Umwelt | Pestizide

Der Bär im Apfelparadies

"Fließend Deutsch und warmes Wasser" lockte in den Sechziger Jahren die Bayern nach Südtirol. Da war die Welt noch in Ordnung.
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Apfelkisten
Foto: Pixabay

Gespritzt wurde damals zwar auch schon und ganz bestimmt nicht "warmes Wasser". Aber es gab keine Spritzhefte und auch keinen Bär. Das Umweltinstitut in München beschäftigte sich mit dem Waldsterben. Somit war Ruhe in Bayern und in Südtirol. Der Apfelanbau in Südtirol entwickelte sich rasch und flächendeckend. Die Monokultur erforderte wegen der zu schwachen Nützlinge und den immer höher geschraubten Ansprüchen bei der Qualität des Apfels ein Eingreifen mit der Chemie. Agrios regulierte bald mit strengen Vorschriften die "Spritzmittel-Kultur", der integrierte Apfelanbau und später der Bioanbau brachten wesentliche Verbesserungen in jeder Hinsicht. Das Spritzheft soll Nachweis erbringen, dass das Regelwerk auch respektiert und eingehalten wird. Fakt ist auch, dass Spritzmittel nicht billig sind und die Gewinnspanne im Obstbau laufend gesunken ist. Somit ist jeder Obstbauer schon von sich aus so eingestellt, dass er nur spritzt, was unbedingt notwendig ist. Es gibt immer noch Luft nach oben, was Verbesserungen bei den Spritzmitteln in ihrer Wirkung und Abbaufähigkeit betrifft, aber das sind langfristige Prozesse, die Forschung und Innovation voraussetzen. Dazu kommt noch, dass die Klimaerwärmung neue Schädlinge in die Obstkulturen bringt und die geänderten Witterungsbedingungen kommen auch noch dazu. Das war der Stand vor dem "Malser Weg" oder besser gesagt "Malser Theater". Mit der Einmischung von Leuten, die vom Obstbau so viel verstehen, wie die Kuh vom Sonntag, ist die Sachlage kompliziert geworden. Auf der einen Seite die Obstwirtschaft, schon genug in Bedrängnis wegen verschiedener negativer Entwicklungen, auf der anderen Seite ein ständiges Schüren von Hass und Abscheu gegen vergiftetes Obst. 

Und jetzt wissen wir's noch genauer. Der Bär macht in München wieder mobil und die Süddeutsche Zeitung springt auf. Reisewarnung Nr. 2, die erste gilt dem Corona-Risikogebiet Südtirol, die zweite dem Pestizid-Südtirol. Beides ist gefährlich. Gefährlicher als der Bär, der sich in die Tallagen verirrt. Der Münchner  "Bär"  wird auch gefährlich, weil er trotz schwebendem Verfahren, oder wahrscheinlich gerade deshalb, Südtirol in Schieflage bringt. Die Maisfelder in Bayern interessieren ihn wenig. Er ist von den Apfelanlagen in Südtirol fasziniert. Die Süddeutsche Zeitung aber interpretiert ihn völlig falsch. Die schreiben nicht von Faszination, sondern vom Risiko, das nun offen aufliegt. Es wurden nämlich die Spritzhefte eingefordert vom Staatsanwalt. Dort steht es schwarz auf weiß, was gespritzt wurde. Und das soll das "warme Wasser" sein, das der Münchner erfunden hat? Ist der noch nicht so weit gekommen mit seiner Logik, dass er versteht, dass wenn was Unerlaubtes gespritzt worden wäre, es sicher nicht im Spritzheft steht. Arme Bayern. Kommt bitte nicht nach Südtirol. Es ist alles gefährlich. Corona, Spaziergänge in der Apfelblüte, Radfahren durch die Obstwiesen, ja auch die Hotelrechnung letzten Endes. Wer wird denn für ein solches Risiko auch noch bezahlen. Es war doch so schön ruhig heuer im Frühjahr überall, auf den Straßen, auf den Radwegen, in den Dörfern. Dies auch im Sommer noch, weil nur die Hälfte der Gäste gekommen ist. Macht die Grenzen dicht, liebe Bayern. Die Brennerautobahn und speziell die Anrainer würden es euch danken. Und der "Malser Weg" ist sowieso ein Kreisverkehr, bei dem man nicht weiß, wer Vorfahrt hat. Mit und ohne Bär als Richtungsweiser. 

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Salto User
Silke Raffeiner Di., 27.10.2020 - 23:19

Es ist nicht nur Karl Bär, auch ganz "normale" Verbraucherinnen und Verbraucher wollen heute - im Unterschied zu früher - darüber informiert werden, wie die Lebensmittel, die sie sich einverleiben, produziert werden. Und verständlicherweise wollen sie dabei auch mitbestimmen, sind sie es doch, die für die Produkte bezahlen. Diese Entwicklung sollte endlich zur Kenntnis genommen werden.

