Wirtschaft | Autoindustrie

EU: Coronakrise trifft Autobranche hart

Von Jänner bis September 2020 sind die PKW-Neuregistrierungen in der EU, verglichen mit dem Vorjahr, um fast 29% gesunken, erst im September gab es ein leichtes Plus.
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Autos
Foto: Pixabay

Der Autosektor in der EU

Die Autobranche spielt eine sehr wichtige Rolle in der Wirtschaft der EU. Laut ACEA (European Automobile Association Manufacturers) machte die Auto-Produktion in der EU im Jahr 2019 20% der weltweiten Produktion aus und ist nach China, das einen Anteil von 28% hat, die Nummer 2. Im Jahr 2019 waren 14,6 Millionen Menschen EU-weit in der Autobranche beschäftigt*,  was einem Anteil von 6,7% der arbeitenden Bevölkerung in der EU entspricht.

Der Anteil der Autobranche am BIP (Bruttoinlandsprodukt) der EU betrug im Jahr 2019 7%. EU-Auto Exporte in Nicht EU-Länder machten 2019 €135.9 Milliarden aus, Importe beliefen sich auf € 62 Milliarden, das resultierte in einem Handelsüberschuss von € 73.9 Millionen. In der Autobranche werden besonders hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung getätigt, 2019 betrug der Anteil  29% an den gesamten Investitionen in Forschung und Entwicklung der EU.  Die EU-Staaten kassierten 2019 440,4 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, die beim Kauf und bei der Haltung von Autos bezahlt werden, sowie beim Kauf von Benzin, Diesel und anderen Brennstoffen anfallen.

EU: Auswirkungen der Coronakrise auf die Autoverkäufe

Als Folge der Coronavirus-Pandemie steckt die EU-Autobranche in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Am Anfang der Krise kam es zu Ausfällen in den Lieferketten, da Chinas Wirtschaft schon im Jänner/Februar von der Pandemie betroffen war, dann brach infolge des Lockdowns in vielen Ländern die Nachfrage in Europa und in anderen Regionen massiv ein.

 Laut neuesten Zahlen von ACEA sanken die PKW-Neuregistrierungen EU-weit im Zeitraum von Jänner bis September 2020, verglichen mit dem Vorjahr, um 28,8%, in absoluten Zahlen wurden 2,85 Millionen weniger PKWs verkauft als im selben Zeitraum 2019. Im März, April und Mai brachte der Lockdown in vielen Ländern die Autokäufe beinahe zum Stillstand.  Den größten Einbruch gab es im April mit 76,3%, ab Juni und Juli erholte sich der Automarkt als Folge der Lockerungen, doch im August fiel die Nachfrage wieder. Erstmals im September kam es bei den Neuregistrierungen zu einem leichten Plus von 3,8%.

Von den großen EU-Ländern ist Spanien mit einem Minus von 38,3% und Italien mit  einem Rückgang von 34,2% besonders stark betroffen. In Frankreich und Polen gingen die Neuzulassungen um 28% zurück, während Deutschland ein Minus von 25% verzeichnete. Im Brexit-Land Großbritannien sank die Nachfrage um 33,2 %

Auch im kommerziellen Bereich brach die Nachfrage nach Nutzfahrzeugen in den ersten 9 Monaten von 2020, verglichen mit dem Vorjahr, EU-weit um durchschnittlich 24,5, % ein. Im September hat sich die Nachfrage spürbar erholt und kam auf ein Plus von 13,3%, in Italien wuchs die Nachfrage sogar um 17,5% in Deutschland um 17,6%, Frankreich konnte ein Plus von 15,1% und Spanien ein Plus von 6,6% verzeichnen.

