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Die Zukunft liegt bei den Farmfluencern

Die 26-jährige Meike Hollnaicher verfasst ihre Abschlussarbeit im Master Eco-Social Design über Farmfluencer. Es geht um Landwirte, die eine Inspiration sein wollen für den Wandel.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Meike Hollnaicher - Farmfluencer
Foto: Meike Hollnaicher

unibzone: Wie sind Sie als Quereinsteigerin auf das Masterprogramm des Eco-Social-Design gestoßen? 

Meike Hollnaicher: Das erste Mal habe ich von diesem Studiengang Ende 2015 gehört, nachdem ich mit meinem damaligen Professor im Bachelor eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Design gesprochen habe. Ich wollte meine Zukunft nicht in der Werbebranche sehen, sondern wollte etwas machen, das Hand und Fuß hat und für mich Sinn macht. Für Projekte zu arbeiten hinter denen ich auch stehen kann – das war das Ziel. Dann nahm mein Leben, und meine berufliche Laufbahn seinen Lauf, bis ich mich drei Jahr später entschieden habe doch noch diesen Master zu besuchen, um mir in meinem persönlichen und beruflichen Leben weitere Türen zu öffnen.

„Meine Motivation ist eine Mischung aus persönlichem Interesse und der Gewissheit, dass wir in einem System feststecken, das Landwirten oft nur die Wahl lässt sich selbst oder ihren Grund und Boden auszubeuten.“

Was hat Sie veranlasst, eine vertiefende Arbeit über „Farmfluencer“ zu verfassen?

Das war eine Mischung aus persönlichem Interesse und der Gewissheit, dass wir in einem System feststecken, das Landwirten oft nur die Wahl lässt sich selbst oder ihren Grund und Boden auszubeuten. Die Bäuerinnen und Bauern arbeiten sehr viel für sehr wenig Lohn und noch weniger Anerkennung – und doch sind sie Systemrelevant. Ich weiß, das können wir schon alle nicht mehr hören, aber: Das hat vor allem die Coronakrise gezeigt. Es gibt nicht viele, die den Mut und die Fähigkeit haben Aus- und Umwege aus diesem System zu finden. Ich zitiere gerne eine meiner Bäuerinnen, die sagte: „Wenn wir Landwirtschaft richtig und regenerativ betreiben würden, könnten wir den Klimawandel stoppen.“ Das Projekt „Farmfluencers of South Tyrol“ stärkt genau diese Bäuerinnen und Bauern, bildet eine Gemeinschaft und dient zur Inspiration anderer, die gerne einen Schritt in eine neue Richtung gehen würden, aber den Weg noch nicht sehen.

 

Sind die Bäuer*Innen, die Sie derzeit besuchen, wirklich Influencer in ihrem Bereich?

Influencer für diejenigen, die sich interessieren und die dieselben Werte teilen – ja. Viele bieten Hofführungen an und werden oft nach Rat gefragt. Man kann aber nicht behaupten, dass sich wirklich alle von den Farmfluencern überzeugen lassen und sich nun in eine ökologische Richtung bewegen. Das ist aber auch nicht das Ziel dieses Projektes und auch nicht der Bäuerinnen und Bauern. „To influence“ bedeutet ja lediglich beeinflussen, etwas anstoßen. Auch wenn der rasende Fortschritt des Klimawandels eigentlich nach radikalem Wandel schreit. Wir sprechen bei konventionellen Bäuerinnen und Bauern aber immer noch von Menschen. Menschen, die in einem System gefangen sind, das durch Landwirtschaftssubventionen in Europa für perspektivlose Bäuerinnen und Bauern in Afrika sorgt, deren Kinder wiederum mit der Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft nach Europa kommen. Und aus diesem System auszusteigen ist nicht leicht. 


 

Was beeindruckt Sie am meisten an diesen Betrieben?

Keiner dieser Betriebe hat einen neuen Weg gewählt, weil es wirtschaftlich mehr Sinn macht. Alle, mit denen ich gesprochen habe, sind überzeugt das richtige für sich, die Gesellschaft und vor allem die Umwelt zu tun. Da ich nicht nur Interviews geführt habe, sondern auch mit vielen einen Tag oder mehr auf ihrem Hof gearbeitet habe, hatte ich auch die Möglichkeit deren Charaktere besser kennen zu lernen. Viele sind Idealisten, manche Quereinsteiger, manche wollten schon immer Bauer werden. Aber alle haben ein Ziel: schlicht und einfach ein gutes Leben für sich, ihre Familie und die Natur, die sie umgibt und ernährt. Kein Reichtum, kein Wachstum, kein „mehr“.

 

Sie stammen selbst von einem Bauernhof. Welche Unterschiede können Sie zwischen dem Ansehen der Landwirtschaft in Ihrer Region und Südtirol ziehen?