Di., 27.10.2020 - 23:19 Permalink
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Peter Gasser Di., 27.10.2020 - 23:30

Antwort auf von Silke Raffeiner

Sie bestimmen mit, indem Sie die Politiker wählen, die die entsprechenden Gesetze machen, nach denen Pflanzenschutzmittel hergestellt, verkauft und angewendet werden. Die die Gesetze machen, nach denen mit Pflanzenschutzmitteln erzeugte Orangen, Bananen, Ananas, Rosen, Reis, Mehl, Zucker, Baumwolle, Hemden, Margarine, Palmöle, Kokosöle, Kaffee, Tee, Kakao und alles andere eingeführt und auch von Ihnen täglich gekauft und konsumiert werden.
Und unter all diesen Dingen erregen Sie sich nur über den Südtiroler Apfel? Warum gerade über diesen, während Sie alle anderen mit Pflanzenschutzmitteln erzeugten Produkte konsumieren?

Di., 27.10.2020 - 23:30 Permalink
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Pafeiler Matthias Mi., 28.10.2020 - 05:20

Antwort auf von Peter Gasser

Glauben Sie nicht, dass es für den Konsumenten einen Unterschied machen würde, wenn bei allen Produkten, klar und transparent komuniziert würde, wie und unter welchen Umständen sie produziert wurden? Ich habe den obigen Komentar in diese Richtung gehend verstanden. Dass es dazu natürlich Politiker braucht die die nötigen Regelungen bestimmen liegt dann wohl relativ nahe.

Mi., 28.10.2020 - 05:20 Permalink
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Peter Gasser Mi., 28.10.2020 - 07:25

Antwort auf von Pafeiler Matthias

da stimme ich absolut zu: DAS aber wird happig für unser Gewissen und unser tägliches Leben!
Da bleibt nämlich sehr sehr wenig übrig, wir stünden beinahe nackt da, mit wenig Nahrung und säßen zuhause und gingen zufuß, im Büro stehend mit Heft und Schreibstift.
Da müssten Sie in billigen Konsumententempeln 98% der Produkte aus den Regalen nehmen.
Wie gesagt, jeder kann mitbestimmen und nationale Parlamente und/oder das EU-Parlament haben die Freiheit, die Produktion, die Einfuhr und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und von Lebensmitteln, die mit solchen produziert worden sind, per Gesetz zu verbieten.
Warum geschieht dies NICHT, wenn es die Mehrheit wolle?

Mi., 28.10.2020 - 07:25 Permalink
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Pafeiler Matthias Mi., 28.10.2020 - 07:59

Antwort auf von Peter Gasser

Vielleicht weil Ehrlichkeit und Transparenz nicht umbedingt ausschlaggebend dafür sind, wer gewählt wird. Vielleicht auch weil der Großteil der Entscheidungsträger in der Eu nicht direkt gewählt werden, sondern auf unterschiedlichste Art bestimmt werden. Vielleicht auch, weil bei großen Teilen der Eu-Bevölkerung die Information und Sensibilisierung dafür fehlt. Vielleicht auch alles ein bisschen.

Mi., 28.10.2020 - 07:59 Permalink
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Sebastian Felderer Mi., 28.10.2020 - 06:24

Lieber Michael Andres, ich glaube, meine vierzig Jahre Umweltschutz sind Beweis genug gegen deine Behauptungen. War selbst Vorsitzender der Umweltschutzgruppe Vinschgau, habe das Zerzertal vor der Watles-Erweiterung gerettet, für die Vinschgerbahn gekämpft, für das Radwegenetz, die Bauernmärkte , die Fußgängerzone in Schlanders und vieles mehr. Ich plädiere auch für den erhobenen Zeigefinger gegen vermeidbare Schädlingsbekämpfung, aber im Gespräch mit den Produzenten und Verantwortlichen. Sowas lässt sich nicht mit Protestplakaten in München oder provokanten Filmen und Büchern regeln. Nur dies will ich lächerlich machen, den Umweltschutz bestimmt nicht. Die Klage vor Gericht gegen diese Aktionen finde ich mehr als gerechtfertigt.

Mi., 28.10.2020 - 06:24 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 28.10.2020 - 06:43

Die EU hat das Pestizid *Mancozeb* verboten, weil es " *reproduktionstoxisch* " ist und " *das Kind im Mutterleib schädigen kann* ".
_Mancozeb_ ist auch Teil vom Südtiroler AGRIOS Programm mit bis zu 4 Einsätzen pro Jahr. Darauf folgende Karenzzeit: 28 Tage.