Die Verkaufsrückgänge trafen die einzelnen Autofirmen unterschiedlich stark. Die PSA Group (Peugeot, Citroen, Opel, DS) musste in den ersten 9 Monaten 2020 einen Rückgang von je 36,8% hinnehmen, die FSA Group (Fiat, Alfa Romeo, Jeep, Lancia/Chrysler) kam auf ein Minus von 33,8% und die Renault Group (Renault, Dacia, Lada, Alpine) verzeichnete ein Minus von 30,5%. Der Rückgang bei den deutschen Autobauern fiel etwas geringer aus: der VW-Konzern (VW, Audi, Skoda, Seat, Porsche) verkaufte 26,8% PKWs weniger, während Daimler (Mercedes, Smart) 27,8% und BMW (BMW und Mini) 22,5% weniger Neuzulassungen verzeichnen konnte. Auch die Verkäufe von japanischen Autos in der EU waren stark rückläufig.

Der Dieselanteil bei den PKW-Neuregistrierungen ist weiter gefallen und betrug im ersten Halbjahr 2020 nur mehr 29,7%, im Jahr 2019 lag der Anteil noch bei 32%, Benziner kamen im Zeitraum Jänner bis Juni 2020 auf einen Anteil von 52,1%. Der Anteil von Elektroautos an den Neuregistrierungen konnte auf 7% gesteigert werden.

Covid-19 Auswirkungen auf die Autoproduktion in der EU

In den ersten 9 Monaten 2020 wurden in der EU 3,7 Millionen oder um 22,3% weniger Autos** produziert. Deutschland, der größte Autoproduzent in der EU, verzeichnete einen Produktionsverlust von 1.077.943 Autos, Spanien produzierte um 754.978 weniger und Frankreich kam auf ein Minus von 416.149, in Italien wurden im selben Zeitraum 284.785 weniger Autos produziert als im Vorjahr.

Die deutsche Autobranche 

Deutschland ist nach China und den USA der drittgrößte Pkw-Produzent weltweit. Fast 70% der in Deutschland produzierten Pkws werden ins Ausland exportiert, das ist die höchste PKW-Exportquote der Welt. In der EU ist Deutschland bei der Autoproduktion die Nummer 1. Laut einer Anfang September veröffentlichten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) wurde die deutsche Autoindustrie als Folge der Corona-Krise im Branchenvergleich sehr hart getroffen. Schon vor der Corona-Krise gab es Überkapazitäten und die Branche ist durch den Technologiewandel finanziell stark belastet. Die in der Vergangenheit als Schlüsselindustrie geltende Branche habe nach vielen Jahren ihre Rolle als Motor des deutschen Wirtschaftswachstums eingebüßt und es werde zu starken Personalanpassungen kommen, so die Studie.

Neben den Autoproduzenten sind auch die Zulieferfirmen stark von der Krise betroffen. So müssen zum Beispiel die großen deutschen Zulieferer wie Bosch, Continental und der Schäffler-Konzern tausende Stellen abbauen.

Seit Ausbruch der Coronakrise trafen sich die Spitzen der Regierung mit den Managern der Autoindustrie und Arbeitnehmervertretern schon mehrmals, um über Stützungsmaßnahmen für die kriselnde Branche zu verhandeln.  Im Juni hatten Regierung und Industrie einen anteilig finanzierten Ausbau bestehender Kaufprämien für Elektro- und Hybridautos beschlossen, zudem soll die Senkung der Mehrwertsteuer die Nachfrage ankurbeln. Das letzte Treffen fand im September statt, wo auch die prekäre Lage der Zulieferfirmen diskutiert wurde. Beschlüsse wurden auf dem Auto-Gipfel keine gefasst, Arbeitsgruppen sollen nun weitere Hilfen für die angeschlagene Branche prüfen. Der nächste Autogipfel ist bereits für November geplant.

Im 3. Quartal gab es von den großen deutschen Autobauern wieder bessere Nachrichten, so meldete Daimler für das 3. Quartal 2929 ein positives Geschäftsergebnis, was einerseits auf Maßnahmen der Kostenreduzierung des Konzerns und andererseits auf die gute Geschäftsentwicklung des chinesisch-deutschen Joint Ventures Unternehmens BBAC*** zurückzuführen ist. Auch BMW konnte den Absatz im 3. Quartal steigern, wobei es vor allem auf dem chinesischen Markt zu einem starken Zuwachs von 31% kam.  Auch beim VW Konzern sind die Verkaufszahlen im September zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Krise wieder leicht gestiegen.

