Politik | Meran

Der finale Spielzug

Meran bleibt ohne Stadtregierung. Um Neuwahlen im allerletzten Moment zu verhindern, wird Paul Rösch dem Gemeinderat einen neuen Vorschlag vorlegen.
Meraner Gemeinderat
Foto: Screenshot/Comune Merano Stadtgemeinde Meran

Um 22.50 Uhr stand es fest: Meran bleibt ohne Stadtregierung. Der Vorschlag von Bürgermeister Paul Rösch wurde bei der Gemeinderatssitzung am Dienstag abgelehnt. Er selbst, Madeleine Rohrer, Andrea Rossi (beide Liste Rösch/Grüne), Stefan Frötscher (SVP), Dario Dal Medico (La Civica per Merano), Nerio Zaccaria (Alleanza per Merano) und die 29-jährige Anwältin Elena Scala als extern berufene Stadträtin: Diesen siebenköpfigen Stadtrat legte Rösch zur Abstimmung vor.

Bereits in der Debatte wurde deutlich, dass er dafür keine Mehrheit erhalten wird. Die a priori von Rösch zur Opposition verdammten Rechtsparteien – Lega, Fratelli d’Italia, Südtiroler Freiheit, Freiheitliche – sprachen sich unisono für eine kommissarische Verwaltung und Neuwahlen aus. Alle Augen und Ohren der zahlreichen Interessierten, die die Gemeinderatssitzung via Youtube-Livestream verfolgten, waren auf die möglichen Koalitionspartner gerichtet. Doch auch die erteilten Rösch und seinen Verbündeten eine klare Absage.

Die beiden italienischen Bürgerlisten beharrten, ebenso wie die SVP, auf eine “Koalition der drei Blöcke”, ohne Team K, Ökosoziale Linke und PD. Enrico Lofoco (Alleanza per Merano) wies die Behauptungen, dass es zwischen den italienischen Bürgerlisten und der SVP einen “eisernen Pakt”, hinter dem Lobbys und “okkulte Interessen” stünden, zurück. Dabei hatte der Kopf der Alleanza Nerio Zaccaria – er war bei der Sitzung am Dienstag entschuldigt abwesend – selbst vor Kurzem von einem Abkommen zwischen seiner Liste und der Civica per Merano gesprochen, das “auch die SVP einschließt”. Dario Dal Medico, der Rösch in der Stichwahl am 4. Oktober mit 37 Stimmen unterlegen ist, stellte sich für die vom Bürgermeister gewünschte Übergangsregierung nicht zur Verfügung. Und der Interims-SVP-Stadtobmann Ernst Fop sagte frei heraus: “Jeder Kommissär ist besser als eine so schwache Regierung.”

 

12 Ja, 23 Nein

 

Während der Diskussion, die sich über mehrere Stunden hinzog, und bei der nur die Hälfte der Gemeinderäte physisch anwesend war – die anderen nahmen mittels Videozuschaltung teil –, hagelte es gegenseitige Vorwürfe. Rösch habe es nicht geschafft, ja nicht einmal versucht, die drei meist gewählten Kräfte zusammenzuführen, sondern nur “Scheinverhandlungen” geführt und “versucht, potentielle Partner gegenseitig auszutricksen”. Er habe nicht verstanden, dass er aufgrund seines knappen Wahlsiegs nicht im Alleingang die Zusammensetzung der Mehrheit diktieren könne. “Es wurde eine große Chance verpasst, ich bin menschlich sehr enttäuscht”, so Fop.

 

Hörbar aufgebracht nahm der Bürgermeister vor der Abstimmung über seine Regierungserklärung und seine vorgeschlagene Stadtregierung Stellung. Der einzige Vorschlag, den er von der SVP “wie ein Mantra” gehört habe, sei “3 mal 8” (eine 24-köpfige Regierungsmehrheit aus Liste Rösch/Grüne, italienischen Bürgerlisten und SVP) und “2-2-2” (Stadträte für jeden Block) gewesen. Auch die Maxime der Bürgerlisten sei eine Mehrheit ohne Röschs Bündnispartner Team K und Ökosoziale Linke sowie den PD, der ihn in der Stichwahl unterstützt hat, gewesen. “Ihr müsst euch spalten, aber wir nicht” – so die Botschaft, die Rösch von Alleanza und Civica vernommen hat. Auf seine Vorschläge – ein Stadtrat für die SVP bzw. eine Koalition nur mit den Bürgerlisten – habe er “kein Echo bekommen”. “Fakt ist, dass viel Zeit vergeudet wurde ohne Entgegenkommen zu zeigen und über das ‘3 mal 8’ hinauszukommen. Da können Sie sich krank reden”, meinte Rösch in Richtung SVP und Bürgerlisten.

Um 22.15 Uhr begann die namentliche Abstimmung. Die Regierungserklärung des Bürgermeisters wurde mit 12 Ja (Liste Rösch/Grüne, Team K, Ökosoziale Linke, PD), acht Enthaltungen (SVP und Dario Dal Medico) und 14 Nein (Alleanza, Civica, Lega, FdI, STF, Freiheitliche) versenkt. Der Vorschlag für die Stadtregierung wurde mit 12 Ja (Liste Rösch/Grüne, Team K, Ökosoziale Linke, PD) und 23 Nein (Bürgerlisten, SVP, Rechtsparteien) abgelehnt.

 

Neuer Vorschlag am letzten Tag

 

Laut Regionalgesetz hat der Bürgermeister ab Verkündung der Gewählten 30 Tage Zeit, um einen Ausschuss vom Gemeinderat bestätigen zu lassen. In Meran wurden die Gewählten am 5. Oktober proklamiert. Demnach ist der heutige 4. November der allerletzte Tag, um einen Kommissär und Neuwahlen zu verhindern. Am Abend wird der Meraner Gemeinderat erneut zusammentreten, Rösch erneut einen Vorschlag zur Abstimmung vorlegen. Es muss nicht derselbe sein. Tatsächlich bestätigt der Bürgermeister auf Nachfrage von salto.bz am späten Vormittag: “Nein, es wird ein neuer Vorschlag sein.” Wie wird dieser aussehen? Das kann oder will Rösch nicht verraten. Er sei gerade dabei, sich mit seinen Leuten zu beraten, “dann gehen die Telefonate los”. Es wird also ein letztes Mal das Gespräch mit den Bürgerlisten und der SVP gesucht. “Mein Ziel als Bürgermeister ist es, heute einen Weg zu finden, um die kommissarische Verwaltung abzuwenden.” Auch, weil die Menschen keinerlei Verständnis hätten, wenn es in einer Krisenphase wie der aktuellen zu Neuwahlen kommen würde. “Der Frust würde weiter steigen, die Stadt weiter geteilt, weil der Anteil der Nichtwähler noch größer sein wird”, befürchtet Madeleine Rohrer.

 

Sollte auch am Mittwoch Abend keine Einigung erzielt werden, kommt die Stadt Meran unter kommissarische Verwaltung. Bei Gemeinden mit über 20.000 Einwohnern obliegt die Ernennung des Kommissärs dem Staat. Diese wird im Einvernehmen mit der Landesregierung vorgenommen. Das entsprechende Dekret wird vom Landeshauptmann unterzeichnet, nachdem die Landesregierung den diesbezüglichen Beschluss gefasst hat. Bis der Kommissär offiziell die Verwaltung der Stadt übernimmt, bleiben der Bürgermeister und die neu gewählten Räte im Amt. Unabhängig von den Ergebnissen der heutigen Gemeinderatssitzung, hat Paul Rösch für Donnerstag (5. November) Vormittag eine Pressekonferenz anberaumt.