Mi., 28.10.2020 - 06:43 Permalink
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Manfred Klotz Mi., 28.10.2020 - 08:03

In diesem, zum Schmunzeln anregenden Beitrag geht es nicht darum, den Umweltschutz lächerlich zu machen, sondern die deutsch/österreichische Heuchelei.

Mi., 28.10.2020 - 08:03 Permalink
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Sigmund Kripp Mi., 28.10.2020 - 09:16

Es ist wie immer eine Kostenfrage. Sowohl für den Bauer, wie auch für den Konsument. Momentan kostet das Verschmutzen der Umwelt viel weniger, als deren pfleglicher Erhalt! Würde man alle Kosten, die die Beseitigung von Umweltschäden auf die sie verursachenden Pflanzenschutzmittel umlegen, wäre Bio plötzlich viel billiger, und "konventionell" viel teurer! Auch das ist aber eine Frage der Gesetzgebung und letztlich der an ihr beteiligten politischen Mitspieler (Parteien). Also: Anders denken - anders wählen, das hilft!

Mi., 28.10.2020 - 09:16 Permalink
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Peter Gasser Mi., 28.10.2020 - 12:47

Antwort auf von Sigmund Kripp

genauso ist es; ... und das trifft nicht nur die Pflanzenschutzmittel, sondern jegliche Umweltverschmutzung, auch im Handwerk, der Industrie, dem Tertiärsektor und insbesondere der gesamten Tourismusbranche.

Mi., 28.10.2020 - 12:47 Permalink
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Sebastian Felderer Fr., 30.10.2020 - 06:27

Ja, Michael Andres, die Prügelstrafe täte vielen gut. Weil "wer nicht hören will, muss fühlen". Im Ernst, wir brauchen keine Prügelstrafe, aber Hausverstand. Und da fehlt es inzwischen schon gewaltig. Und jeder reißt den Mund auf und gibt von sich, was er für richtig hält. Aber die Leere im Kopf bei vielen ist fatal. Kein fundiertes Wissen, nur Echo aus dem Walde. Also mit ewig Gestrigen lässt sich leben, sofern sie gelernt haben, mit der Erfahrung von gestern, heute das Morgen zu gestalten.

Fr., 30.10.2020 - 06:27 Permalink
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rotaderga Fr., 30.10.2020 - 07:40

Antwort auf von Sebastian Felderer

"Also mit ewig Gestrigen lässt sich leben, sofern sie gelernt haben, mit der Erfahrung von gestern, heute das Morgen zu gestalten."
Natürlich lässt es sich mit diesem Sager leben aber mir wäre er zu wenig.
Es braucht Erfahrung, Wissen und den richtigen ehrlichen Blick für das Heute. Und am wichtigsten: will nur ich die Art von Morgen oder wollen es auch die Anderen? Dann wird aus vielen Bäumen ein durchschaubarer Wald. Aber so sieg holt la i s!

Fr., 30.10.2020 - 07:40 Permalink
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Christoph Gatscher Sa., 31.10.2020 - 09:05

Mich erstaunt Herr Felderer, daß sie den integrierten Obstbau und Agrios, das ja eigentlich gut gestartet ist, zur Zeit aber weit von seinen Vorsätzen entfernt ist und kaum die eigenen Regeln einhält, so wehement verteidigenden.

Sa., 31.10.2020 - 09:05 Permalink
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Stefan S So., 01.11.2020 - 11:00

"dass wenn was Unerlaubtes gespritzt worden wäre, es sicher nicht im Spritzheft steht."
Genau hier liegt das Problem, die nicht registrierten und ausgebrachten Mengen an Pestiziden dürften um ein vielfaches höher liegen. Ein jeder der sich im landwirtschaftlichen Umfeld ein wenig auskennt ist sich bewusst das viele Bauern schwarze Lagerbestände besitzen.
"Und der "Malser Weg" ist sowieso ein Kreisverkehr"
Für Talbewohner welche nicht über die notwendige Weitsicht verfügen bleibt es ein Kreisverkehr aber wie in jedem Kreisverkehr gibt es immer diversere Ausfahrmöglichkeiten. Man erinnere sich nur an die tollen Windräder....

So., 01.11.2020 - 11:00 Permalink
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Günther Mayr So., 01.11.2020 - 16:53

Antwort auf von Stefan S

Schauen Sie mal in den Haushalten nach, was und wie dort diese Dinge gelagert werden.
Für einen landw. Betrieb ist es Harakiri etwas unerlaubtes (wozu denn auch) zu spritzen: Wenn man kontrolliert wird, findet man alles!
Kupfer beim Austrieb (Mausohrstadium), noch nicht mal ein Blatt am Baum - im Herbst an der Waage Probenahme: das wars!
Was den Kreisverkehr betrifft: Fliegen um die Scheiße kreisen ...
Da geb ich dem Sebastian Felderer Recht.

So., 01.11.2020 - 16:53 Permalink