In meiner Region im hügeligen und teils bergigen Süddeutschland (in Baden-Württemberg) galt lange das Credo „wachsen oder weichen“. Und so ist es gekommen. Im Wettkampf mit der industriellen Landwirtschaft in den flacheren Regionen Deutschlands konnten viele kleine Betriebe nicht bestehen und stehen vor allem in den Regionen ohne Tourismus heute leer. Aber selbst „den großen“ geht es nicht gut. Auch hier zitiere ich gerne einen Landwirt, mit dem ich im Laufe meiner Recherchearbeit gesprochen habe. Er hat über 200 Milchkühe in seinem Stall. „Du verdienst zu viel, um zu sterben und zu wenig, um zu leben. Als Bauer bist du immer nur der Böse, der Pestizide sprüht und alles kaputt macht. Dabei wären wir die letzten, die unsere Böden zerstören, der ist unsere Lebensgrundlage.“ Die großen Bauernproteste im vergangenen Jahr sind das Ergebnis eines jahrelangen gegenseitigen Unverständnisses zwischen Gesellschaft, Politik und Landwirtschaft. Während also die Gesellschaft bei uns den Bauern als den bösen Umweltschänder wahrnimmt, ist er hier in Südtirol Kulturgut. Aus dem Tourismus sind die kleinen Bauernhöfe nicht wegzudenken und auch die Bauernmärkte in Bozen erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Stimmung ist eine ganz andere und das ist interessant. Mit solchen Synergien lässt es sich arbeiten und in den Dialog kommen. Das war für mich bevor ich hier her kam undenkbar.

 

Wie fügt sich Ihr Thema in das Konzept des Masterprogramms ein?

Das übergreifende Ziel des Masters ist es, ein gutes Leben für alle zu fördern. Jetzt und in der Zukunft. Das interessante dabei: Mit „alle“ sind Menschen und andere Lebewesen auf dem ganzen Planeten gemeint. Alle Projekte der StudentInnen und so auch meins, berücksichtigen diese Aspekte und versuchen Stellschrauben an verschiedenen Stellen im Ökosystem und der Gesellschaft zu drehen, um einen Schritt hin zu einem guten Leben für alle zu gehen. Die Landwirtschaft ist ein sehr großes und komplexes Thema, also habe die kleine Stellschraube zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft gewählt, um hier in Südtirol schnell in Aktion treten zu können.

 

Wie stellen Sie sich nach dieser Ausbildung Ihre berufliche Zukunft vor?

Das ist die wohl unbeliebteste Frage für die Absolventen dieses Masters. Wir haben den Kopf voller Probleme und Ideale, die wir am liebsten alle auf einmal bearbeiten würden. Nur leider weiß noch niemand, dass es uns gibt, was wir können und wozu man uns gebrauchen kann. Meine persönliche Zukunft sehe ich voller Diversität, denn das ist bekanntlich krisensicher und gut für die Gesellschaft. Ich sage auch mit Absicht „persönlich“ und nicht „beruflich“, denn ein gutes Lebe für alle kann eine Gesellschaft nicht erreichen, indem sie mit Scheuklappen zum Geld verdienen geht. Da ich momentan meinen Lebensmittelpunkt in Bozen habe, möchte ich mich gerne engagieren und mein Projekt weiterentwickeln. Dafür wird mich natürlich keiner mit Geld bezahlen, da müssen wir realistisch bleiben. Aber es werden sich andere Türen öffnen. Und dann muss ich natürlich wie jeder Mensch auch meine Miete bezahlen. Dafür arbeite ich seit drei Jahren als Grafik Design Freelancerin. Schön wäre es aber hier in der Region um Bozen eine Arbeit im Bereich der nachhaltigen regionalen Entwicklung zu finden, die das soziale, kulturelle und landwirtschaftliche Feld vereint. Ganz egal ob in der Forschung oder in der Praxis, denn ich arbeite viel lieber und besser im Team als alleine. 

 

Interview: Vicky Rabensteiner

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Klemens Kössler Mo., 26.10.2020 - 15:54

"eine Arbeit im Bereich der nachhaltigen regionalen Entwicklung zu finden, die das soziale, kulturelle und landwirtschaftliche Feld vereint. "
Genau dies ist in Zukunft immer mehr eine Aufgabe. Die Landwirtschaft wird tendenziell immer mehr von der Gesellschaft ausgeschlossen, mit Vorwürfen und Verurteilungen abgestempelt und an den Pranger gestellt.
Die Landwirtschaft ist aber Teil der sich wandelnden Gesellschaft und darf vom Rest der Gesellschaft nicht ausgegrenzt werden, damit erreichen wir Menschen nichts.
Gutes Statement sympathischer Artikel.

Mo., 26.10.2020 - 15:54 Permalink