals in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts. Jene Populisten kamen in den Dreißigern zum politischen Erfolg und das Volk in den Vierzigern zum Resultat des Populismus.
Nur Diplomatie und Dialog bringt uns weiter Presseaussendungen um Spendengeld zu generieren ist ganz bestimmt das stärkste Gift bei der ganzen Pestiziddebatte.

Do., 22.10.2020 - 09:46 Permalink
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Christoph Gatscher Do., 22.10.2020 - 11:45

Vielleicht ist der reine Bioanbau auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wenn Herr Staffler von der intensiven Verzahnung von Intensiv - Obstbau mit chemisch - synthetischen Mitteln und Wohnzonen spricht, dann weiß ich genau, was er meint. Es ist weder lustig noch gesund, wenn das eigene Haus mehrmals in der Woche eingenebelt wird.
Daher begrüße ich den Ansatz der Ökowende in Südtirol, denn Spritzmittel aus dem Ökolandanbau sind mit Sicherheit das kleinere Übel.

Do., 22.10.2020 - 11:45 Permalink
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Markus Lobis Do., 22.10.2020 - 14:32

Dieser Herr Kössler erheitert mich immer wieder, wo immer er auftaucht. Er ist für mich mittlerweile zum lebenden Beispiel für die größten Fehler der Südtiroler Obstwirtschaft geworden, die er selbst schonungslos aufzeigt: Es ist eine maßlose Arroganz und das fanatische Beharren auf Märchen und Mythen, die die Obstwirtschaft selbst entwickelt hat.

Do., 22.10.2020 - 14:32 Permalink
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Norbert Dejori Fr., 23.10.2020 - 00:24

Es ist für mich unerträglich, dass Menschen, die sich für Gesundheit und für die Umwelt einsetzen, vor Gericht gezerrt werden. Die Anwälte freut sowas vielleicht, für die Betroffenen ist es eine enorme Belastung. Als Biologe kann ich sagen, dass sich die konventionelle Obstwirtschaft extrem negativ auf die Artenvielfalt auswirkt. Viele Studien belegen das. Daher hat die stark mit Steuergeldern subventionierte Landwirtschaft die Pflicht, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden zu beenden.

Fr., 23.10.2020 - 00:24 Permalink
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Peter Gasser Fr., 23.10.2020 - 00:33

Antwort auf von Norbert Dejori

Oben steht:
“ ...hat die stark mit Steuergeldern subventionierte Landwirtschaft die Pflicht, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden zu beenden”:
Die gesetzlichen Grundlagen werden in den Parlamenten der verschiedenen Verwaltungsebenen beschlossen. Niemand hindert diese daran, diesbezüglich tätig zu werden, und die Produktion von Pflanzenschutzmitteln zu verbieten, niemand hindert diese daran, jeden Import und Verkauf von mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Lebensmitteln zu verbieten.

Diese “Pflicht” liegt bei den gesetzgebenden Organen der Gesellschaft.
Warum fordert man nicht das Verbot der Produktion dieser Pflanzenschutzmittel?

Fr., 23.10.2020 - 00:33 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Fr., 23.10.2020 - 07:35

Antwort auf von Norbert Dejori

Herr Dejori bei diesem Verfahren geht es um Verleumdung und um Verletzung des Markenrechts, nicht direkt um die Schädlingsbekämpfung. Das sollte mittlerweile schon klar sein.
Um es mit einem enfachen Beispiel zu sagen: Wenn der Sepp in Mals Alkoholiker ist, können Sie nicht behaupten alle Südtiroler seien es.
Es ist der Trick von Bär und Schiebel zu versuchen, diese Anklagepunkte auf eine andere Ebene zu heben.

Fr., 23.10.2020 - 07:35 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Sa., 24.10.2020 - 08:11

Was schreiben Sie denn für einen Quatsch? Es geht bei der Klage um die Verleumdung, die in bestimmten Aussagen Schiebels (falls Sie überhaupt wissen um was es geht) und in der Botschaft des Umweltinstituts enthalten sind ("Südtirol sucht saubere Luft").
Es wäre nie zu einer Klage gekommen, wenn sich die Autoren nicht zu einer Verallgemeinerung bzw. zu haltlosen Aussagen hinreißen hätten lassen. Wenn Schiebel schreibt, dass Bauern sich der fahrlässigen Tötung schuldig machen und Bär von einem "Problem" der Obst- und Weinwirtschaft auf ganz Südtirol schließen, brauchen sie sich wirklich nicht zu wundern, wenn eine Retourkutsche kommt.

Sa., 24.10.2020 - 08:11 Permalink