Der Elektroauto-Markt in der EU

Neuregistrierungen von E-Autos in der EU sind trotz Corona-Krise im ersten Halbjahr 2020, verglichen mit dem Vorjahr, um 76% gestiegen. In absoluten Zahlen wurden von Jänner bis Juni 2020 fast 300.000 Elektroautos gekauft, das sind 7% der gesamten Neuregistrierungen, im selben Zeitraum 2019 waren es nur 3%. In Italien wurden im ersten Halbjahr 2020 um 108% mehr Elektroautos gekauft, als im selben Zeitraum 2019, in Deutschland waren es 97%, in Frankreich 125% und in Spanien 20%. Der Boom bei den E-Autos stellt viele Hersteller bei Produktion und Auslieferung vor große Herausforderungen. Bei vielen E-Auto kommt es zu langen Warte- und Lieferzeiten. 

Neben den diversen staatlichen Förderungen beim Kauf von E-Autos, sind vor allem die seit Anfang 2020 geltenden neuen Abgasnormen der EU**** ein Hauptgrund für die stark gestiegenen Verkaufszahlen bei den E-Autos.  Um die neuen EU-Normen zu erfüllen, versuchen die Autohersteller möglichst viele E-Autos und Hybride zu verkaufen. Auch die inzwischen größere Angebotspalette von E-Autos auf dem Markt trägt dazu bei, dass mehr Konsumenten ein E-Auto kaufen. Laut ACEA gibt es über 200 Elektroautos (reine Batterie Autos und Plug-in -Hybride) auf dem europäischen Automarkt.

Zukunftsperspektiven

Wie das letzte Quartal 2020 und 2021 für die Autobranche ausfallen wird, hängt von der weiteren Entwicklung des Coronapandemie ab. Die EU-Autoindustrie hat in Zukunft nicht nur wegen der Corona-Krise gewaltige Herausforderungen zu bewältigen, auch der Umstieg auf neue kostenintensive Technologien (Elektromobilität, andere alternative Antriebe, autonomes Fahren, Digitalisierung etc.) erfordert hohe Investitionen. All das wird zu Umstrukturierungen und in manchen Autowerken und Zulieferfirmen zu weiterem Stellenabbau führen. Ohne staatliche Unterstützung werden manche Unternehmen der Branche (Autohersteller und Zulieferfirmen) in Existenznöte geraten.

* direkte und indirekte Beschäftigung (z.B. Zulieferbetriebe)

** Inkludiert PKWs und kleine Nutzfahrzeuge

*** BBAC (Beijing Benz Automotive Co., Ltd.) wurde 2005  gegründet und ist ein chinesch-deutscher Joint Venture Auto-Konzern, an dem der chinesische Autoherstller BAIC, die deutsche Daimler AG and die Daimler Greater China Ltd. (DGRC)s beteiligt sind.

**** Für alle neu zugelassenen Fahrzeuge eines Herstellers gilt ein durchschnittlicher Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer. Das entspricht einem Durchschnittsverbrauch von 4,1 Liter Benzin oder 3,6 Liter Diesel je 100 Kilometer. Wer diese Vorgaben nicht erfüllt, muss Strafen zahlen. 2020 gibt es noch eine Ausnahmeregelung, jeder Autohersteller darf fünf Prozent seiner neu zugelassenen Fahrzeuge mit dem höchsten CO2-Ausstoß bei der Durchschnitts-Berechnung ausschließen.

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Gianguido Piani Di., 27.10.2020 - 11:39

Endlich eine gute Nachricht! Hoffentlich setzt sich der Trend fort.
Anstatt, oder neben, Elektrofahrzeugen könnten Autobauer die Produktionslinien auf die Erzeugung von mehr Zügen umgestalten. Züge fahren ohnehin elektrisch, sind viel effizienter als Elektroautos, die Technik ist längst erproben. Mehr Züge würden auch mehr Platz für die "soziale Distanzierung" anbieten.

Di., 27.10.2020 - 11:39 Permalink